JURA. Während Jahrzehnten stand Jura für Küchengeräte schlechthin. Bügeleisen, Toaster, Fritteusen und Bretzeleisen werden unter der Marke Jura zwar heute noch hergestellt und hierzulande verkauft. Wenig bemerkt von der schweizerischen Öffentlichkeit hat sich die Jura Elektroapparate AG im solothurnischen Niederbuchsiten in den letzten zehn Jahren aber zum globalen Player im Bereich der Kaffeevollautomaten gemausert.
Nicht mal mehr ein einziges Prozent des Umsatzes erzielt die 1931 gegründete Elektroapparate AG heute noch mit Dampfbügeleisen. 2006 erwirtschaftete Jura noch 14,5% des Gesamtumsatzes in der Schweiz, dafür 85,5% in den internationalen Märkten. Auf fünf Kontinenten ist die Marke präsent und erzielt dieses Jahr weltweit einen Gesamtumsatz von rund 380 Mio Fr. Das konstante Wachstum seit zehn Jahren sei nur möglich gewesen, weil sich Jura auf das Standbein Vollautomaten ausgerichtet habe, ist von der Geschäftsleitung zu hören.
Marketingmix macht Marken
Der Höhenflug der Jura Elektroapparate ist auch der Schweizerischen Gesellschaft für Marketing (GfM) nicht verborgen geblieben. Sie verlieh am 23. Oktober der Firma Jura den jährlichen Marketingpreis der Stiftung für Marketing in der Unternehmensführung. Die Stiftung würdigt in der offiziellen Begründung vor allem die «radikale Neuausrichtung des Herstellers von elektrischen Kleinhaushaltgeräten in eine weltweit erfolgreiche Premium-Marke für Kaffeevollautomaten mit einem an klaren Markenwerten orientierten kreativen Einsatz aller Instrumente des Marketingmix».Zu diesem Mix gehört auch die Werbekampagne mit dem Schweizer Vorzeigesportler Roger Federer. Auch der Webauftritt von Jura hat einen Preis bekommen: Den Best of Swiss Web 2007. Und mit dem Solothurner Unternehmerpreis ist Jura jüngst auch lokal ausgezeichnet worden.
Chancen durch Fokussierung
Doch im Fokus hat Emanuel Probst, CEO der Jura Elektroapparate AG, vor allem ausländische Märkte: «Heute hat die Firma Jura nur noch wenig gemein mit der Firma Jura von früher. Seit zehn Jahren setzen wir auf das Ausland.» Schon in den 1980er Jahren hatte die Jura Elektroapparate AG im Bereich Espresso- und Kaffeevollautomaten Erfahrungen gesammelt und aufgebaut.Seit zehn Jahren wird die Marke im Ausland konsequent im Bereich der Vollautomaten aufgebaut. Heute verfügt Jura in Deutschland, Österreich, Spanien und den Niederlanden über eigene Vertriebsgesellschaften. Emanuel Probst: «Wenn man auf ein Produkt fokussiert, hat man mehr Chancen, wahrgenommen zu werden.»Dieser Meinung ist auch Jean-Marc Grand, Geschäftsführer der GfM: «Mit der Fokussierung auf wenige, aber die richtigen Produktegruppen hat das Management der Jura AG unternehmerischen Weitsinn bewiesen.» Die Erfolgsgeschichte beruhe aus Sicht der Schweizerischen Gesellschaft für Marketing in einem hohen Masse auf einer ausgeklügelten Marketingstrategie sowie auf einer konsequenten Umsetzung dieser strategischen Vorgaben.Dieses Jahr verleiht die Schweizerische Gesellschaft für Marketing den Preis für «herausragende Marketingleistungen» bereits zum 23. Mal. In vergangenen Jahren ging der Preis beispielsweise an Emmi, Swatch, Betty Bossi und Nespresso. Den Preis von 20000 Fr. will Jura-CEO Probst nicht in die eigene Unternehmung einspeisen. Er gibt ihn grosszügig weiter, im Namen der Innovation an das institutsübergreifende Center of Innovation an der Universität St. Gallen (siehe Fussnote). Das Center entstand aufgrund einer Initiative der GfM. Emanuel Probst: «Wir unterstützen diese im Entstehen begriffene Institution gerne, weil sie zu uns passt. Auch für uns ist Innovation ein Lebenselixier.»Nicht brandneu, aber bewährt sind die Ladenkonzepte, wo Kunden Kaffee trinken, Bohnen kaufen sowie Geräte und Accessoires bestaunen und erwerben können. Diese Methode will Jura jetzt auch nutzen: 30 solcher neuen Flag Ship Stores sind in den nächsten Jahren in Europa geplant, der erste eröffnete im September in Berlin. Dabei ist der Standort dieser Flag Ship Stores und der Verkaufspunkte generell von entscheidender Bedeutung. Zwar gibt es zurzeit rund um den Globus 9000 Jura-Verkaufspunkte. Aber bei der Positionierung der Flag Ship Stores ist Qualität und nicht Quantität die Devise. Edle Verkaufspunkte wie beispielsweise Harrod’s in London sollen wie Magnete wirken. Breit gestreut sind hingegen die fahrbaren Kaffeemobile, die seit zehn Jahren an verschiedenen Grossanlässen in der ganzen Schweiz präsent sind.
Gesättigter Markt
Kundenbindend und damit ein entscheidendes Marketingstandbein ist für Jura der Reparatur- und Wartungsservice. Vorgenommen wird er in der «gläsernen Servicefabrik». Wie ein Personenwagen können die Kaffeemaschinen in Niederbuchsiten in den Service gebracht werden. Für die Kunden ist es angenehm, ihr Gerät «nicht irgendwem», sondern dem Hersteller zu überlassen. «Servicefabriken sind wichtig im reiferen und gesättigten Markt, wie es die Schweiz ist», so Emanuel Probst.
Schweizerische Gesellschaft für Marketing
Auswahlkriterien
NACHGEFRAGT
Emanuel Probst,
Marketingpreis 2007 der GfM: Was macht Jura in Sachen Marketing anders?
Emanuel Probst:
Die wichtigste Entscheidung war wohl, uns auf Vollautomaten zu konzentrieren. Es brauchte Mut und Konsequenz, diesen Entscheid durchzuziehen. Auch weil Anfang der 90er Jahre nicht bewiesen war, dass teure vollautomatische Maschinen eine Zukunft hatten. Eine grosse Hilfe waren für uns der Zeitgeist und amerikanische Kaffeehausketten, die den Leuten vermitteln, dass Kaffeespezialitäten wie Latte Macchiato so «cool» sind, dass sie diese auch zu Hause zubereiten wollten.
Gibt es eine hausinterne Marketingphilosophie?
Probst: Unsere Philosophie ist folgende: Wir stehen für Design, Kompetenz und Genuss, und wir stehen für frisch gemahlenen, frisch extrahierten Kaffee. Eine Marketingphilosophie kann sich nur intern entwickeln. Wir können keine externen Berater brauchen. Meine persönliche Philosophie ist: Marketing ist Chefsache. Zwei Dinge würde ich niemals delegieren: Marketingphilosophie und Produkteinnovation. Diskussionen, was schöner oder besser wäre, sind irrelevant. Jeden Tag lauern neue Ideen, von denen man sich ablenken lassen kann.
Haben Sie etwas gegen gute Ideen?
Probst: Natürlich nicht, aber man darf sich nicht verzetteln. Wenn wir uns einmal für eine Idee festgelegt haben, bleiben wir dabei, weltweit. Es ist wie das Pflanzen von Bäumen: Man pflegt sie und will sie stärker und grösser machen. Wie die Kampagne mit Roger Federer, die wir langfristig sehen. Gerade haben wir ein Fotoshooting für neue Sujets im nächsten Frühjahr gemacht. Federer ist ein junger Mann, der sich weiterentwickelt. Da müssen wir Schritt halten.
Im Ausland ist Jura ausschliesslich für Kaffeegeräte bekannt. Auf welche Marketingmassnahmen setzt Jura ausserhalb der Schweiz?
Probst: Wir sind stark am Point of Sale, viel stärker als noch vor fünf Jahren. Wir investieren lieber in die Verkaufspunkte statt in klassische Werbung. Ein wichtiges Instrument sind dabei die Flag Ship Stores.