Es war die schlimmste Weihnachtsfeier, die Guido Hesse jemals erlebt hat: Ein Mitarbeiter hat sich derart betrunken, dass er sich an einer Kollegin vergriff. Diese knallte ihm eine, er ging zu Boden und die ganze Belegschaft zählte ihn begeistert an. Diese Szene erlebte Hesse, heute Chef der Unternehmensberatung Hesse und Partner, bei einer seiner ersten Weihnachtsfeiern, damals noch als Angestellter. Er blickt zurück und sagt: «Als junger Mensch findet man es lustig, wenn so was passiert. Aber das geht natürlich nicht, es darf nicht zu einem Exzess kommen.» Mittlerweile organisiert Hesse selber Weihnachtsessen für seine Mitarbeiter. Seine Feiern sind sehr gemütliche Angelegenheiten: «Wir sind ein überschaubares Team und kennen uns gut.» Damit ein Weihnachtsessen nicht überbordet, müsse man zu gegebener Zeit den Nachschub kappen, rät er.

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Pannen und Peinlichkeiten an Weihnachtsfeiern werden nie ganz vermeidbar sein. Während es aber genug Ratgeber für Arbeitnehmer an Weihnachtsfeiern gibt, können auch Führungskräfte durch richtiges Verhalten und gute Organisation ihren Teil zum Gelingen des Fests für alle beitragen.

Mit den Fragen rund ums gelungene Weihnachtsessen befasst sich Susanne Abplanalp, welche als selbstständige Knigge-Beraterin derzeit besonders viel zu tun hat. Ihre Firma Knigge Today bringt den Menschen den stilvollen Umgang im Geschäftsleben bei. Bei den festlichen Anlässen in der Vorweihnachtszeit merkten die Leute, dass sie sich in Gesellschaft sicherer fühlen und verhalten wollten. «Das gilt vor allem für Arbeitnehmer, die bei den Kollegen und der Chefetage eine gute Figur machen möchten», sagt Abplanalp, «aber auch für Chefs.» Denn das Weihnachtsessen kann für die Belegschaft ein Erlebnis sein, ein verbindender Abend, an dem man sich besser kennenlernt. Katastrophen wie etwa Szenen von Betrunkenen ist strikt vorzubeugen.

Ein Tabu-Szenario, das durch gute Organisation zu vermeiden ist, wäre: Alle treten in den Raum, gut angezogen und in freudiger Erwartung – und bemerken plötzlich, dass die ganze Belegschaft auf vereinzelte Plätze in einer grossen Veranstaltung verteilt wurde. Man sitzt also bloss zu zweit am Tisch, die anderen Kollegen sind weit weg. Kein Kontakt, keine gute Stimmung, kein gelungenes Weihnachtsessen.

Dieses Beispiel aus der aktuellen Saison der Weihnachtsessen steht nicht allein. Das sollte aber nicht sein, sagt Knigge-Beraterin Susanne Abplanalp, denn eine solche Feier hat das Potenzial, das Betriebsklima für lange Zeit zu beeinflussen.

Wichtige Rede

Die Chefetage kann vor allem aus einem Grund von einer Weihnachtsfeier profitieren: «Das Weihnachtsessen ist eine Chance zur Identifizierung mit dem Arbeitgeber. Die Mitarbeiter wollen begeistert werden», sagt Abplanalp, «sie wollen einen Sinn sehen in ihrer Arbeit. Deshalb ist das Allerwichtigste, dass der Chef sich bei ihnen bedankt.» Dazu brauche es keine lange Rede. «Im Gegenteil», schmunzelt Abplanalp, «er muss nur Danke sagen. Danke dafür, dass jeder Einzelne seinen Teil zur Leistung und zum Wachstum der Unternehmung beigetragen hat.» Dies bekräftigt Hesse: «Ich finde es wichtig, dass die Mitarbeiter mindestens einmal im Jahr meine Wertschätzung sehen.» Zudem sei die Unternehmensspitze beim Essen grosszügig: «Man darf den Partner mitnehmen. Die erleben die Firma das ganze Jahr hindurch, wenn der Partner von seiner Arbeit erzählt. Wenn man sie besser kennenlernt, verbindet das die ganze Familie mit der Unternehmung.»

Damit der Dank auch ankommt, stellt Abplanalp einige Absturzwarnungen aus: «Einer, der an der Unternehmensspitze steht, könnte ja denken, ich habe es nach oben geschafft, jetzt müssen alle sich nach mir richten. Das kommt aber nicht gut an, unter dem Jahr nicht und auch nicht beim Weihnachtsessen. Was es braucht, ist Rücksicht.» Das Weihnachtsessen ist der Moment, um den Blick auf die Belegschaft zu richten, die das ganze Jahr über an dem Erfolg baut, den der Chef nach aussen vertritt. Dabei braucht es persönlichen Bezug, sagt Abplanalp. «Es ist wichtig, dass die Chefetage nicht den ganzen Abend unter sich verbringt, sondern dass der Abend auch einen weniger statischen Teil hat, wo man sich frei bewegen kann.» Der Chef sollte auf seine Mitarbeiter zugehen, sich für sie persönlich interessieren. «Vielleicht fragen, wo sie ihre Weihnachtsferien verbringen. Aber bloss nicht über geschäftliche Projekte sprechen.» Was ist die Alternative? «Ferien, Hobbys, Filme, die gerade im Kino laufen, Kultur. Und Dinge, die der Chef über sich persönlich erzählt, das hilft, um den Mitarbeitern näherzukommen.»

Je nach Steilheit der firmeninternen Hierarchie ist das Näherkommen zwischen Mitarbeitern und Chefetage nicht erwünscht. Wieso also sollte man das ausgerechnet am Weihnachtsessen versuchen? «Was unter dem Jahr nicht funktioniert, kann man am Weihnachtsessen nicht reparieren», sagt Abplanalp, «aber gerade in grossen Unternehmen gibt es Mitarbeiter, die sehr wenig mit dem Chef zu tun haben. Für die ist das Weihnachtsessen eine der wenigen Gelegenheiten, bei der sie den Chef ihres Unternehmens mal von nahem zu Gesicht bekommen.» Eine gute Begegnung fördere dabei die Identifikation mit dem Unternehmen.

Präsenz zeigen

Nicht jeder Chef ist auch ein begeisterter Smalltalker oder Profirhetoriker. Was kann helfen, wenn einer den Kontakt mit so vielen Mitarbeitern scheut? «Er muss einfach sich selber sein. Gerade wenn die Leute merken, das ist auch nur ein Mensch, macht das sympathisch und verbindet», sagt Abplanalp. Als wichtigste Regel nennt sie: «Der Chef darf, wie alle, nicht zu spät kommen. Und schon gar nicht eine wichtige Sitzung vorschieben.» Etwa um der Belegschaft zu beweisen, wie viel er für das Unternehmen leistet. Das ist falsch gedacht, sagt Abplanalp. «Damit zeigt er nur, dass ihm alles andere wichtiger ist als die Mitarbeiter.» Und zu früh gehen darf er darum natürlich auch nicht.

 

Grundregeln: Muss ich zur Weihnachtsfeier?

Anwesenheit
Der Besuch der Weihnachtsfeier ist auf jeden Fall zu empfehlen. Denn die Feier ist eine betriebliche Veranstaltung. Jedenfalls, solange der Chef anwesend ist. Dann ist sogar ein Ausrutscher bei der Polonaise als Arbeitsunfall versichert. Verlässt der Chef die Party, wird daraus eine Privatfeier und sie können ebenfalls nach Hause gehen. Hinzu kommt noch die zweite Komponente: Wer sich von allen Betriebsfeiern fernhält, wird schnell zum Aussenseiter und zur Zielscheibe für Attacken. Und wer Karriere machen will, für den ist die Teilnahme sowieso Pflicht. Weihnachtsfeiern sind die Tummelplätze für Karrieristen.

Ablauf
Die Ansprache des Chefs zur Eröffnung der Feier ist ein Muss, genauso wie der Toast, der die Trinkrunde eröffnet. Ausserdem bittet er zum Buffet. In vielen Firmen schliesst er auch die Feier. Wichtig für den Organisator ist noch, den Dresscode in der Einladung möglichst präzise anzugeben. Wer als Führungskraft auf Alkohol verzichtet, soll seinen Mitarbeitern den alkoholischen Genuss während der Feier explizit erlauben