Spätestens in Phasen des Wandels kommt auch das etablierte Top-Management nicht am Thema «Lebenslanges Lernen» vorbei. Die Auseinandersetzung mit neuen Herausforderungen erfordert neben zusätzlichem Fachwissen aber zunehmend auch ein geschärftes Sensorium für gesellschaftliche Anliegen und moralische Empfindungen.
Der Fast-Zusammenbruch des Finanzmarktes und die Krise in vielen Industriebranchen bringt Unternehmensführer verschiedener Couleur zur Erkenntnis, dass Fehlverhalten der Reputation des Unternehmens massiven Schaden zufügen und sich negativ auf den Geschäftserfolg auswirken kann. So kommt es, dass das Thema Unternehmensethik für das Top-Management klarer Favorit ist, wenn Manager selbst ihren Bedarf an Weiterbildungsprogrammen formulieren (siehe Grafik).
Soft-Themen im Vordergrund
Um die zukünftigen Bedürfnisse und Erwartungen der Schweizer Unternehmen in Bezug auf die Weiterbildung ihres Managements zu erfassen, führte das Institut für Qualitätsmanagement und Angewandte Betriebswirtschaft (IQB-FHS) der FHS St. Gallen zwischen März und Mai 2009 zum dritten Mal eine Forschungsstudie zum Schweizer Weiterbildungsmarkt auf Managementstufe durch. In Rahmen dieser Studie wurden die 1500 umsatzstärksten Unternehmen der Schweiz zu unterschiedlichen Aspekten des Weiterbildungsmarktes befragt.
Während also im Top-Management die Schulungsnachfrage nach Themen der Unternehmens- und Führungsethik vermutlich ansteigen wird, nicht zuletzt, um die Glaubwürdigkeit des Unternehmens aufrechtzuerhalten, so hat das mittlere und untere Management ganz andere Probleme: Hier stehen für das Jahr 2010 voraussichtlich die Themen Work-Life-Balance sowie Burn-out-Vorbeugung im Fokus.
Lukas Andreas Scherer, Leiter des Instituts für Qualitätsmanagement und angewandte Betriebswirtschaft IQB-FHS in St. Gallen und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter, Daniel Jordan, stellen fest, dass sich die Tendenz zu Soft-Themen bei Managerinnen und Managern auch im laufenden Jahr fortsetzt: Wie im Jahr 2008 stellte auch 2009 die Stärkung der Sozial- und Selbstkompetenzen mit 35,6% das wichtigste Weiterbildungsziel dar.
«Wer in einem Unternehmen in höhere Positionen aufsteigen möchte, muss unter anderem über die notwendige Kompetenz verfügen, Mitarbeitende richtig führen zu können. Aus diesem Grund scheint es nicht verwunderlich, dass die Sozial- und Selbstkompetenzen vor den methodischen Kompetenzen (33,3%) sowie den Fachkompetenzen (31,0%) genannt wurde», schreiben die Forscher.
Kosten drücken aufs Budget
Aufgrund der Wirtschaftslage ist damit zu rechnen, dass Budgetkürzungen für Bildungsmassnahmen vorgenommen werden. Um diese Vermutung abzustützen, wurde die diesjährige Befragung mit einem spezifischen Fragenblock zur Finanz- und Wirtschaftskrise ergänzt. Unter anderem wurde analysiert, welche Auswirkungen die Finanzkrise auf die Weiterbildungsnachfrage der Unternehmen hat: Mit 57,1% gab die Mehrheit in der Tat an, dass die gesamtschweizerische Nachfrage im Vergleich zum norma- len Wirtschaftsverlauf abnehmen wird.
Obwohl die Unternehmen mehrheitlich der Ansicht waren, dass die gesamtschweizerische Nachfrage abnimmt, reagieren sie selbst anders: 67,1% gaben an, dass ihre eigene Weiterbildungsnachfrage unverändert bleibt. Lediglich 22,4% der Befragten gaben an, die Nachfrage zu senken.
Also: Der Bedarf an Weiterbildungsmassnahmen besteht, aber gespart werden muss trotzdem. Die Lösung heisst offenbar: Kürzere Weiterbildungsformen. 35,5% der Befragten gaben denn auch an, Kurzseminare (1- bis 2-tägige Veranstaltungen) zu bevorzugen. Damit bleiben Kurzseminare wie in den vergangenen drei Jahren die meistgefragte Weiterbildungsform.
Stark an Beliebtheit zugenommen haben Tagungen. «Dies könnte damit zusammenhängen, dass Unternehmen aufgrund des zunehmenden Kostendrucks je länger, je mehr kürzere und damit kostengünstigere Weiterbildungsformen für ihr Management nachfragen», formulieren die Forscher vorsichtig.
Grosse coachen mehr
Eine immer verbreiterte Form der Weiterbildung ist die Fokussierung auf die Leistungsträger. Weiterbildung also nicht mit der Giesskanne, sondern mit der Injektionsnadel. So unterstützen individuelle Coachings Führungspersonen zum Beispiel bei der Bewältigung von Veränderungen und Führungsproblemen oder beim Aufbau beziehungsweise bei der Stärkung der eigenen Persönlichkeit. Zudem können Management Coachings dazu beitragen, das eigene Rollenverhalten besser zu reflektieren.
Aufgrund der zunehmenden Verbreitung von Management-Coachings wurde dieser Aspekt in der diesjährigen Befragung aufgegriffen. «Die Befragung ergab, dass mit 56,5% mehr als die Hälfte der Befragten individuelle Coaching-Angebote zur Weiterbildung ihres Managements einsetzten. Der Gebrauch von individuellen Coaching-Angeboten unterschied sich jedoch je nach Betriebsgrösse sehr stark. Während mehr als zwei Drittel der befragten Grossunternehmen auf individuelle Coachings setzten, nutzte bei den Kleinunternehmen nur gut ein Drittel solche Angebote.»