Als im Dezember 2010 bekannt wurde, dass Ermotti im nächsten April zur UBS stösst, war die Begeisterung bei der Belegschaft gross. Denn schon damals war klar: Der heute 51-jährige Tessiner ist nicht nur eine ganz grosse Nummer im internationalen Banking, sondern nun auch der oberste Anwärter auf die Nachfolge auf den Chefsessel bei der grössten Schweizer Bank.

Doch wer ist dieser Schweizer Banker, den das deutsche «Handelsblatt» damals vorschnell als Italiener taxierte? Tatsächlich ist Ermotti neben Josef Ackermann und Philipp Hildebrand der international erfahrenste Banker, den die Schweiz zu bieten hat.

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Den grössten Teil seiner Karriere verbrachte der viersprachige Tessiner beim amerikanischen Finanzkonzern Merrill Lynch, wo er in Zürich, New York und London 18 Jahre als Investmentbanker arbeitete, bevor er 2005 zum italienisch-deutschen Geldhaus Unicredit wechselte. Unter Italiens extravagantestem Banker Alessandro Profumo brachte er es dort zum stellvertretenden Bankchef.

«Ein Weg zurück nach Hause»

Bei beiden Arbeitgebern blieb Ermotti am Ende wegen seiner Nationalität auf der Strecke. «Als Nicht-Amerikaner bei einer US-Firma ist der Zyklus irgendwann einmal zu Ende», sagt Christian de Prati, der selber bei Merrill unter Ermotti gearbeitet hat.

Ähnlich erging es dem Schweizer bei Unicredit, wo er entscheidend dazu beitrug, dass aus dem Sammelsurium italienischer Sparkassen ein internationaler Mitspieler wurde, der sich die deutsche Hypovereinsbank schnappte. Nach dem Rausschmiss seines Förderers Profumo fiel der aufrichtige Schweizer im Gravitationsfeld deutsch-italienischer Befindlichkeiten zwischen Stuhl und Bank – bei den Grossaktionären war ein solcher Modernisierer unerwünscht. Darum schmiss Ermotti den Bettel.

Nach seinen Einsätzen im Ausland war der UBS-Job dann «ein Weg zurück nach Hause», berichtet ein Freund.

Vater zweier Teenager-Söhne

«Ermotti ist ein fordernder Chef, der den Mitarbeitern viel abverlangt», sagt ein früherer Mitarbeiter bei Merrill. «Er ist aber auch sehr menschlich und hat Verständnis, wenn es einem privat nicht so gut geht.» Sein Führungsstil sei hart, urteilt ein weiterer Kollege. Ermotti habe keine Hemmungen, auf Fehler hinzuweisen, aber er bleibe immer fair dabei.

Als seine wichtigsten Führungsprinzipien nannte Ermotti selber einmal Fairness, Loyalität und Wille. Diese Haltung hängt stark mit Ermottis Selbstverständnis zusammen. Der erklärte Familienmensch und Vater zweier Teenager-Söhne gibt nicht den eindimensionalen Banker, sondern ist ein vielseitig interessierter Mensch, der selbst mit seiner knapp bemessenen Freizeit viel anzufangen weiss.

Privat ist er an verschiedenen Hotels im Tessin beteiligt, darunter dem Principe Lepoldo oder der Villa Sassa in Lugano. Seit 2007 amtet er überdies als Verwaltungsratspräsident der Tessiner Fluggesellschaft Darwin Airline.

Im Tessin verwurzelt

Diese Engagements unterstreichen Ermottis Verbundenheit mit der Heimat, wo er an seinem Wohnort in Montagnola bis heute als bodenständiger Typ gilt.

Im Tessin verfügt er über ein weit verzweigtes Beziehungsnetz. Eng verbunden ist er mit dem Financier und UBS-nahen Tito Tettamanti, bei dessen Fidinam Group Holding er im Verwaltungsrat sitzt. Gute Kontakte unterhält er auch zur Familie Cornaro, namentlich zu Vittorio, dem Gründer der Cornèr Bank, wo Ermotti seine Banklehre machte, bevor er zur Citigroup nach Zürich wechselte.

In geschäftlichen Belangen tauscht er sich auch gerne mit Massimo Pedrazzini aus, einem einflussreichen Tessiner Anwalt und Vertrauten Tettamantis, oder mit dem Unternehmer Robert Grassi. Solche Kontakte sind nicht aussergewöhnlich. «Im Tessin kennt ohnehin jeder jeden», sagt Christian de Prati, der selber diesem Biotop entstammt.

Bei der UBS leitete Ermotti seit dem Frühling die Regionen Europa, Naher Osten und Afrika. Dabei war er zuständig für Aktivitäten, die sich über alle Geschäftsfelder erstrreckten - Vermögensverwaltung für Privatkunden und für institutionelle Kunden sowie Investmentbanking.

Mann ohne «Stallgeruch»

Für die Grossbank kam der international bewährte Ermotti gerade richtig. Mit ihm an Bord konnte die Bankführung ihre Schweizer Identität weiter ausbauen. Mit seiner Erfahrung als Investmentbanker bei einem der mächtigsten US-Finanzkonzerne besitzt er auch die Chuzpe, um den angelsächsischen Primadonnen im dealgetriebenen High-Risk-Banking Paroli zu bieten.

Manchmal bringe ein Trade-off langfristig mehr als das Beharren auf einem Standpunkt, lautet eine Devise Ermottis, der damit Konzilianz beweist. Zudem sitzt er im Verwaltungsrat der London Stock Exchange, was ihm in internationalen Börsenfragen Gewicht verleiht.

Und noch einen Vorteil geniesst er: Im Gegensatz zu den vielen Bankern, die von der Credit Suisse zur UBS gewechselt haben, hat er am neuen Arbeitsort keinen «Stallgeruch». Das verschafft ihm intern einen hohen Grad an Unbefangenheit, was an den heutigen Präsidenten der Schweizerischen Nationalbank, Philipp Hildebrand, erinnert, der ebenfalls einen Grossteil seiner Karriere im Ausland absolvierte.

Mit Hildebrand teilt Ermotti auch das vorteilhafte Äussere; nicht zufällig galt der Tessiner bei Merrill Lynch in London als «the best dressed man».

(tno/laf/sda)