Der verstorbene Swisscom-Chef hatte neben privaten Problemen auch Probleme mit dem Schlaf. Was sind bei Managern die häufigsten Gründe für solche Störungen?
Sandra Ackermann: Ein häufiger Grund für Schlafstörungen im Zusammenhang mit Stress am Arbeitsplatz ist, dass es nicht mehr gelingt, abzuschalten. Anstatt sich vor dem Schlafen entspannen zu können, grübelt man zum Beispiel über Arbeiten nach, die noch nicht erledigt sind – oder denkt an die Arbeitslast, die am folgendem Tag auf einen wartet. Dies führt dazu, dass das Stressniveau hoch bleibt. Das Einschlafen wird verhindert.
Wie häufig treten Schlafstörungen auf?
In einer Seco-Studie unter dem Titel «Stress bei Schweizer Erwerbstätigen» gaben 2010 über alle Berufsgruppen hinweg 27 Prozent der mit Gesundheitsproblemen kämpfenden Personen an, unter Schlafstörungen zu leiden.
Carsten Schloter klagte darüber, dass Aufgaben heutzutage nicht auch mal liegen gelassen werden können. Kommt dies häufig vor? Klagen auch Nicht-Manager über dieses Problem?
Ja, das ist ein grosses Problem. Wenn Aufgaben nicht auch mal liegen gelassen werden können, wird der Berg an Arbeit immer grösser – und irgendwann wächst einem das Ganze über den Kopf. Dies ist nicht nur bei Managern der Fall, allgemein nimmt das Stressniveau bei Erwerbstätigen zu. In der bereits erwähnten Studie geben 34 Prozent der Befragten an, häufig oder sehr häufig gestresst zu sein. Dies sind 7 Prozent mehr als bei einer vergleichbaren Studie aus dem Jahre 2000. Das berichtete Stressempfinden unterschied sich nicht zwischen den verschiedenen befragten Berufsgruppen. Es ist wichtig, dass es möglich ist, Aufgaben auch ruhen lassen zu können. Eine Auszeit führt eher zu einer höheren Effizienz, als wenn ohne Pause durchgearbeitet wird.
Was sind die typischen Symptome für Schlafstörungen?
Es kommt auf die Art der Schlafstörung an – sind es Probleme beim Einschlafen oder Durchschlafen? Kein Gefühl des Erholtseins am Morgen, Müdigkeit während des Tages, Gefühl des Erschöpftseins oder Konzentrationsprobleme während der Arbeit sind einige mögliche Symptome. Schlafmangel kann sich ausserdem negativ auf das Immunsystem und das Herz-Kreislauf-System auswirken.
Wie verhalten sich Leute mit Schlafstörungen?
Personen mit Schlafstörungen können abends nicht einschlafen, wachen nachts häufiger auf und haben Mühe wieder einzuschlafen. Sie setzen sich häufig unter Druck, schlafen zu müssen – und sind tagsüber häufig müde, unkonzentriert und stressanfällig.
Was kann man gegen Schlafstörungen tun?
Gegen stressbedingte Schlafstörungen hilft in erster Linie Stressabbau am Tag und das Erlernen von Stressbewältigungsstrategien. Für den besseren Schlaf wiederum sind Rituale vor dem Zubettgehen sowie eine regelmässiger Schlaf-Wach-Rhythmus essentiell. Das Bett sollte zum Beispiel nur zum Schlafen verwendet werden und nicht auch zum Lesen oder Fernsehen. Wenn man dann nicht einschlafen kann, sollte man lieber wieder aufstehen und etwas lesen bis man müde wird – und erst dann wieder ins Bett liegen. Also nicht krampfhaft das Einschlafen versuchen, denn dies führt zu zusätzlichem Stress. Interessanterweise ist Schlafrestriktion – das heisst weniger schlafen – ein erfolgreicher Therapieansatz bei Schlafstörungen. Es muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass mögliche körperliche Ursachen für Schlafstörungen zunächst ärztlich abgeklärt werden sollten.
Wie viel Schlaf braucht der Mensch?
Die optimale Schlafdauer variiert von Mensch zu Mensch recht stark. Im Durchschnitt schlafen die meisten zwischen 7 und 8 Stunden, aber auch eine Schlafdauer zwischen 5 und 10 Stunden kommt durchaus vor. Hier lassen sich keine eindeutigen Empfehlungen für die einzelne Person ableiten.
Carsten Schloter betrieb viel Sport – gemeinhin ein Rezept für den Stressabbau. Wieso reicht dies manchmal nicht aus?
Sport kann beim Stressabbau helfen und als Ausgleich zum stressigen Berufsalltag dienen. Wenn die Arbeitsbelastung aber zu gross ist, reicht dies jedoch nicht mehr aus. Häufig wenden gestresste Personen ihre Leistungsprinzipien aus dem Alltag auch auf den Sport an. Hier wäre es aber wichtig, ohne Leistungsdruck Sport zu machen – oder ruhigere Sportarten zu betreiben, die auch zur aktiven Entspannung und dem allgemeinen Wohlbefinden beitragen.
Greifen Manager besonders häufig zu Medikamenten gegen Schlafstörungen?
Dazu liegen uns keine Daten vor. Die dauerhafte Verwendung von Medikamenten gegen stressbedingte Schlafstörungen ist jedoch allgemein nicht ideal. Diese Medikamente können schnell zur Abhängigkeit führen, obwohl sie nicht zum erwünschten erholsamen Schlaf führen. Das Erlernen von Stressbewältigungsstrategien und möglicherweise Änderungen des Lebenswandels sind bei stressbedingten Schlafstörungen wirksamer und nachhaltiger.
Fördert das Nicht-Schlafen die Bereitschaft zu Suizid?
In Studien konnte wiederholt ein Zusammenhang zwischen Schlafproblemen und Suizidalität gezeigt werden. Diese Zusammenhänge konnten vor allem bei klinischen Populationen, wie zum Beispiel bei Personen mit Depressionen gezeigt werden. Es gibt aber auch Befunde, dass Schlafstörungen in der allgemeinen Bevölkerung mit einem erhöhten Suizidrisiko einhergehen.
Sandra Ackermann ist Assistentin des Psychologischen Instituts der Universität Zürich und arbeitet im Rahmen des Klinischen Forschungsschwerpunktes Sleep and Health.