Die Fäden seiner vielfältigen Tätigkeiten hält Christoph M. Müller an einem geschichtsträchtigen Ort in der Hand: Seine Kanzlei als Wirtschaftsanwalt befindet sich im Herzen von Zürich. Genauer, im «Haus zum Schwert», dem einzigen über der Limmat erbauten Haus mit Spuren aus romanischer Zeit, schräg vis-à-vis von Rathaus und mit Blick auf Grossmünster und St. Peter. Im einstigen, zu seiner Zeit führenden Hotel «Epée» haben Goethe, Vater und Sohn Mozart oder Casanova einen Hauch Geschichte und Weltläufigkeit hinterlassen.

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Mit sichtlicher Freude weist Müller den Besucher auf diese Tatsache hin - und kehrt dann entschieden zur Gegenwart zurück. «Besonders schön ist, wenn hinter den beiden Brücken und dem See die Glarner Alpen aufleuchten.» Das Bild aus dem Fenster dürfte je nach Lichtspiel und Stimmung -oder Geschmack - sogar die Kunst an den Wänden ausstechen.

«Zwei kleine Radierungen des baskischen Künstlers Eduardo Chillida habe ich mir schon als Gymnasiast mit eigenem Geld gekauft. Sie begleiten und erfreuen mich noch heute, denn Kunst ist eine wertvolle Ergänzung unseres Lebens, die wunderbare Anregungen bietet.» Diese Freude habe er von seiner Mutter mitbekommen. «Schon früh genoss ich als Einzelkind, dass ich bei den häufigen Besuchen von Künstlern und den Gesprächen dabei sein durfte.»

Die Vertrautheit im Umgang mit Geld hingegen schaute Müller dem Vater ab, der zuletzt Vizedirektor bei der Zuger Kantonalbank war. Aus diesen beiden elterlichen Fäden entstand das Band, das Müller heute durch das Leben leitet: Genaues Hinschauen und Freude an Kunst, Weltoffenheit, der bedachte Umgang mit Geld, das Pflegen von konservativen Werten prägten ihn. So setzt Müller als oberste Prioritäten für das Leben wie seinen Beruf Liebe, Arbeit, Gerechtigkeit.

«Liebe - ich mag Menschen», erläutert Müller. Das habe er als Taxifahrer und Reiseleiter in der Studienzeit gelernt. Arbeit bedeute ihm die Möglichkeit, mit kreativen Tätigkeiten etwas zu bewegen, Verantwortung zu übernehmen und die Anerkennung daraus. Dabei wolle er sich jederzeit so verhalten, dass er jeden Abend gut schlafen könne. «Es soll ja nicht nach Prediger tönen», lässt Müller mit einem Lachen folgen - um nur wenig später zu unterstreichen, er sei sich wohl bewusst, dass ein Leben in Freiheit und Sicherheit ein Privileg sei. Deshalb unterstützen Christoph M. Müller und seine Frau unter anderem massiv vergünstigte Führungen für Schulkinder in der Fondation Beyeler.

Erst Bauch, dann Verstand

Eine Dissertation zum Bankenrecht öffnete dem jungen Rechtsanwalt den Weg zu Citigroup. Jahre später wurde er in den Zentralrat der Commerzbank berufen; «beidenorts vorwiegend in beratender Funktion», hält Müller fest. Den Karriereschritt in der US-Grossbank nach New York lehnte er jedoch ab. «Aus meinem Bauchgefühl heraus, der Familie, aber auch mir selbst zuliebe. Zudem wollte ich unabhängig bleiben.»

Erst durch das Bauchgefühl und dann durch den Verstand lasse er sich bei vielen wichtigen Entscheiden leiten. «Und ich liege oft richtig.» Das erfordere viel Vertrauen in sich selber - und noch viel mehr Mut. «Eine Schwachstelle in vielen Unternehmen: Zu oft fehlt den Leuten in den Gremien die Zivilcourage. Statt wesentliche Fragen zu stellen und glänzende Zahlenreihen zu hinterfragen, wollen sie sich als Verwaltungsrat nicht blamieren, weil sie nicht alle Details kennen. Oder sie wollen den Kollegen im Ausschuss nicht desavouieren - und so schweigen sie oder schliessen sich der Mehrheit an.» Dabei sei der Herdentrieb etwas vom Gefährlichsten im Leben und im Management.

Doch gerade im Erfolgsfall sei es noch viel schwieriger, dagegen anzutreten und Kritik und Selbstkritik zu üben. «Leider gibt es keine Hofnarren mehr. Umso wichtiger sind neben der Familie aufrichtige Freunde aus allen Berufen und Schichten.» In Vergessenheit gerate auch oft die Demut, wenn «Erfolg dem Einzelnen zugeschrieben wird, obschon er von vielen Faktoren abhängt, auf die das Management keinen Einfluss hat».

«So etwas Langweiliges», hörte Müller öfter bei seinem Einstieg bei Warteck Invest, erst als Investor, später als Verwaltungsrat und heute als Präsident. Das kümmerte ihn nicht - und heute blicken viele mit Neid auf die Kursentwicklung der Aktie. Sie hat sich seit 1999 annähernd verdoppelt, der Vergleichsindex SMM aber ein Viertel eingebüsst - die regelmässigen hohen Dividenden nicht gerechnet. «Immobilienanlagen sind wie Waldbesitz: Nur eine sorgfältige und nachhaltige Bewirtschaftung bringt dauerhaften Erfolg.» Das heisse in erster Linie den Realwert des Vermögens erhalten und bedeute nicht kurzfristiges Gewinndenken. Weiter müssten die Risiken eines geplanten Investments erkenn- und kontrollierbar sein und eine berechenbare, diesem Risiko entsprechende Rendite erzielt werden. Weit vorausschauende Führung bedeute zudem, beim gegenwärtigen enormen Geldmengenwachstum unbedingt einen längerfristigen Inflationsschutz aufzubauen.

Umgesetzt werden die Pläne bei Warteck Invest von einem Team mit einem «sehr günstig gestaffelten Altersaufbau». Als «Coach» motiviert Müller das Team, Ideen zu entwickeln sowie die persönliche und berufliche Weiterentwicklung zu fördern. Mit den Jahren sei er gelassener, ruhiger und sicherer geworden - und der Erfolg brauche nicht an medialer Präsenz ablesbar zu sein.

Die Maxime bleibt aber: «Führung durch Vorbild, durch Engagement und durch Mut zum konsequenten Vorangehen sowie Ehrlichkeit in der Kommunikation nach innen und nach aussen.» Mehr als die Erfahrung sei die Grundhaltung der Teammitglieder entscheidend. «Stimmt sie, braucht man gewisse Erfahrungen von Gier, Selbstüberschätzung und Pleite gar nicht zu machen.» Dies funktioniert besonders gut in kleineren und mittleren Betrieben und ganz speziell in Familienunternehmen.

Die Ausrichtung auf ein längerfristig nachhaltiges Ziel bedeutet für Müller einen zusätzlichen Vorteil: «Meine Klienten, meine Mitinvestoren und die Mitarbeitenden fühlen sich sicher dabei und sind bereit, unternehmerische Entscheidungen mitzutragen. Letztere hätten einen anständigen Fixlohn zugute. Eine Gewinnbeteiligung sollte nicht mehr als maximal 20 Lohnprozente ausmachen. «Klar, einfach und legal» gelte auch für die Lohnpolitik. Da vermute er, dass sich die Löhne der Finanzbranche künftig an diejenigen der Industrie angleichen müssten, «also sinken». «Ingenieure bei Vaillant arbeiten ausserordentlich gut und tragen Verantwortung, ohne annähernd so viel Lohn wie früher Investmentbanker zu erhalten.»

Tanz auf vielen Hochzeiten

Boden, Bau, Banken und Beratung - so lässt sich Müllers Tanz auf vielen Hochzeiten salopp umschreiben. Locker antwortet Müller, der übrigens äusserst gerne Klavier spielt: «Meine Frau und ich tanzen tatsächlich sehr gerne - nicht nur auf Hochzeiten. Aber im Ernst: Ich hatte bis heute keinerlei Probleme, in verschiedenen Branchen Verantwortung zu übernehmen. Es ist ein Privileg, dies tun zu können, und es gestaltet sich äusserst vielseitig und interessant.»

In einer globalisierten Wirtschaft mit enorm raschen Veränderungen sei ein gewisses Generalistentum für wesentliche Entscheidungen sehr nützlich. Zudem bringe das Beziehungsnetz und der Austausch mit Spitzenleuten immer wieder relevante Informationen für die eigenen Tätigkeiten. Die vielfältigen Aufgaben machen Spass - und so hofft der 60-Jährige, noch lange viele seiner Fäden in der Hand zu behalten.