Seine Spielfiguren haben Generationen von Kindern beglückt: Nach kurzer schwerer Krankheit ist Playmobil-Chef Horst Brandstätter gestorben. Der 81-Jährige verschied bereits am vergangenen Mittwoch. Wegen der bis Sonntag dauernden Werksferien gab die Geschäftsleitung die Todesnachricht erst heute bekannt. Zuhause im fränkischen Zirndorf kam Brandstätter noch bis zuletzt täglich ins Büro.

Weltbekannt wurde der Firmenchef ab Anfang der 1970er Jahren mit seinen Playmobil-Figuren. Die 7,5 Zentimeter grossen Männchen – ein Ritter, ein Bauarbeiter und ein Indianer – wurden auf der Spielwarenmesse 1974 zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt. Im vergangenen August gab Brandstätter der «Handelszeitung» eines seiner sehr wenigen Interviews:

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Wie oft haben Sie in Hollywood angerufen?
Horst Brandstätter: Warum sollte ich das tun?

Um einen Playmobil-Film in Auftrag zu geben. Wie bei dem Lego-Movie.
Schauen Sie mal hier ...

... was ist das? Ein geheimes Drehbuch?
Naja, so geheim ist es bald nicht mehr. Es ist ein Konzept für unseren Playmobil-Film.

Sie planen einen eigenen Kinofilm?
Ich weiss nicht, ob ich Ihnen das zeigen darf.

Natürlich!
Vielleicht kann ich es Ihnen aus ein wenig Entfernung zeigen. Wir arbeiten schon seit einigen Jahren daran. Es wird eine TV-Serie geben für das britische, französische und kanadische Fernsehen. Allerdings ist Playmobil ein Spielzeug und keine Filmfigur.

Wann gibt es den Film in deutscher Sprache*?
Das hängt davon ab, wer die Rechte erwirbt, vielleicht ist es in Deutschland ab dem Frühjahr 2015 so weit.

Ärgern Sie sich, dass Lego so viel Erfolg mit seinem Kinofilm hat?
Ich ärgere mich nicht, aber Lego spielt bei unserem Denken natürlich eine Rolle, weil es an dieselbe Zielgruppe gerichtet ist.

Immerhin liegt Lego in Europas Spielzeugmarkt vor Ihnen.
Ich bin zufrieden, ich muss nicht immer Marktführer sein.

Playmobil gibt es seit 40 Jahren. Wie stellen Sie sicher, dass die Figuren auch in den nächsten 40 Jahren noch gefragt sind?
Sicher ist nichts. Das hängt nicht nur von den Wünschen und Bedürfnissen der Kinder ab, sondern auch von den Erwachsenen. Sie kaufen schliesslich für ihre Kinder. Aber auf jeden Fall müssen wir nah an der Lebenswelt der Kinder bleiben.

Was zeichnet den Wert von Playmobil aus?
Den Wert von Playmobil kann man am Produkt nicht erkennen, das habe ich bei spielenden Kindern beobachtet. Man würde ihn erkennen, wenn man in die Köpfe der Kinder schauen könnte. Sie lassen sich und ihre Phantasie anregen und spielen mit den Figuren das Leben nach.

Sie setzen auf heile Welt?
Das würde ich nicht sagen. Kinder können sich vielmehr mit der Umwelt auseinandersetzen. Die Figuren helfen, diese Welt zu verstehen. Dabei legen wir Wert darauf, dass es bei uns keine Panzer und keine zerstörerischen Waffen gibt.

Hinter Ihnen steht eine grosse Piratenfigur. Das Messer in seiner Hand ist aber erlaubt?
Sie werden lachen, aber die ersten Figuren waren Cowboys und Indianer. Die hatten keine Waffen. Da haben die Kinder Briefe geschrieben und kritisiert, einen Cowboy ohne Revolver gebe es nicht. Also haben die Cowboys einen Revolver bekommen – und unsere Ritter ein Schwert. Eine falsche Welt dürfen wir den Kindern ja auch nicht vor Augen führen. Zur Realität gehört, dass der Stärkere mit Revolver dem Schwächeren ohne Revolver überlegen ist. Es ist eine ausgewogene Philosophie, die sich bewährt hat.

Haben Sie sich die Figuren selbst ausgedacht?
Nein, das hat Hans Beck gemacht. Ich war bereits im Alter von 19 Jahren in unseren Familienbetrieb gekommen, der von meinen Onkeln geführt wurde und Blechspielzeug herstellte. Später suchte ich einen Mitarbeiter, der meine Ideen umsetzen kann. Herr Beck hatte sich beworben. Er sprach zwar so gut wie nie, aber er hatte gute Ideen. Er erfand das Playmobilsystem Anfang der 1970er Jahre.

Haben Sie ihn gut belohnt? Immerhin machten Sie allein im vergangenen Jahr 600 Millionen Euro Umsatz mit der Idee.
Herr Beck, der im Jahr 2009 gestorben ist, hat nicht schlecht verdient und gewisse zusätzliche Beträge bekommen.

Hat sich Ihr Spielzeug sofort gut verkauft?
Nein. Anfangs wollte es kein Händler haben. Doch dann lief es immer besser.

Playmobilfiguren sind sehr robust und zum Vererben gemacht, haben Sie mal gesagt. Aus Sicht eines Geschäftsmannes klingt das seltsam. Wie sollen Sie so die Verkaufszahlen steigern?
Ich mag es nicht, Nachfrage zu schaffen, indem man ein schlechtes Produkt herstellt. Unser Erfinder, Herr Beck, hat nicht an das Geldverdienen gedacht, ihm lag vielmehr daran, ein sinnvolles Spielzeug für Kinder zu schaffen. Daran haben wir uns gehalten – und tun das auch heute noch. Auch wenn die Figuren lange halten: Unsere Umsätze sind immer noch ganz gut.

Gibt es etwas, das Sie bereuen? Den Bauarbeiter von 1974 mit der Bierflasche in der Hand: Würden Sie den rückblickend nochmal anbieten?
Auch wir machen Fehler. Der Bauarbeiter mit dem Bier hat unseren Kunden nicht gefallen, das haben sie uns jedenfalls geschrieben.

Entscheiden Sie immer anhand der Briefe, die Sie erhalten?
Wir richten uns schon nach den Briefen. Allerdings beschäftigen wir fast 100 Leute in unserer Entwicklungsabteilung, die zum Teil jeweils fast 40 Jahre Berufserfahrung haben.

Wie läuft deren Arbeit ab? Die Entwickler kommen in Ihr Büro, und Sie als Alleininhaber von Playmobil sagen: Die Figur gefällt mir, diese nicht?
So ungefähr.

Das klingt hart für Ihre Mitarbeiter.
Naja, so oft sage ich ja nicht nein, die Mitarbeiter sind sehr gut.

Haben Sie vor, die Figuren mal zu verändern?
Nein, sie sind immer noch 7,5 Zentimeter gross. Allerdings gibt es mittlerweile viel mehr Zubehör, Kopfbedeckungen und so weiter. Man kann manche Figuren auch  anziehen.

Wie gehen Sie mit gesellschaftlichem Wandel um? Wäre eine spärlich bekleidete Frau im Bikini vor 40 Jahren ein Verkaufsschlager geworden?
Wir wissen, dass wir mit der Zeit gehen müssen, das ist stets ein Kompromiss. Allerdings hat sich nicht viel an den Figuren verändert: Das Gesicht, die Füsse sind geblieben, nur die Hände lassen sich mittlerweile bewegen. Man muss mit der Zeit gehen, aber Playmobil soll das bleiben, was es ist.

Warum gibt es keine Figuren mit Filmhelden wie Harry Potter? Das würde mehr Umsatz bringen.
Das würde es. Dies lässt sich bei anderen Herstellern beobachten. Doch unser Herr Beck hat ein Figurensystem geschaffen, bei dem Kinder die Möglichkeit haben, die Figur selbst zu charakterisieren. Herr Beck wollte nicht, dass die Figur Harry Potter heisst, sonst heisst sie immer so. Und sie macht nur das, was Harry Potter im Film oder im Buch macht. Das ist nicht in unserem Sinn. Eine Lizenzfigur mag attraktiv sein, aber nach drei oder sechs Monaten, wenn der Film nicht mehr läuft, ist sie nicht mehr interessant und wandert in den Keller. Das wollen wir nicht. Hinzu kommt, Anbieter wie Disney langen ganz schön zu: 10 bis 15 Prozent des Abgabepreises muss man als Lizenz zahlen.

Sie verkaufen in 100 Ländern, wo läuft es gut, wo weniger?
Besser läuft es in Deutschland und in Frankreich, auch in der Schweiz. Gar nicht läuft das Geschäft in Japan.

Wie erklären Sie sich das?
Das wissen wir nicht. Es könnte sein, dass japanische Kinder anders erzogen werden. Playmobil ist ja ein bisschen brav, in Japan ist brav nicht gefragt.

Was sind Top-Seller und Flops?
Piraten, Polizisten, Ritter und die Feuerwehr – das läuft immer. Wir hatten mal eine Eskimowelt, die war sehr schön, hat die Kinder aber nicht interessiert. Daher hat es sie auch nicht lange gegeben.

Und in der Schweiz? Verkauft sich dort die Country-Bergwelt mit Almabtrieb, Seilbahn und Bergstation gut?
Diese Welt wird in allen Ländern verkauft. Sie ist aber etwas erfolgreicher in den Ländern, die auch Berge haben, wie Österreich, die Schweiz und Deutschland.

Was läuft besser? Figuren für Jungen oder Mädchen?
Das hält sich in etwa die Waage, klassische Spielwelten wie die Ritter für Jungen und der Pferdestall für Mädchen.

Warum bieten Ihre Spielwelten kaum Raum für Kreativität? Die Kinder können nicht wie bei Lego etwas bauen, sie bleiben immer in der jeweiligen Spielwelt, in der Tierarztpraxis oder in der Ritterburg.
Was ist Kreativität? Bei uns kann man auch etwas zusammenfügen, ein Haus zum Beispiel. Der Kern von Playmobil liegt in der Figur und in den Geschichten, die sich die Kinder mit den Figuren ausdenken. Das ist, glaube ich, Kreativität.

Heutzutage spielt jedes Kind mit Computern und Tablets. Was heisst das für Ihr Geschäft?
Ich habe nichts gegen Computer. Die muss man beherrschen, ich kann sie nicht bedienen. Kinder müssen das lernen, sonst finden Sie sich nicht zurecht im Leben. Aber ein Kind sollte nicht den ganzen Tag mit dem Computer verbringen. Ich hoffe, da ist Playmobil ein guter Ausgleich.

Wie wird der Spielzeugverkauf in Zukunft aussehen? Online-Shopping boomt, die Innenstädte verlieren.
Das würde ich nicht sagen. Es wird noch der grössere Anteil von Spielzeug im Laden gekauft. Aber es stimmt, dass die Online-Umsätze im Spielwarengeschäft wachsen.

Muss Sie der Trend stören? Direkt aus Ihrer Fabrik in die Biefkästen der Kunden – das ist doch gut für Ihre Marge.
Da haben Sie recht ...

... trotzdem machen Sie eigene Playmobil-Geschäfte auf. Warum?
Das Online-Geschäft schafft keine Nachfrage, es befriedigt lediglich Nachfrage. Es  wird immer nötig sein, Nachfrage zu schaffen – und das geht am besten an Orten, wo man unsere Produkte sehen und anfassen kann. Daher wird es immer mehr eigene Playmobil-Läden in Grossstädten geben.

Auch in der Schweiz?
In der Schweiz gibt es im Moment keine Planungen für eigene Playmobil-Läden.

Warum produzieren Sie nicht in Asien?
Wir würden Playmobil, wenn es aus China käme, sicher günstiger anbieten können. Ich bin aber ein Typ Mensch, der sich nicht so gerne auf andere Menschen verlässt. Und ich will schnell eingreifen, wenn es in der Produktion nicht gut läuft.  Wir fertigen daher in Deutschland und in Malta.

Sie sind 81 Jahre alt, kommen Sie jeden Tag in die Firma?
Jeden Tag, ausser Samstag und Sonntag, da ist ja keiner hier in der Firma.

Sie gehen morgens ins Büro, scheuchen die Mitarbeiter auf und sind dann schnell wieder weg?
Ich unterhalte mich viel mit den Mitarbeitern, diskutiere mit ihnen und treffe Entscheidungen. Allerdings habe ich den grössten Teil der Arbeit an unsere Geschäftsführer Andrea Schauer und Steffen Höpfner übertragen. Um 12 Uhr gehe ich nach Hause.

Wollen Sie nicht richtig loslassen?
Loslassen? Dann hätte ich ja nix mehr zu tun. Allerdings verbringe ich seit 25 Jahren jeden Winter auf Jupiter Island in Florida. Dort kann man sehr gut Golf spielen, wenn hier das Wetter schlecht ist und Schnee liegt.

Ihr Nachbar in Florida ist Tiger Woods. Spielen Sie mit ihm Golf?
Nein, leider spielt Tiger Woods kein Golf mit mir. Meine jährliche Reise in die USA hat aber auch noch einen weiteren Grund. Mit meinen 81 Jahren muss die Firma vorbereitet sein für die Zeit, wenn ich nicht mehr da bin. Chefs, die sagen, es geht nicht ohne sie, kann ich nicht verstehen. Es ist wie auf einem Schiff: Wenn der Kapitän an Bord der Einzige ist, der weiss, wie der Kompass funktioniert, und er fällt über Bord, dann ist das Schiff verloren. Deshalb lasse ich die Firma jedes Jahr für ein halbes Jahr alleine und beobachte sie.

Funktioniert das?
Im ersten Jahr ging es hier drunter und drüber. Mittlerweile läuft es aber gut, wenn ich nicht da bin.

Warum haben Sie Ihren Söhnen das Geschäft nicht übertragen?
Meine beiden Söhne sind finanziell gut versorgt. Ich stelle in Frage, ob der Einfluss meiner Kinder in der Firma gut wäre. Darüber würden die beiden vielleicht noch streiten. Wir haben mit unserer Firma gutes Geld verdient und es wäre schön gewesen, wenn die Firma in der Familie bleiben könnte. Doch sie wird in eine Stiftung gehen, wenn ich nicht mehr da sein sollte.

Wie gefällt Ihren Söhnen diese Lösung?
Sie gefällt ihnen nicht. Mit der Stiftungslösung stellen wir sicher, dass die Philosophie von Playmobil langfristig erhalten bleibt. Dazu gehört auch, dass ein Verkauf des Unternehmens nicht in Frage kommt. Sollten wir verkauft werden, würden wir wohl an einen der grossen Konkurrenten gehen. Und dann befürchte ich, würde Playmobil zwei oder drei Jahre später nicht mehr existieren. Das ist aber alles Zukunftsmusik. Es gibt noch viele Aufgaben, schauen Sie nur mal hier an meine Bürowand.

Dort hängen Fotos von überdimensionierten Blumentöpfen ...
... das sind Pflanzbehälter.

Sie verkaufen auch Blumentöpfe?
Ja, schon seit 14 Jahren. Ich hatte nach einem zweiten Standbein für unser Unternehmen gesucht und einiges ausprobiert.

Zum Beispiel?
Ich wollte mal das beste Golfbag der Welt herstellen.

Was ist daraus geworden?
Ich habe ein halbes Jahr an dem Golfbag gearbeitet, es wäre sehr schön geworden. Aber dann habe ich gemerkt, dass in Deutschland nur 0,5 Prozent der Bevölkerung Golf spielen. Die Käuferschicht ist also sehr klein. Entsprechend klein ist der Markt für Golfbags. Aber Pflanzbehälter braucht wirklich jeder. Egal, ob man eine Wohnung hat oder in einem grossen Haus mit Garten wohnt. Für Pflanzbehälter ist der Markt sehr gross.

Wie laufen die Geschäfte?
Sie laufen gut. Weltweit ist die Marktdurchdringung allerdings nicht so gut wie bei Playmobil, aber in Ländern wie Russland haben sich unsere Behälter schon sehr gut durchgesetzt.

Welche Idee kommt als Nächstes?
Ich tüftele gerade an einer Lösung  für einen Pflanzbehälter mit einer Wasserpumpe, die mit Solartechnik angetrieben wird. Aber darüber kann ich eigentlich nicht sprechen.

*Die Serie läuft seit dem 27. April 2015 Montag bis Freitag um 17:35 Uhr im deutschsprachigen Disneychannel. In einer ersten Version hiess es fälschlicherweise, dass die TV-Serie in Deutschland noch nicht angelaufen sei.