Was tut ein Manager hauptsächlich? Er sitzt. An Sitzungen, an Meetings, Konferenzen, Tagungen und Seminaren, an informellen und formellen Besprechungen, an Unterredungen und Beratungen, wenn nicht gar an Brainstormings. «Sitzungen sind die Arbeitsform, in der viele Führungskräfte heute bereits mehr als die Hälfte ihrer Zeit verbringen», weiss Fredmund Malik.

Vor knapp zehn Jahren waren es «nur» 30% der Arbeitszeit, die mit Sitzungen verbracht wurden, wie das International Institute for Management Development, IMD, in Lausanne damals eruierte. Ein beachtliches Wachstum also, zumindest was den Zeitverlust anbelangt. Denn der St. Galler Managementexperte Malik weiss auch: «Das Verbesserungspotenzial ist enorm.»

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Das ist auch Eugen Schmid und Stefan Fritz bewusst. Schmid, heute Coach und Berater, war früher Managing Director Human Resources bei der Credit Suisse. Und Fritz, heute ebenfalls selbstständiger Strategie- und Führungsberater, war früher Landschaftsarchitekt mit eigener Firma und 200 Mitarbeitenden. Sie beide haben in ihrer Karriere schon manche Sitzung ausgesessen und sich vorgenommen, dem kostspieligen Leerlauf ein Ende zu bereiten. Deshalb haben sie ein Buch geschrieben, «Meeting for success», das nicht nur durch seine leuchtend orangerote Neonfarbe auffällt, sondern auch durch seine Breite wie Tiefe sowie die unverkrampfte Sprache.

Haben Sie sich auch schon überlegt, dass das Scheitern vieler Sitzungen daher kommen könnte, dass der normal begabte Manager von der Aufgabe schlicht überfordert ist? So beginnt das Kapitel: «Warum der Sitzungsleiter ein armes Schwein ist.» Und der Sitzungsleiter ist meist der Chef persönlich.

Sitzungen sind denn auch gelebte Führung. Sie prägen die Unternehmenskultur nachhaltig und geben direkt Auskunft über die Führungskompetenz der leitenden Person. «Nach einer Sitzung weiss jeder Teilnehmer sehr viel über den Leiter - vielleicht mehr als ihm lieb ist» -, das wissen alle, die je das Vergnügen hatten, einer Sitzung beizusitzen.

Es gibt unzählige Ansatzpunkte, um eine Sitzung gründlich zu versauen, sodass vielerorts das nackte Chaos herrscht, ein Kommen und Gehen, Geraschel, Geraune und Gegähne. Damit das Wort «Sitzungskultur» nicht ein Widerspruch in sich bleibt, ist die ordnende Hand des Sitzungsleiters gefordert, was allein schon viele Führungskräfte überfordert.

Doch die meisten Sitzungen scheitern schon viel früher, nämlich bevor sie überhaupt angefangen haben. Weil sie nicht professionell vorbereitet worden sind, weil sie nicht verbindlich sind, weil sie keine Ziele haben.

Das Fehlen einer klaren Zielsetzung - und zwar nicht für die ganze Sitzung, sondern für jedes einzelne Traktandum - ist einer der Hauptgründe, warum Sitzungen oft vertane Zeit sind: Wer kein Ziel kennt, kann weder effizient noch effektiv sein.

«Zu jedem Besprechungspunkt eine Zielvorgabe»: So einfach können Sie Ihre Sitzungen ab sofort nachhaltig verbessern. Es ist einen Versuch wert. Und dies ist nur ein einziges Werkzeug im grossen neonroten Werkzeugkasten.

Und wieso wird das praktisch nirgends gemacht, obwohl es doch so einfach wäre? Weil die meisten Sitzungsleiter noch nie daran gedacht haben! Weil sie zu träge sind, zu überlastet oder weil sie selber nicht so genau wissen, was dabei rauskommen soll. Doch wer nicht weiss, wohin die Reise gehen soll, muss mit jedem Ziel zufrieden sein. Und das ist ja nicht das Ziel.

Also umgekehrt: Wer das angestrebte Ziel kennt, geht planmässiger vor. Und alle Teilnehmer wissen schon im Vorfeld, worauf sie sich vorbereiten müssen und was von ihnen erwartet wird. So werden Sachzwänge geschaffen, die ein Lavieren erschweren und die Chance verbessern, dass am Schluss jedes Traktandums ein Nagel mit Kopf steckt.

Die korrekte Planung, Durchführung und Nachbearbeitung einer Sitzung bedeutet einen Wust von Arbeit. Einfach mal so eine Sitzung einzuberufen, um zu sehen, ob etwas dabei rauskommt, ist nach der Lektüre ohne schlechtes Gewissen fast nicht mehr möglich. Doch wenn aus diesem Grund die eine oder andere Sitzung künftig ersatzlos gestrichen wird, ist auch schon einiges gespart worden.

Die durchschnittliche Sitzung und ihre Mittäter

Eine Sitzung ist niemals langweilig. Allein schon das Beobachten der Versammelten entschädigt für die Teilnahme. Da gibt es fast immer die grossspurigen Alphatiere und vorlauten Auftrumpfer, die jede Geistesblähung gleich als Ei des Kolumbus anpreisen, und es gibt die resignierten Mitsitzer, die kaum je etwas zu sagen wissen; es gibt die mutlosen Schweiger, die danach im Korridor die grosse Röhre führen, und die unfähigen Wichtigtuer, die keine eigene Meinung haben, aber - sobald sie merken, dass etwas konsensfähig ist - genau dasselbe nochmal sagen, wie wenn sie es erfunden hätten; es gibt die überlegten Abwarter oder diplomatischen Schlichter, die zuerst alles mitanhören und am Schluss eine Kompromisslösung anbieten; es gibt die stillen Wasser, die nicht immer so tief gründen, und es gibt die schwanzwedelnden Falschspieler, die dem jeweils hierarchisch Höhergestellten treu beipflichten oder - noch effektiver - sich im Anschluss an die Sitzung unter vier Augen den vorgesetzten Rektalzugang geschmeidig halten.

Es gibt die diabolischen Advokaten, die jedes noch so gute Argument gleich mit einem «Ja, aber ?» quittieren, was die Entscheidungsfindung und somit die Sitzungsdauer ins Unendliche tendieren lässt, und es gibt die wohlwollenden Eminenzen, die immer und auch beim Gegenteil zustimmend nicken, wie ehedem die Wackelhunde auf den Autohutablagen.

Und daneben gibt es noch die Körperhüllen, die bloss physisch anwesend sind und sich irgendwo hinter einer Zeitung verstecken oder wichtig an ihren elektronischen Spielzeugen manipulieren, wobei sie private E-Mails oder SMS erledigen - sie fungieren als Staffage, denn zahlreiches Erscheinen unterstreicht die Wichtigkeit des Anlasses. Kein Wunder halten Betriebsneulinge am Anfang am liebsten den Mund, selbst wenn sie Substanzielles beizutragen hätten. Es soll zwar vorkommen, dass die «Frischlinge» von den «alten Hasen» hie und da etwas gefragt werden - doch nur deshalb, damit ihre Meinung gehörig zerzaust werden kann; sie dienen als neues Spielzeug.

Noch öfter werden sie aber gar nicht gefragt, denn neue Ansichten stören den wohlgeordneten und eingespielten Ablauf. Bedenklich nur, wenn die «Neuen» auch nach zwei Jahren im Betrieb noch immer nichts sagen, weil sie gemerkt haben, dass es auch ohne geht. (top)