Die 1500 Mitarbeiter eines Online-Schuhversands in blauen T-Shirts reckten sich in der Lobby der Konferenzhalle in Las Vegas wie die Seesterne – sie stellten ihre Beine breit auseinander und rissen die Arme in die Luft. Andere stützen ihre Hände autoritativ in die Hüften – «Wonder Woman» nennt Amy Cuddy diese Pose. «Machen Sie sich gross», hatte die Professorin der Harvard Business School dem Publikum vorher von der Bühne aus zugerufen. «Es funktioniert wirklich.» 

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Der Rat der Sozialpsychologin könnte aus dem Mund einer wohlmeinenden Grossmutter kommen: «Setz dich gerade hin, mein Kind!» Doch Cuddys Forschung zeigt: Wer sich gerade hinstellt, beide Beine in den Boden pflanzt, die Brust herausstreckt und die Schultern zurücknimmt, sieht nicht nur imposanter aus, sondern fühlt sich auch stärker. Die Power-Pose steigert die Produktion des männlichen Hormons Testosteron und senkt zugleich das Stresshormon Cortisol.

Der aufrecht stehende Mensch setzt sich besser durch

Der erwünschte Effekt: Der aufrecht stehende Mensch setzt sich besser durch – seine Mitmenschen beachten ihn und seine Anliegen mehr. Natürlich nutzten die Zuhörer die nächstbeste Pause, um dieses einfache Rezept gleich einmal auszuprobieren. Kreuz und quer durch Amerika hängen Konzernchefs und solche, die es werden wollen, an Cuddys Lippen.

Die These rund um die Power-Pose hat die 42-Jährige zu einer Berühmtheit gemacht. Im Jahr 2012 in Maine gab sie auf der Ideen-Konferenz Ted einen sogenannten Ted-Talk zu dem Thema. Das Video stieg zum zweitmeistgesehenen Vortrag der berühmten Konferenz-Serie auf. Die Facebook-Vize Sheryl Sandberg nennt sich selbst nicht nur einen grossen Fan, sondern engagierte Cuddy gleich als Beraterin für ihre «Lean-In»-Initiative, mit der sie Frauen zu mehr Selbstbewusstsein und Erfolg im Beruf bringen möchte.

Zusammenhang von Haltung und Hormonen erforscht

Das Interessante an Cuddy ist, dass sie ihre Trainingsprogramme mit ihrer Forschungstätigkeit in Harvard kombiniert. Immer wieder testete sie beispielsweise den Zusammenhang von Haltung und Hormonen: In Cuddys Versuchsanordnung mass sie bei Probanden die Hormonniveaus nach je einer Minute in zwei Power-Posen.

Diejenigen mit der selbstbewussten Haltung verzeichneten nach nur zwei Minuten einen Anstieg des Testosteronwertes um 19 Prozent, bei den Versuchsteilnehmern in Low-Power-Posen fiel der Testosteronwert um 10 Prozent. Die Ergebnisse verblüfften: Es waren spürbare Unterschiede in den Körperhormonen zu erkennen. «Wenn man diesen Effekt schon nach zwei Minuten messen kann – stellen Sie sich dann erst vor, wie er sich nach einem Jahr im Chefsessel auswirkt», sagt Cuddy.

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