Diese Szene kennt jede Abteilung, jede Projektgruppe und überhaupt jede Gruppe von Menschen mit gemeinsamen Aufgaben: Eine Idee muss her. Und zwar schnell. Sie muss originell sein, ja geradezu genial. Neue Wege müssen beschritten werden, man muss «out of the box» denken, kreativ sein. Das erprobte Mittel zum Zweck heisst Brainstorming. Wer schon bei der Ankündigung leer schluckt, dem sei geholfen: Brainstorming nützt nichts. Das haben jedenfalls Forscher um den deutschen Sozialpsychologen Wolfgang Stroebe gezeigt. Hinderlich sind demnach zu steile Hierarchien in der Gruppe, fehlendes Teamgefühl, die Angst, etwas Falsches zu sagen und sich zu blamieren. Und die Tatsache, dass man, während die anderen ihre Ideen loswerden, warten muss, bis man etwas sagen darf. Diskussionsteilnehmer blockieren sich gegenseitig.
Wie macht man dann gute Ideen? Gibt es Alternativen zum Brainstorming? Ja, sagt Cedric Zaugg von der Berner Führungskräfteschmiede KaosPilots. «Aber die Alternative ist nicht ein neues Tool, das das alte Brainstorming ablösen kann. Die Alternative ist ein neues Teamklima.» So geht es über drei Schritte zur guten Ideenfindung: Frisches Teamklima, Ideen-Outsourcing und alternative Instrumente.
Zum Teamklima sagt Zaugg: «Jede Form der kreativen Zusammenarbeit, egal wie sie strukturiert ist, hängt davon ab, wie das Klima im Team funktioniert.» Wo man gehemmt ist, sich nicht traut, Ideen auf den Tisch zu bringen, da nützt kein Instrument. Denn was ist Brainstorming eigentlich? Es ist die absolute Offenheit gegenüber allen Ideen, bevor es ans Aussortieren geht. Wenn das nicht möglich ist, dann ist es egal, welches Tool man benutzt: Es kommt nichts dabei heraus. Brainstorming steht am Anfang jedes kreativen Prozesses, wie auch immer er weitergestaltet wird.
Ehrung für das Scheitern
Nur, wie schafft man ein Klima, in dem fruchtbar nach guten Ideen gegraben werden kann? «Das muss von der obersten Stelle bis zuunterst in der Organisation verwurzelt sein», sagt Zaugg. «Jeder Chef sagt, er will Innovation, aber nicht alle sind bereit, etwas dafür zu riskieren.» Wer kreativ sein will, muss Fehler machen dürfen. «Nur wenn ich weiss, dass ich meine Idee anbringen kann, auch wenn sie vielleicht scheitert, nur dann getraue ich mich auch, neue Ideen zu formulieren.»
Firmen können dafür konkrete Anreize schaffen, etwa mit einer Ehrung für das Scheitern. Es gibt Firmen, die einen Fail Award verleihen. Die erfolgreichste und die am schlimmsten gescheiterte Idee werden geehrt und mit Preisgeld ausgezeichnet. «Das zeigt den Mitarbeitern: Wenn ich meine Idee ausprobiere, dann wird mein Engagement gewürdigt, auch wenn die Idee schiefläuft. Nur wenn man Vertrauen spürt, können auch richtig gute Ideen einen Weg finden.»
Arbeit am Teamklima geht lange, aber die Idee muss jetzt her. Wie weiter? Eine Alternative ist das Ideen-Outsourcing. Das geht auf zwei Arten. Wenn die Gruppe stockt, der Ideenfluss nicht in Gang kommt, soll die Gruppe laut Zaugg «unbedingt Aussenstehende zuziehen». Wenn sich immer die gleichen Köpfe seit 20 Jahren Gedanken zu den gleichen Themen machen, könne nichts Neues dabei herauskommen. «Holen Sie sich eine oder zwei Personen aus einer anderen Abteilung, einen Kunden oder sogar aus einer anderen Organisation, die bringen frischen Wind in die Diskussion.»
Wenn das nicht geht, kann die Ideenfindung noch konsequenter ausgelagert werden. Zum Beispiel in Form von Crowdsourcing, einer Ideensuche mit Hilfe von Externen. Die Schweizer Firma Atizo etwa unterhält ein weites Feld an Ideenmachern, deren Einfälle zu spezifischen Fragestellungen geerntet werden können. Das nennt sich Public Brainstorming, also öffentliche Ideensuche. Was futuristisch klingt, ist es in Wirklichkeit gar nicht. Atizo verfügt über ein breites Kundensegment; unter anderen haben bereits die NZZ, BMW und die Migros den Ideenanbieter genutzt – und Ideen gefunden.
Innovatoren-Pool
Atizo pflegt einen Pool an Mitgliedern, die sich als Innovatoren an den Projekten der Atizo-Kunden beteiligen. Zurzeit forscht etwa Homegate.ch nach zukünftigen Arten der Immobiliensuche und investiert in die Ideenfindung eine Gesamtprämie von 1000 Franken. Die wird unter den Innovatoren mit den besten Ideen aufgeteilt. «Das Public Brainstorming hat einige Vorteile gegenüber dem geschlossenen Brainstorming in der Unternehmung selber», sagt Christian Hirsig, Chef von Atizo. «Hierarchien spielen keine Rolle, Artikulation oder Aussehen auch nicht.» Zudem können alle gleichzeitig ihre Ideen loswerden und blockieren sich nicht gegenseitig. Es gibt bei Atizo offenes, aber auch geschlossenes Brainstorming, wenn es etwa um Patente geht. «Grundsätzlich sind alle Ideen, welche auf Atizo generiert werden, öffentlich publiziert. Sie gehören allen.»
Das geht aber auch anders – die Firma Mammut etwa sucht gerade eine Lösung und Konzeptentwicklung für einen neuen Lawinen-Airbag. Da es sich um ein Patent handeln könnte, organisiert Atizo ein geschlossenes Brainstorming, für das sich die Innovatoren bewerben können.
Wenn das Klima im Team stimmt, gibt es eine Fülle von Alternativen zum klassischen Brainstorming, sagt Viktor Lysell Smålänning. Der KaosPilot und Student steckt jeden Tag in Ideenfindungsprozessen und hat sich ein Repertoire an Instrumenten angeeignet. Bei der Ideensuche gehe es darum, nicht nur möglichst viele, sondern möglichst wilde Ideen zu generieren, sagt er. Dabei müsse man sich gegenseitig anfeuern, statt sich zu bremsen.
Jeder Teilnehmer soll also die Idee des anderen stehen lassen und eine noch wildere Idee ins Spiel bringen. Smålännings Methode für wilde Ideen ist reichlich ungewöhnlich: Man notiert sich alle für eine Fragestellung wichtigen Kriterien, wählt das wichtigste aus und fragt sich, wie man es genau ohne dieses Kriterium schaffen kann.
Rezept für gute Ideen: Der doppelte Diamant
Perspektive
Das Rezept von KaosPilot Viktor Lysell Smålänning für gute Ideen hat einen klingenden Namen. «Wir benutzen den doppelten Diamanten. Die Idee dabei: Wir fangen ganz schmal an mit der Ideenfindung, suchen uns eine ganz enge Perspektive. Dann weiten wir die Suche aus. Das ist die breite Stelle des Diamanten. Am Schluss engen wir die Auswahl wieder ein.» Die Anfangsperspektive sorgt für einen neuen Ausgangspunkt. Statt zu fragen «Wie bringen wir unser Produkt an die Leute?», fragt man spezifisch: «Wie machen wir, dass CNN über unsere Aktion berichtet?» Wenn der Prozess so eng gefasst begonnen wird, können frische Wege beschritten werden. Danach geht der Rahmen auf: «Wenn man eine Perspektive hat, kann man damit anfangen, Ideen zu generieren.»