Die Bilder und die Möbel in Roland Nefs Büro kommen einem bekannt vor: Wie schon bei seinem Vorgänger Christophe Keckeis irren erschöpfte Bourbacki-Krieger durch eine fahle Winterlandschaft, und schräg gegenüber ragen ein paar trutzige Felsen in einen trüben Himmel. Selbst der Tisch, an dem wir uns unterhalten, dürfte der Sparwut des Parlaments zuzuschreiben sein. «War alles schon da», sagt der neue, zu früher Stunde schon sehr alerte Armeechef beinahe entschuldigend und erinnert daran, dass er erst vor wenigen Tagen hier Einzug gehalten hat.

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Sein erfrischendes Lachen wirkt ansteckend. Man spürt, dass er sich nicht ins Bockshorn jagen lässt. Von seinen Jugendfreunden, er erwähnt die «Holtz-Buben», mit denen er jeweils in den Thurgauer Wäldern herumgetollt ist und Schabernack getrieben hat, erfährt man, dass er selbst am meisten lachte, wenn man ihn hochgenommen hat. Den Vater von Daniel und Patrick Holtz, ein weit über die Schweizergrenze hinaus bekannter Komponist, Organist und Dirigent, erwähnt er denn auch sofort, darauf angesprochen, welche Menschen ihn besonders geprägt haben.

«Wegen Josef Holtz wäre ich beinahe Musiker geworden. Bei ihm habe ich gelernt, dass sich Disziplin und Kreativität nicht ausschliessen, wie so oft angenommen und fälschlich behauptet wird. Das Gegenteil ist der Fall. Das habe ich in allem, was ich bislang getan habe, immer wieder erlebt und ausgelebt», sagt Nef und schaut sein Gegenüber mit einem Blick an, der vergessen lässt, dass ihm künftig tausende Angehörige der Armee unterstellt sind, manche freiwillig, andere nicht.

Angenommen, er könnte sich einen Wunsch erfüllen, um diesen Raum, der wohl für viele Jahre sein Hauptquartier sein wird, so zu gestalten, dass er seinen eigenen Stempel trüge? Nef muss sich keine Sekunde besinnen: «Mir fehlt nur noch ein Flügel, auf dem ich – wenn es ein Zeitfenster gäbe – spielen könnte, etwa die Präludien und Fugen aus dem ‹Wohltemperierten Klavier› von Johann Sebastian Bach.» Das mit dem Flügel liesse sich, rein platzmässig, wahrscheinlich schon einrichten, das mit dem Zeitfenster hingegen kann er derzeit glatt vergessen. Nef gesteht, dass dies im Moment das einzige ist, was ihm zu schaffen macht: «Ich kann nicht mehr frei über meinen Kalender verfügen.»

Tempi passati

Der Gedanke, dass der neue Armeechef Organist in der Gut-Hirt-Kirche in Zürich war, ist tatsächlich gewöhnungsbedürftig. Ebenso die Vorstellung, dass er jeweils von Frauenfeld aus, wo er aufwuchs, mit dem Velo bei Wind und Wetter in die Kirche radelte. Nur folgerichtig, dass er in seiner Studentenverbindung, der Concordia, den Vulgo «Taste» bekam.

Die Frage, ob diese Farbenbrüder nicht für ihre Saufgelage bekannt gewesen seien, weist er sogleich entrüstet von sich. «Sie verwechseln das mit der Thurgovia. Die von der Concordia waren für ihren Turneifer bekannt.» Womit wir gleich bei Nefs nächstem Hobby sind. Wenn er nicht regelmässig Sport treiben könne, sei er daheim «leicht» unausstehlich, sagt er und lacht über das ganze Gesicht. Seine Frau könne dies jederzeit bestätigen. Sie war es auch, die ihn in seinem schwierigen Entscheid, die neue Funktion zu übernehmen, bestärkt hat. Sogar seine kleine Tochter, die erst fünfeinhalb Jahre alt ist, fand es toll, dass «mein Papa Chef der Soldaten ist». Doch viel mehr interessiert sie, ob ihr Vater immer noch Zeit findet, mit ihr zu spielen.

Sämtliche CEO betonen selbstverständlich, wie wichtig ihnen das Familienleben sei. Auf konkrete Beispiele angesprochen, wird dann das Gespräch oft eher einsilbig oder floskelhaft. Nef reagiert anders. Zwar sagt auch er: «Ich bin und bleibe ein Familienmensch.» Aber dann schiebt er nach: «Den Entscheid, ob ich diese Berufung annehmen soll, habe ich nicht nur mit meiner Frau und meiner Tochter, sondern auch mit meinen Angehörigen besprochen. Wir haben einen grossen Zusammenhalt und achten darauf, dass dieser nicht an Entscheiden scheitert, die eine starke Verankerung beeinträchtigen.»

Ganz nebenbei erfährt man, wie ein «normaler» Sonntag bei ihm zu Hause aussieht: Gemeinsames ausgedehntes Morgenessen, dann Spiel mit der Tochter. «Lego mag sie besonders, aber wir bauen keine Panzer und Flugzeuge. Und Kochen auf ihrem kleinen Kochherd.»

Nefs Spezialität in der Küche sind hingegen Salatsaucen. Das gibt er erst nach eindringlichem Nachfragen bekannt. Zum Rezept sagt er nur so viel: «Das ist mein Geheimnis, aber wenn Freunde auf Besuch kommen, bringen sie leere Configläser mit und bitten darum, sie mit dieser Sauce zu füllen.»

Kontakt zu den «Stakeholdern»

«Ich weiss, dass es viele CEO gibt, die ihre Leute lieber weniger Tage für die Armee freistellen würden.» Jetzt sind wir bei einem wunden Punkt angelangt. Wie will er beweisen, dass für Unternehmen ein ziviler Nutzen aus einer militärischen Ausbildung erkennbar wird? Nef wählt wie immer bei seinen Statements und Aussagen am liebsten den direkten Weg. Die Vermutung liegt nahe, dass der studierte Jurist weiss, dass man bei unangenehmen Themen am besten sofort zur Sache kommt.

Zuoberst auf seiner Traktandenliste stehe die intensive Kontaktaufnahme mit den «Stakeholdern», in der Armee bislang ein Fremdwort. «Ich werde mich intensiv mit den Anspruchsgruppen beschäftigen und ihnen kommunizieren, was wir bieten können.» Dazu zählt er etwa die Wirtschaft, die Politik, die Milizverbände, Jüngere, Ältere sowie Frauen.

Nef ist sich bewusst, dass es wegen der gesellschaftlichen Veränderungen nicht mehr selbstverständlich ist, dass junge Leute ihre Talente und ihre Zeit für die kollektive Sicherheit oder andere gemeinnützige Aufgaben zur Verfügung stellen. Schliesslich gibt es für Management-Qualifikationen auch zivile Angebote, die zwar nicht weniger anspruchsvoll, aber wenigstens körperlich nicht mit so vielen Entbehrungen verbunden sind.

Andererseits bestätigen Männer wie Daniel Rüthemann, Vorsitzender von IBM-Schweiz, AFG-Präsident Edgar Oehler, Helvetia-Präsident Erich Walser oder Bruno Gehrig, VR-Präsident der Swiss Life, dass sie im Militär gelernt hätten, Risiken abzuschätzen und Entscheidungsprozesse mit strukturierten Abläufen durchzuziehen.

Heikle Übergangsphase

Auslandeinsätze, Grosseinsatz für WEF-Teilnehmer, Beschützen von ausländischen Botschaften, Pistenstampfen für Sportanlässe mit hohen Einschaltquoten? «Subsidiäre Sicherungseinsätze und die Raumsicherung gehören zu unseren Kernaufgaben. Das Reservoir von 16000 Polizisten ist einfach einmal erschöpft. Der Zivilschutz springt auch in die Bresche. Aber mir liegt am meisten daran, dass die Armee wieder als Teil unserer Gesellschaft empfunden wird.» Das heisst, er wird viel mit den «Stakeholdern» auf allen Stufen reden, wird – wie er sagt – «wenig im Büro sein» – und versuchen, das Zusammenwirken von Sicherheitskräften national, international, zivil und militärisch zu verbessern.

Nef strahlt Zuversicht aus. Die rechtlichen Dimensionen hat er in seinem früheren Beruf erkannt, die Schnittstellen zwischen Zivilbevölkerung und Armee in seiner bisherigen Tätigkeit als Berufsoffizier, und den Gang auf dem politischen und dem ihm so nahe liegenden menschlichen Parkett, das für ihn aus einer beharrlichen Haltung für die res publica und einer musisch-kreativen Ader geprägt ist, hat er noch vor sich.