Hundert Jahre Tradition haben ein Problem nicht aus der Welt geschafft: Wie nennt man das Kambly-Bretzeli ennet der Landesgrenze? Bretzel? Biscuit? Keks? Falsch! Hans-Martin Wahlen beisst sich nicht die Zähne aus bei der Suche nach einer gleichwertigen Übersetzung. Er besteht auf «edles Feingebäck» und schiebt sich genüsslich ein Kambly-Bretzeli in den Mund. «Mein Lieblingsgebäck», betont er, ergreift ein weiteres Stück und rückt das Siegel auf dem Bretzeli fotogen ins Bild.

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Sollte er es nicht wirklich mögen, so wäre doch dem Marketing Genüge getan. Ohnehin ist der CEO sehr willig und smart, wenn es um die Inszenierung der Firma geht – Feinkost für den Fotografen.

Warum hat der Lehrersohn Spass daran, für Kambly zu arbeiten? «In einem Familienunternehmen zählen andere Werte als in einem grossen Konzern. Unsere Mitarbeitenden sehen, wofür sie arbeiten. Ihre Mentalität prägt die Produkte: Die Emmentaler bringen neben ihrer hohen Loyalität Fingerfertigkeit, Geduld und Interesse an technologischen Innovationen mit.»

Verankert in der Bevölkerung

Jedes Kambly-Produkt sei einzigartig und habe eine Seele, fährt Wahlen fort: «Dadurch ist es für uns auch unvorstellbar, die Produktion nach China auszulagern.» Mehl und Butter für das Bretzeli würden im Dorf produziert, erklärt der CEO und zeigt mit dem Finger aus dem Fenster hinaus. «Hinzu kommt die lokale Kultur: Wir Emmentaler gehen familiär miteinander um.»Wichtig ist auch das Vorleben von Traditionen. Drei Viertel der Mitarbeitenden wohnen im 15-km-Umkreis der Fabrik. Die Eigner leben seit drei Generationen im Dorf Trubschachen. Dies trotz der wirtschaftlichen Nachteile einer Randregion.

Und wo wohnt der CEO? Seine Familie mit den zwei Söhnen ist seit 25 Jahren in Steffisburg verwurzelt. Jeden Morgen geniesst er die Fahrt ins Emmental: «Den Sonnenaufgang inmitten der grünen Hügel und saftigen Weiden erleben zu dürfen, ist ein erhebendes Gefühl.»

Eine Stärke des Emmentals ist der technologische Vorsprung zu ausländischen Firmen gleicher Branche: Ob Design-Seile produzierend wie die Seilerei Jakob in Trubschachen oder Handwerkszeug wie die PB Swiss Tools im Wasen, es sind Menschen am Werk, die ihre Maschinen nicht nur bedienen, sondern zeichnen und auch bauen können. «Wir verlassen uns auf interne und externe Spezialisten, die ihr Handwerk meisterhaft verstehen», betont Wahlen, der in Hasle-Rüegsau zur Schule ging.

Konstruktion ist die eine Seite des Bretzelis. Die andere Seite besteht aus einer beherrschten Produktion. «Unsere Gebäcke sind von solcher Perfektion, dass interne Kenner gar Wettereinflüsse bemerken. So gehört es zum handwerklichen Geschick des Linienpiloten, bei Föhn oder Inversionslage seinen Ofen den klimatischen Verhältnissen anzupassen.»

Die Produktionsstrasse zu wechseln wäre ein Ding der Unmöglichkeit, denn das Produkt sähe sofort anders aus. «Eher nähme Kambly ein Produkt vom Markt, als es zu verändern», betont Wahlen. Qualitätsbeanstandungen sind selten, im Verhältnis der verkauften Einheiten gar vernachlässigbar. Der hohe Anspruch der Kundschaft führt bereits bei einem zerbrochenen Butterfly zu Reaktionen.

Die Rolle neben Oscar Kambly

Die Stärken von Kambly liegen auch im Vernetzen und Teilen von Fähigkeiten. So produziert die Firma Cornu in Champagne für Kambly salzige Blätterteigprodukte, während Kambly diesen Partner in Marketing und Vertrieb stärkt. Solche Formen der Zusammenarbeit führten zu einer idealen Situation, erzählt der 47-jährige Geschäftsführer: «Die Fabrik in Champagne ist heute optimal ausgelastet, und wir haben unsere Produktevielfalt und Angebotskompetenz verbreitert.»

Welche neuen Konsumentenbedürfnisse hat Kambly entdeckt? «Wir arbeiten mit Konsumentengruppen in verschiedenen Ländern. Das Wichtigste ist, ihre Bedürfnisse zu ermitteln. Erst wenn wir sie kennen, kreieren wir Neues. Bevor wir aber Innovationen lancieren, testen wir sie in den verschiedenen Sprachräumen.»

Wer mit Hans-Martin Wahlen Tee trinkt und Bretzeli geniesst, kommt nicht umhin, ihn zu fragen, welche neben einem Oscar Kambly die Rolle des CEO sein kann. Wahlen definiert seine Aufgabe so: «Als Eigner und Präsident des Verwaltungsrats ist Herr Kambly zuständig für den strategischen Bereich. Wir sind Sparringspartner und lassen einander genug Raum. Mit meinem Team bin ich besorgt, die strategischen Vorgaben operativ umzusetzen und die Firma nachhaltig weiterzuentwickeln. Dabei geht es hauptsächlich darum, die Organisation und die Fähigkeiten der Menschen zu erweitern. Neben einer klaren Strategie ist dies die Basis zum Erfolg.»

Welches ist eigentlich der USP des Herrn Wahlen? Sofort stellt er eine Gegenfrage: «Mein feines Gespür? Meine Ehrlichkeit? Oder meine Zuverlässigkeit?» Dass er detailgetreu sei, betrachtet er hingegen als Zeitfresser.

Hohes Auslandswachstum

Mehr Produktion bedeutet Expansion: Wo wächst Kambly? «Die Schweiz ist ein übersättigter Markt. Unser Wachstum muss im Ausland liegen. Dabei haben wir prioritär rund um die Schweiz Potenzial. Dort gelten wir als Super-Premium-Marke. Kambly ist in den letzten zehn Jahren um rund 100 Mio Fr. gewachsen, ein grosser Teil wurde im Ausland realisiert. «Wir sind heute in über 40 Ländern tätig. Unser Exportanteil liegt nahe bei 60% und soll in naher Zukunft auf zwei Drittel wachsen.»

Die Globalisierung sei eine riesige Chance für Kambly, betont der ehemalige Molkerist. Die weltweite Verknappung von Rohstoffen wie Weizen und Kakao sei eine grosse Herausforderung: «In übersättigten Märkten können wir die Einkaufspreise nicht genügend auf die Konsumentenpreise umlagern.»

Ein Schoggi-Job

Zurzeit ist das Thema Fettleibigkeit in aller Munde: Gefährdet die Bewegung zur gesunden Ernährung den Absatz der Firma Kambly? Hans-Martin Wahlen verneint: «Diese Sorge plagt uns nicht. Niemand isst unsere Biscuits in rauen Mengen. Kambly bedeutet Genuss ohne Reue.» Sagts und kostet das neuste Feingebäck. Ein Schoggi-Job!

Die Auswahl an Gebäcken ist gross: 20 Sorten produziert das Familienunternehmen. Jedes Jahr kommen zwei oder drei neue Sorten hinzu. Sie werden in der verschlossenen Versuchsbäckerei entwickelt. Weil die vier Confiseure unter dem Büro von CEO Hans-Martin Wahlen backen, bescheren sie ihm warme Füsse und Neukreationen auf dem Teller.

Was für neue (Bretzeli-)Eisen hat die Firma Kambly im Feuer? Das verrät Wahlen nicht; ebenso wenig lädt er zu einem Firmenrundgang ein. Gerne aber offeriert er bereits lancierte Neuheiten: Die meisten sind mit Schokolade gefüllt – Premium bis zur Dekoration. Spricht Kambly nur Luxus-Liebhaber an? Der erfahrene Ingenieur verneint: «Eine Schachtel Kambly-Biscuits kann und will sich jeder leisten. Denn oft erinnert es einen an die Kindheit.»

Geheime Rezepte

Das Kambly-Bretzeli erinnert an ein Goldvreneli: Seit 100 Jahren auf dieselbe Weise mit den immergleichen Zutaten fabriziert, verkörpert es die Kernwerte eines erfolgreichen Schweizer Produkts: Kompromisslos hohe Qualität, Einzigartigkeit und gute Erkennbarkeit. Das Rezept wird gehütet wie ein Augapfel.