Brigitte Rindlisbacher ist die Zuverlässigkeit in Person. Und doch schwänzt sie seit Monaten wiederholt die wöchentliche Tanzstunde mit ihrem Gatten. Schuld ist ihre Berufung zur neuen Generalsekretärin des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) im Sommer 2009.
Ernannt wurde sie von Bundesrat Ueli Maurer, einem Mann, dem sie bis zu seiner Wahl an die Spitze des VBS mit Skepsis begegnet wäre. «Ich kannte ihn nur als Hardliner der SVP und war daher nicht begeistert, als er Bundesrat wurde. Seitdem ich aber mit ihm zusammenarbeiten darf, finde ich ihn super», schwärmt die parteilose Generalsekretärin.
Wenn sie ihren obersten Chef charakterisiert, spricht sie auch gleich ihre eigenen Eigenschaften an: «Er ist sehr offen, hört gut zu, zeigt viel Humor, steht mit den Füssen auf dem Boden und denkt sehr schnell. Und er arbeitet unwahrscheinlich effizient.»
Erste Jobs in der Garage
Die studierte Chemikerin mit dem Titel Dr. phil. nat. und fast 20 Jahren EMD-VBS-Erfahrung bewies schon als Kind vielfältige Qualitäten: Da ihre Eltern in zweiter Generation die Autogarage Wittwer in Merligen am Thunersee führten, lernte die älteste von vier Töchtern schon früh hart zu arbeiten: In den Ferien im Büro und an den Wochenenden an der Tankstelle. Aufgaben, die man durchaus als Managementaufgaben bezeichnen kann, findet Brigitte Rindlisbacher.
«Meine Jugend fand in den 60er-Jahren statt, also in der Phase des Aufschwungs», erinnert sich die Berner Oberländerin. «Wir hatten unheimlich viel zu tun. Damals musste man einen Termin in der Autowerkstatt drei Wochen im Voraus reservieren. Eine solche Konjunkturlage kann man sich heute kaum mehr vorstellen.»
Bei den Besserverdienenden
Eine Auftragslage, die sich auszahlte: Wittwers waren eine der ersten Familien im Dorf, die sich einen Fernseher kaufen konnten, und gehörten zu den wenigen, die sich jeden Herbst Ferien in Italien leisteten. Den Weg in den Süden legten sie im Jaguar zurück. Doch es kam noch besser: «Als meine Eltern zum ersten Mal nach Mallorca in die Ferien flogen, war das etwas Besonderes.»
Während eine ihrer Schwestern Automechanikerin lernte und später die Garage übernahm, besuchte die ehrgeizige Brigitte gemeinsam mit einer jüngeren Schwester das Gymnasium Kirchenfeld in Bern und pendelte. «Auch das war damals absolut untypisch, dass zwei Mädchen vom Land das Gymnasium in Bern besuchten. Unsere Eltern haben uns sehr unterstützt, nicht nur finanziell.»
Sie wäre damals gern Bäuerin geworden, doch habe eine Berufsberaterin in Thun gemerkt, dass sie anderweitige Begabungen habe. «Als ich die Aufnahmeprüfung ins Seminar in Thun wie auch ins Gymnasium in Bern bestand, war für mich klar, dass ich nicht Lehrerin werden musste. Von den naturwissenschaftlichen Fächern interessierte mich Chemie am meisten.»
Was nützt ein Chemiestudium in der Auseinandersetzung mit den Themen Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport? «Ich bringe das analytische Denken mit, welches dazu dient, logische Schlüsse zu ziehen. Das macht täglich Sinn, denn das VBS ist ein sehr komplexer Betrieb.» Sie führt und koordiniert im Auftrag von Bundesrat Maurer rund 300 Mitarbeitende.
«Als eine von wenigen Kaderfrauen kann ich an einer langweiligen Tagung nicht hinausschleichen. Denn ich falle auf wie ein bunter Hund.» Im Übrigen habe das Frausein in dieser Männerdomäne genauso viele Vorteile wie Nachteile, sagt die im Sternzeichen Löwe Geborene und gesteht, sie sei ein typisches Alphatier. «Für mich ist der Löwe ein Symbol für Dominanz, aber auch für Ruhe, indem er die Situation im Griff hat.»
Sie managt Menschen, nicht Stellen. Denn gefragt, was der schlimmste Moment ihrer Karriere gewesen sei, erinnert sich die frühere Leiterin der Abteilung Raum und Umwelt an den Tag, als sie eine Leitungsfunktion zu vergeben und vier interne Kandidaturen vor sich liegen hatte. «Alle Personen waren geeignet, doch ich musste mich für eine entscheiden und enttäuschte damit die anderen drei. Doch es gelang mir, alle vier an Bord zu behalten, das freut mich bis heute.»
Ihre Emotionalität sei eine ihrer Schwächen, gesteht die Kaderfrau des VBS. Wirklich? «Na ja, in der Teenagerphase unserer Kinder ging es manchmal zu Hause laut zu und her, und doch sind unsere Töchter tolle Menschen geworden, auf die mein Mann und ich stolz sind. Vielleicht war es unsere Rettung, dass ich nach einer Babypause wieder in den Beruf zurückkehrte und mit ständig steigendem Pensum Leitungsfunktionen übernahm. So genossen wir alle unsere Portion Freiheit.»
Gibt es einen Menschen in ihrem Leben, der ihr ideale Werte vorlebte? Kurz nach der Beerdigung ihrer 100-jährigen Grossmutter muss Brigitte Rindlisbacher nicht lange überlegen: «Meine Grossmutter hat beide Weltkriege erlebt. Als ihr Mann in den Aktivdienst eingezogen wurde, fuhr sie Taxis, flickte selber Velos und erledigte, was die Garage Wittwer eben zu erledigen hatte. Bis beinahe mit 80 führte sie einen eigenen Laden. Sie habe ich bewundert.»
Unter Exzellenz versteht Brigitte Rindlisbacher einen menschlichen Führungsstil, kombiniert mit Zielstrebigkeit und Entschlossenheit. «Als Generalsekretärin erfülle ich drei Hauptaufgaben: Ich unterstütze Bundesrat Ueli Maurer direkt und leite seinen Stab, das Generalsekretariat. Zudem pflege ich die Kontakte zu den anderen Departementen, zu den Parlamentariern und zu den Kantonen. Daher kann es schon vorkommen, dass mich jemand ‹Die eiserne Lady› nennt. Damit kann ich gut leben. Denn ich weiss, dass ich nicht speziell hart bin, aber sehr hartnäckig.»
Dem VBS treu geblieben
Sie arbeitete unter vier Bundesräten. Warum hat die Chemikerin nie den Job gewechselt? «Ich habe schon nach rechts und links geschaut und mich zwischendurch um eine andere Stelle beworben. Doch immer wenn es konkret wurde, merkte ich, wie faszinierend das VBS in seiner ganzen Tiefe und Breite ist.»
Theoretisch ist Brigitte Rindlisbachers Karriere am Plafond angelangt, was bedeuten würde, dass sie noch rund acht Jahre Generalsekretärin wäre. Sie wagt aber nicht zu glauben, dass sie bis zur Pensionierung Funktion und Büro behalten kann. «Es braucht nur einen Wechsel im Bundesrat, dann ist das Spiel wieder offen.» Aber angenommen, die Konstanz ist gegeben: Was will Brigitte Rindlisbacher in den kommenden Jahren erreichen?
«Ich wünsche mir eine glaubwürdige und leistungsstarke Schweizer Armee und bin bereit, meinen Beitrag dafür zu leisten. Beim Bevölkerungsschutz strebe ich eine optimale Zusammenarbeit mit den Kantonen an. Und beim Sport will ich erreichen helfen, dass sich die Schweizer Bevölkerung mehr bewegt und möglichst gesund lebt.»
Sie verfolge in ihrer Funktion zwar hohe Ziele, und doch sei ihr Generalsekretariat nicht bedeutender als ein KMU, ein Hotel oder eine Bergbahn. «Es ist ein Privileg für den Staat arbeiten zu dürfen. Aber andere Arbeitnehmer sind ebenso wichtig wie wir Staatsangestellten.»
Ins Schwärmen gerät die Generalsekretärin, wenn es um die Fussballer der U17 geht. «Dieser tolle sportliche Erfolg beweist, dass die Jugendförderung des Schweizer Fussballverbands ihre Ziele erreicht und dass die Schweiz viel bewirken kann, wenn Bund, Kantone und Verbände einander optimal unterstützen.»