Jahrzehntelang galt der Shareholder Value als Gebot in der Konzernwelt: Die Unternehmen und ihre Chefs hatten in erster Linie den Interessen ihrer Aktionäre zu dienen.
Jetzt schlägt sich ein neues Denken nieder: 181 CEO von amerikanischen Grosskonzernen stellten das Prinzip gestern öffentlich infrage. Konzerne sollten den Shareholder Value nicht über die Interessen anderer Anspruchsgruppen stellen, so die Erklärung. Zu diesen Stakeholdern zählen etwa die Mitarbeiter, Kunden und die breite Gesellschaft.
Der Aufruf wurde im «Business Roundtable» entwickelt und veröffentlicht, der mächtigen Lobbyorganisation der grössten US-Unternehmen. Zu den 181 prominenten Unterzeichnern gehören Apple-Chef Tim Cook, Amazon-Chef Jeff Bezos, PC-Unternehmer Michael Dell und JPMorgan-Chef Jamie Dimon.
Alle Stakeholder sind gleich wichtig
Mit der Stellungnahme ändert der Business Roundtable seine eigene Haltung: Seit 1997 empfiehlt die Organisation seinen Mitgliedern den Shareholder Value als oberste Managementregel: «Management und Verwaltungsrat stehen in erster Linie in der Pflicht gegenüber den Aktionären», hiess es bisher.
Wichtigster Fürsprecher für die neue Haltung sind JPMorgan-Chef Jamie Dimon und Larry Fink, der Chef der weltgrössten Investmentgesellschaft Blackrock: «Stakeholder drängen Unternehmen dazu, sich mit gesellschaftlichen und politischen Themen zu beschäftigen, insbesondere, weil sie Regierungen weniger dazu in der Lage sehen», schrieb Fink in einer Stellungnahme.
Konzernchefs sollten sich bei gesellschaftlichen Themen einbringen, findet Dimon. «Früher erhielten CEOs den Rat, sich unaufällig zu verhalten und keine Kritik zu wecken. Heute könnte das Gegenteil der Fall sein. Wenn Unternehmen und CEOs sich in gesellschaftliche Themen einbringen, wird es einfacher, sie zu lösen.»
(mbü)
- Zum Thema: Vierzig Jahre nachdem Margaret Thatcher als Premierministerin in Grossbritannien antrat, vierzig Jahre nachdem in der Schweiz die FDP mit dem Slogan «Mehr Freiheit, weniger Staat» die Wahlen 1979 aufmischte, ist klar: Der Neoliberalismus ist tot.