Ein Traumprinz aus den Karibikferien? Eine neue Liebe nach einer Discoparty? Nicht unbedingt, denn das Gute liegt oft so nah?Viel wahrscheinlicher ist es, in der Spätschicht des Notfalls, im Lehrerzimmer, beim Warten am Kopierer den Partner fürs Leben zu finden. Der Arbeitsplatz ist ein Beziehungsmarkt erster Güte; hier spielt sich ein Grossteil des ganzen Lebens ab und hier bahnen sich rund 30% aller Ehen an.
Wenn ein Mitarbeitender zu Hochform aufläuft, Überzeiten nie kompensiert, kein Problem hat mit überlangen Sitzungen und abends den Laden nicht mehr verlässt - dann könnte er sich in eine Arbeitskollegin verliebt haben. «Vom Grundsatz her ist Liebe am Arbeitsplatz nicht problematischer, als die Liebe ohnehin ist», sagt Ulrike Clasen, Gründerin und Geschäftsleiterin von Netzwerk Kadertraining, Aarau (siehe «Nachgefragt»). Tatsächlich bietet die «Kulisse Büro» für eine Beziehung sogar Vorteile: Die Chancen herauszufinden, ob man wirklich zusammenpasst, stehen nicht schlecht, denn an keinem anderen Ort hat man so viel Zeit und Gelegenheit, den Auserwählten realistisch und in nüchternem Zustand auf Stärken und Schwächen abzuklopfen. Wie bewältigt er die turmhohen Aktenberge auf dem Pult? Was macht sie bei Sress? Wie gibt er sich gegenüber der Kundschaft? Was treibt sie auf die Palme? Der Büroliebe gehört die Zukunft ?
Wenn Liebe zur Chefsache wird
Doch der Bürohimmel hängt nicht einfach voller Geigen; das Konfliktpotenzial ist beträchtlich: «Es ist die Frage, wie die beiden, die am Arbeitsplatz füreinander entflammt sind, ganz konkret damit umgehen. Denn im Beruf wird professionelles Verhalten mit Recht verlangt», sagt Ulrike Clasen. «Wenn sich zwei wie verliebte Teenager verhalten, tuschelnd und kuschelnd am Kopierer stehen, stört das die anderen Kolleginnen und Kollegen und passt einfach nicht.» Wenn die Arbeit vernachlässigt wird, weil man sich mit der Angebeteten in die Besenkammer verkriecht, wenn im Büro gemunkelt und getratscht wird, wenn Eifer- oder Rachsucht ins Spiel kommen, ist für Zündstoff gesorgt.
Manchen Vorgesetzten sind Beziehungen am Arbeitsplatz ein Dorn im Auge, da sie Machtballungen, Intrigen, Begünstigungen mit sich bringen können - besonders wenn ein Teil, meistens die Frau, dem anderen hierarchisch unterstellt ist. «Führungskräfte können sich nicht ganz aus Beziehungen raushalten. Spätestens dann, wenn ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, wird das Liebesverhältnis zur Unternehmenssache», sagt Ulrike Clasen.
Der CEO, der heimlich mit der Abteilungsleiterin liiert ist, läuft Gefahr, sie ungebührlich zu schützen und ihre Kompetenzen auszuweiten. Um das Arbeitsklima nicht nachhaltig zu vergiften, täte er gut daran, seine Liaison zu beenden, seine Geliebte möglichst weit weg zu versetzen oder ihr eine Kündigung nahezulegen.
Diese gar nicht so seltene Konstellation zeigt, dass Frauen in der Regel als doppelte Verliererin aus Liebschaften mit Chefs herausgehen. Doch auch dem Chef wird eine firmeninterne Liaison schnell zum Stolperstein: Seine Glaubwürdigkeit schmilzt rasend schnell, vor allem wenn zuhause eine betrogene Ehefrau wartet.
Vom Kaffeeautomaten und Kopierer zur Kirche: Viele Liebesbeziehungen zwischen Arbeitskollegen führen zu einem Happy End - man beschliesst, nicht nur das Unternehmen, sondern möglichst das ganze Leben miteinander zu teilen. Bahnen sich aber zwischen den verbandelten Arbeitskollegen Konflikte an oder kommt es zur Trennung, leidet im schlimmsten Fall die ganze Bürogemeinschaft.
Professionell auseinandergehen
Lautstarke Beschimpfungen an der Sitzung? Sabotage gegen den Ex-Lover? Verunglimpfungen beim Chef? Oder gar Handgreiflichkeiten? Wer das Klima bewusst vergiftet, wird vom Arbeitgeber zu Recht gemahnt, bei schweren Vergehen droht die Kündigung. Unbedingt zu vermeiden sind laut Ulrike Clasen «Handlungen, die die Rechte Dritter beeinträchtigen, gegen eindeutige Anweisungen verstossen oder Arbeitsabläufe beeinträchtigen». Professioneller, aber schwieriger für das Ex-Paar: Berufliches und Privates strikt trennen, seine Gefühle kontrollieren, Zeit verstreichen lassen oder aber gleich kündigen. Am neuen Arbeitsort könnte es ja auch wieder attraktive Mitarbeitende geben ?
NACHGEFRAGT
Ulrike Clasen, Gründerin und Geschäftsleiterin von Netzwerk Kadertraining GmbH, Aarau
«Wer Beruf und Privates vorher trennte, hat es hinterher leichter»
Liebe am Arbeitsplatz: Ist das überhaupt ein Problem?
Ulrike Clasen: Das Berufsumfeld ist eben anders als der Freundes- und Familienkreis. Bei der Liebe am Arbeitsplatz sind alle miteinbezogen, vielleicht als Vertraute, als Mitwissende oder als Leidtragende, wenn sie bei Liebesleid trösten müssen, oder gar als Publikum, wenn es zu Streit kommt.
Warum sehen viele Vorgesetzte Beziehungen unter Mitarbeitenden ungern, obwohl «Betroffene» oft besonders motiviert arbeiten?
Clasen: Für die Verliebten hängt der Himmel voller Geigen. Aber vielleicht hat ihr Chef schon Erfahrungen mit problematischen Arbeitsplatz-Lieben oder reagieren Kollegen neidisch. Motivationsschub ja, aber in jeder Arbeitsplatz-Liebe steckt auch eine Menge Konfliktpotenzial. Führungskräfte lernen Mitarbeitende zu beurteilen und zu führen - aber mit Verliebten umzugehen, deren Hormone durcheinander sind, das kann schwierig werden. Wann und wie sollte sich der Chef einmischen? Vorgesetzte und Firmen sollten daher Verhaltensnormen entwickeln und vielleicht sogar explizit formulieren.
Sollte man Liebe am Arbeitsplatz geheim halten oder gestehen?
Clasen: Vielleicht ist es «nur» eine Affäre, dann sollte die Devise sein: Geniessen und schweigen. Erst wenn wirklich für beide etwas Ernstes daraus wird, sollten beide informieren. Gefährlich wird es, wenn einer bereits verheiratet ist -dann können sie sich der moralischen Wertung nicht entziehen.
Wie sieht es aus, wenn der Angebetete der Chef ist? Kommen Begünstigungen, Intrigen etc. wegen Liebesverhältnissen häufig vor?
Clasen: Es ist eine grosse Versuchung, die Beziehung im Büro für die eigene Karriere zu nutzen. Ich rate, dieser Versuchung zu widerstehen. Die Mitarbeitenden beobachten genau und werden schnell feststellen, wenn Interessen vermischt werden. Ein Karrieresprung, der nicht auf Leistung und Einsatz beruht, wird letztlich auch keinen Erfolg bringen. Es gibt aber auch die Version, dass der Chef von seiner Angestellten - und Partnerin - viel mehr verlangt und diese immer unter Beobachtung steht. Die Liebe zum Chef bringt nicht immer Vorteile.
Was, wenn die Liebe erlischt? Geht dann die Stelle auch verloren? Verlieren dabei meist die Frauen?
Clasen: Bei den Arbeitsplatz-Lieben, die ich beobachten konnte, war es immer die Frau, die verloren hat. Die Reputation, die Beförderungsmöglichkeit oder gar die Stelle. Es ist ganz schwierig für Paare, nach dem Liebesaus einen «modus vivendi» zu finden. Wer Beruf und Privates vorher trennte, hat es hinterher leichter. Auch unerwiderte Liebe kann für eine Frau «ins Auge gehen», etwa wenn der Abgewiesene sich rächt.
Worauf sollen Verliebte achten?
Clasen: Die Arbeitsleistung nicht vernachlässigen, keine persönlichen Vorteile aus der Beziehung ziehen. Zärtlichkeit gehört nicht ins Büro, intime Details gehen Kollegen nichts an. Bei Liebschaften mit Vorgesetzten die Machtverhältnisse klären.