Entrüstet schaut die Maschinenbauingenieurin Nora Weidmann (Name geändert) im adretten, dunkelblauen Deuxpièces ihre Mitarbeiterin vom Sekretariat an. Sie fragt sich ernsthaft, ob sie an der falschen Tür gelandet sei. Die junge Frau trägt schwarze Lackstiefel mit zehn Zentimeter hohen Absätzen und zieht am Minirock herum, wenn sie vom Schreibtisch zum Drucker wackeln muss. Auf ihrem Ausschnitt lagert ein halbes Kilo Schmuck und das Haar wirkt wie ein Vogelnest. Daneben?

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«Ja», findet die Imageberaterin Claudia Fellmann. Sie hätte statt zum Interview-Termin auch zu einem Fotoshooting gehen können, derart adrett und perfekt tritt sie auf. Sie trägt eine schwarze Hose, einen schwarzen Blazer, dazu ein fein weiss-schwarz gepunktetes Foulard, dezenten Nagellack sowie Make-up. «Der erste Auftritt ist entscheidend und dauert nur wenige Sekunden», sagt sie, den Blick niemals abgewandt.

Für Menschen im Büro ist es wichtig, wie sie sich kleiden – besonders wenn sie Kontakt zu Kunden haben. Denn der erste Eindruck beruht zu 55 Prozent auf Aussehen und Körpersprache, 38 Prozent auf dem Klang unserer Stimme und nur 7 Prozent auf dem Sprechinhalt. Ein guter Anzug, ein passendes Hemd oder die richtige Krawatte können also ein Gespräch entscheiden. Claudia Fellmann: «Es ist richtig und auch statistisch erwiesen, dass solche Details im Kundenkontakt matchentscheidend sind.»

Gedeckte Farben in der Bank

Kein Wunder, dass viele Firmen im Dienstleistungsbereich einen Dresscode haben. «Im Kundenkontakt wird ein entsprechendes Auftreten und Erscheinungsbild erwartet.» In Banken zum Beispiel sei es angebracht, in gedeckten Farben zur Arbeit zu erscheinen. Dazu gehören Grau, Schwarz, Dunkelblau. Bei Herren wird ein Anzug, bei Damen ein Hosenanzug oder ein Kostüm erwartet. Dazu Strümpfe hautfarben oder Ton in Ton und geschlossene Schuhe. Diese Regel gilt auch im Sommer. Accessoires wie Tasche und Gürtel werden auf die Schuhe abgestimmt. Braune, grüne und bordeauxrote Anzüge sind dann wohl den Schriftstellern und Wissenschaftern vorbehalten.

Die Kommunikationsberaterin Elisabeth Bonneau findet, dass ein neuer Mitarbeiter erst das Gefühl für das Corporate Outfit bekommen sollte. Nach und nach dürfe auch der individuelle Touch in den kleinen Details durchdringen. Überhaupt kann man sich im Gespräch über Business Dresscodes schnell in den Details verlieren. Wer den allgemeingültigen Regeln Folge leisten will, kauft sich am besten gleich ein Massband und sucht sich eine Schneiderin. Die Imageberaterin hat daher folgende Ratschläge: Bei Damen und Herren müssen Blazer oder Veston im Gehen geschlossen sein, wobei der unterste Knopf immer offen bleibt. Vestonärmel reichen bis zum Handwurzelknochen. Die Hemdmanschette schaut etwa einen bis zwei Zentimeter aus dem Vestonärmel heraus.

Der elegante Veston darf niemals spannen, die Hose soll nicht kneifen. Die ideale Rocklänge ist knieumspielend, niemals kürzer. Die korrekte Hosenlänge endet in der Mitte des Schuhabsatzes bei Herren und Damen. Trägt eine Dame einen hohen Schuh, endet die Hose zirka einen Zentimeter vor Absatzende. «Das heisst, ich lasse jede Hose für den entsprechenden Schuh kürzen. Anders geht es nicht», sagt Imageberaterin Fellmann.

Schuhe sollten niemals abgetragen sein, ausserdem von guter Qualität. Empfehlenswert sind rahmengenähte Schuhe. Eine modebewusste Dame stopft niemals ihre Bügelfaltenhose in einen hohen Stiefel. Aber was tragen, wenn es schneit? Frau Fellmann hebt den Fuss und ein schwarzer, knöchellanger Wildlederstiefel erscheint: «Die Stiefeletten oder Ankle Boots, die im Moment hoch im Kurs stehen, eignen sich im Winter zu Hosen besonders gut.» Aber was tun, wenn dieser vom Salz und Schnee nass und fleckig geworden ist? «Dann wechsle ich im Büro in einen schönen Pumps und reinige meine Stiefel mit einem Tuch.»

Hüte und Mützen sind im Winter grosse Stilkiller, wenn sie nicht so schön warm wären. Deshalb rät die Imageberaterin, dass ein Herr, eine Dame immer einen Kamm bei sich hat, um sich die – natürlich stets perfekt geschnittene – Haarpracht nach einer Hutattacke in Ordnung zu bringen.

Micky-Maus-Krawatten meiden

Dass Krawatten gelesen werden können, glaubt wahrscheinlich kein eingefleischter Unternehmer, aber es ist so. «Der Blickfluss des Betrachters geht immer von links unten nach rechts oben», sagt Claudia Fellmann, die Streifen des edlen Stoffes sollen also ebenfalls von links unten nach rechts oben verlaufen, meint die Fachfrau. «Kaufen Sie nie Krawatten in Amerika. Die sind immer falsch herum gestreift.» Feine Streifen seien immer besser, da dezenter als breite. «Comics wie Micky Maus oder dicke Punkte lieber vermeiden», fügt sie hinzu.

Privat hingegen können selbstbewusste Typen auch gerne Muster und stärkere Farben tragen. Auch Foulards sind da ein attraktiver Ersatz für die Krawatte, was der Schweizer Lebenskünstler Dieter Meier schon lange weiss und an seinem Hals auch umsetzt. Doch wann ist dieser männliche Halsschmuck angebracht und wann nicht? «Die internen Firmen-Dresscodes werden Ihnen genau sagen, wann sie angebracht sind. Bestimmt aber im Umgang mit Kunden und an wichtigen Anlässen», sagt Fellmann.

Schmuck darf ebenfalls in einem gewissen Rahmen getragen werden. Die Empfehlung ist: Maximal sieben Teile bei Damen und fünf Teile bei Herren. Zum Beispiel bei Damen: Armbanduhr, Armband, Halskette, Ohrringe (gelten als zwei Teile), zwei Ringe. Die Handtasche und eine Aktentasche gemeinsam zu tragen, ist bei Damen erlaubt. Ein Herr trägt nur eine Aktentasche. Bei der Frisur heisst es: Langes Haar ist ordentlich zusammengebunden und gut gepflegt. Eine Alternative ist ein mittellanger oder kurzer Haarschnitt, der immer sitzt.

Das Make-up sollte dem Hauttyp angepasst sein. Passender Grundton – mit Puder bitte sparsam bleiben – und ein schöner Farbtupfer, findet der neue Schweizer Knigge. Die Augen bleiben dezent, keine allzu starken Ausrutscher mit den Farben, sonst wirkt Madame schnell überschminkt.

Und jeden freut es, wenn die Damen und Herren auch noch eine Beratung hinter sich haben, in der das ganze Erscheinungsbild – Farbe, Form, Stil und beruflicher Hintergrund inklusive Wesensart – betrachtet wurde. Ein A-Typ (weibliche Figur) trägt keine H-Typ-Kleidung (gerade Körperkonturen), und ein X–Typ (schmale Taille) sollte sich vor V-Typ-Kleidung (ausgeprägte Schulter, schmale Hüften) hüten. Denn für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Am Ende gelte jedoch nur diese eine Regel, so Elisabeth Bonneau: «Entfernen Sie die Botschaft, die Ihre zweite Haut sendet, nicht zu weit von dem, was man inhaltlich von Ihnen erwartet, das heisst, wofür man Sie bezahlt.»

Wer jedoch schon ganz oben angekommen ist, darf auch aus dem Dresscode fallen. Wie etwa Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, der meist mit Kapuzenpullover und Badesandalen auftritt und in den USA den ersten Platz auf der «Worst Dressed»-Liste belegt. Oder Barbara Kux, Siemens-Vorstandsmitglied, welche eine ganze Palette fröhlicher, regenbogenfarbiger Blusen und Blazer im Schrank hängen hat und sich auch mal ein sperriges, handtuchartiges Foulard um die Schultern wirft. Oder Swatch-Group-Chef Nick Hayek: Als ehemaliger Filmemacher trinkt er seinen Kaffee mit den ganz Grossen unbekümmert und mit Rollkragenpullover im Sitzungszimmer. Diese Chefs brauchen auch keine zweite Chance mehr.

Was geht und was nicht

 

Schuhe
Natürlich ist laut Knigge auch der braune Schuh erlaubt, jedoch immer in der richtigen Kombination. Ein blauer Anzug passt ausgezeichnet zu braunen Schuhen. Der schwarze rahmengenähte Schuh (doppelt so teuer wie der normale Schuh) ist die Visitenkarte eines Geschäftsmannes.

Socken
Bitte schwarze Socken kaufen. Diese immer lang genug, damit man auch beim Sitzen das Bein nicht sieht. Dies gilt auch für den kurzen Strumpf der Dame, im Sommer wie im Winter.

Parfum
Wenn Sie sich selber riechen können, ist das ein schlechtes Zeichen. Also Parfum oder Aftershave immer sparsam auftragen. Zwei Tupfer reichen. Ansonsten wählen Sie das schwächere Eau de Toilette.

Bluse
Der Blusenkragen wird fast immer über dem Jackettkragen getragen. Liegt er darunter, wird die Silhouette etwas verfeinert. Die Bluse darf im Bund oder aber in passender Länge zum Blazer über dem Bund getragen werden. Bitte achten Sie darauf, dass Sie beim Kauf austesten, ob die Bluse auch im Bund bleibt.

Uhr
Ein Geschäftsmann trägt eine gute Uhr. Sie wirkt als Statussymbol, und der Trend geht in Richtung feiner Uhrmacherkunst und weg vom Tiefseetaucher- Image.

Krawatten
Zurzeit sind Krawatten höchstens drei Zentimeter breit. Dezent gemustert oder einfarbig. Die korrekt gebundene Krawatte endet mit der Spitze Mitte der Gürtelschnalle.

No-go für die Dame
Glitzerstoffe, zu viele Rüschen, auffällige Muster. Leggins, Schlabberlook, Mini. Spaghettiträger, trägerlos, schulter- oder rückenfrei. Tiefes Dekolleté, lange Fingernägel. High Heels, Sandalen, Plateauschuhe. Wahllos zusammengestellte Accessoires, zu viel Schmuck. Laufmaschen. Glänzende Strümpfe.

No-go für den Herrn
Überfüllte Taschen in Jackett und Hosen. Kurzarmhemd. Einstecktuch in derselben Farbe wie Krawatte. Fliege. Pullover unter dem Anzug. Oberster Hemdknopf unter der Krawatte geöffnet. Schmutzige Schuhe mit Gummisohlen. Quellen: Der Schweizer Knigge, Beobachter Verlag. Image – Stilberatung, www.image-stilberatung. ch.