Der Scheue mit der Streberbrille war zu Höherem berufen. Über Jahre galt Axel Wieandt als eines der ganz wenigen Ausnahmetalente der Deutschen Bank. Der 44-jährige promovierte Bochumer stand in den Frankfurter Zwillingstürmen lange Zeit im Ruf, einer von ganz wenigen Schnelldenkern zu sein.
Die vergangenen Monate machten Wieandt allerdings mürbe. Er langweilte sich. «Wieandt wurde kaltgestellt, hatte nichts mehr zu tun», erzählt man sich auf den Fluren der Deutschen Bank. Jetzt geht er weg. Zum 1. Juli 2011 wechselt Wieandt in die Deutschland-Zentrale der Credit Suisse – nur ein paar Meter von seinem bisherigen Dienstsitz entfernt. Dort soll er mit Hilfe seines prominenten Netzwerkes das Übernahmegeschäft verstärken. Darüber reden will er nicht. Anfragen der «Handelszeitung» bleiben unbeantwortet.
Die CS kauft einen gefallenen Star. Jahrelang war Wieandt der strategische Vordenker von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, mit einer direkten Berichtslinie zur Geschäftsleitung. Als die inzwischen verstaatlichte Münchner Pleitebank Hypo Real Estate im Zuge der Finanzkrise den gesamten deutschen Bankensektor nach unten zu reissen drohte, wurde der Banker gar über Nacht auf den Chefsessel befördert – auf Geheiss von Ackermann.
«Jetzt muss er wieder kleinere Brötchen backen», feixt man in seinem früheren Umfeld, der Strategieabteilung in Frankfurt. Wieandt fängt in der Hierarchie der Zürcher Grossbank weit unten an – drei Stufen unter dem Deutschland-Statthalter Michael Rüdiger.
Kunden in Deutschland und Österreich
An seiner neuen Visitenkarte ist der massive Karriereknick nur schwer zu erkennen. Wieandt wird bei der CS als «Managing Director» geführt. Den Titel hatte er zuletzt auch bei seinem bisherigen Arbeitgeber. Allerdings ist sein Aufgabengebiet neu und deutlich unattraktiver als seine bisherigen Funktionen. Wieandt muss sich in eine Gruppe von Investment-Banking-Beratern einordnen, in welcher er Finanzdienstleister und ausgewählte Kunden aus anderen Industriezweigen in Deutschland und Österreich für die CS-Angebote begeistern soll.
Als Verkäufer eignet sich Wieandt freilich nicht. Wer ihn kennt, weiss, dass ihm dieser Auftrag nicht gelingen kann. Auch die CS-Oberen, die ihn eingestellt haben, müssen das wissen. Grosse Auftritte sind nicht seine Sache. Er gilt als aalglatt, angepasst. Manche sagen, er sei arg öffentlichkeitsscheu. In seiner Zeit als Hypo-Real-Estate-Chef erledigte er die Veröffentlichung der Quartalszahlen am liebsten telefonisch. Seine Stimme flatterte mitunter, er war nervös. Pressekonferenzen hatte er in München soweit es ging vermieden.
Unvergessen ist Wieandts Auftritt vom vergangenen Herbst bei einer Bankenveranstaltung in Frankfurt. «Alle meine Ausführungen sind meine persönliche Meinung und nicht die eines Vertreters der Deutschen Bank», liess er, eskortiert von einem Pressesprecher der Bank, die gespannten Zuhörer zu Beginn seines Vortrags wissen. Doch dann kam nichts. Der schüchterne Redner flüchtete sich in Oberflächliches und Allgemeinplätze. Kritischen Fragen wich er ängstlich aus.
Ein Verkäufer agiert anders – charismatischer, mit mehr Mut zum Risiko. Doch im Kern muss Wieandt wohl auch gar nicht verkaufen. «Er ist sehr gut vernetzt», sagt ein CS-Manager in Frankfurt. «Man stellt ihn als Türöffner ein.»
Und Kontakte hat er reichlich. Bei McKinsey verantwortete der Vater zweier Kinder mehrere Bankenmandate. Zudem entstammt Wieandt einer Bankiersfamilie. Sein 2007 verstorbener Vater Paul hatte sich als Chef der Schmidt-Bank und der Landesbank Rheinland-Pfalz den Ruf eines Sanierers erworben. Seine Schwester Dorothee ist Partnerin bei Goldman Sachs und Gattin von Commerzbank-Vorsteher Martin Blessing. Im Investment Banking, wo Firmen hin- und hergeschoben werden, können solche Verbindungen sehr hilfreich und erfolgversprechend sein.
Erfolge kann die CS in Deutschland gut gebrauchen. Denn die Entwicklung der Deals ist rückläufig. Nach 13 Transaktionen mit einem Volumen von 23,9 Milliarden Dollar im Jahr 2009 ging die Zahl der Abschlüsse laut dem Finanzinformationsdienstleister Thomson-Reuters im letzten Jahr auf 11 zurück. Das Volumen betrug noch 14,6 Milliarden Dollar. Damit rangiert die Grossbank nur auf Rang sieben unter den Investmentbanken. Und auch im laufenden Jahr verpasst die Credit Suisse den Sprung in die obersten fünf.
Bei der Credit Suisse hält man freilich nichts von dieser Rangliste, sondern verlässt sich auf die angekündigten Transaktionen. Da liegen die Schweizer auf den vordersten Plätzen. «Wir sind 2011 bei allen wichtigen Transaktionen dabei und nutzen dieses positive Momentum, um das Team gezielt zu verstärken», sagt ein Sprecher.
Erzrivale UBS ging bereits denselben Weg und hat vor kurzem einen Netzwerker eingekauft. Der frühere hessische Ministerpräsident und jetzige Konzernchef des Bauriesen Bilfinger Berger, Roland Koch, zieht neu als Verwaltungsratspräsident von UBS Deutschland hinter den Kulissen die Fäden. Da muss die CS mithalten. Zumindest auf dem Papier ist Wieandt ein solch grosser Name. Immerhin hat Wieandt viel Erfahrung mit Deals. Nach seiner Tätigkeit für McKinsey arbeitete er zwar nur kurz für die Investmentbank Morgan Stanley in London als Berater für Unternehmenskäufe und Übernahmen. Bei der Deutschen Bank holte er auf. Vom Jahr 2003 an wurde ihm die Leitung der Konzernentwicklung übertragen. Reihenweise musste er Industriebeteiligungen der Bank an Firmen wie Continental, Heidelzement und Münchener Rück versilbern.
Ein nicht so enges Verhältnis
«Darin war er am besten», sagt einer seiner Weggefährten. Auf der Suche nach geeigneten Nachwuchskräften aus dem Banking schrieben ihn die deutschen Medien immer weiter nach oben. Sogar als möglicher Nachfolger von Joe Ackermann wurde er gehandelt – in der Presse zumindest. In der Bank heisst es: «Da war nie auch nur ein Funken Wahrheit dran.»
Vermutlich wurde auch an anderer Stelle übertrieben. Das angeblich so enge Verhältnis zu seinem Chef war nicht so eng. Zwar packte dieser Wieandt ein Rückfahrticket in die Tasche, als der in die mit dreistelligen Milliardenrisiken vollgepumpte Hypo Real Estate entsandt wurde. Doch der frischgebackene Chef des Kriseninstituts warf nach nicht einmal zwei Jahren überstürzt den Job hin – einen Tag vor der Bilanzpressekonferenz. Auf einen Teil seiner schon nach einem Jahr gültigen Rentenansprüche in sechsstelliger Höhe verzichtete er nach öffentlichem Druck.
Im Juni 2010 kehrte Wieandt zur Deutschen Bank zurück, aber nicht, weil man ihn dort brauchte. Ackermann hatte eben Wort gehalten. Allerdings war sein früherer Job längst besetzt. Und lukrative Alternativen wollte und konnte man ihm nicht bieten. Der vom Erfolg verwöhnte Wieandt steckte in einer Sackgasse fest. «Er wurde geparkt», heisst es in der Bank. Offiziell freilich sei er als Integrationsbeauftragter für die jüngsten Zukäufe tätig gewesen. Die Deutsche Bank hatte zuletzt neben der Postbank auch die Privatbank Sal. Oppenheim und deren Mitgift BHF-Bank, die weiterverkauft werden sollte, erworben.
Doch der BHF-Verkauf ist längst gescheitert, die übrigen Aufgaben weitgehend erledigt. Wieandt galt zuletzt als kaltgestellt. Nur so ist es zu erklären, dass er bereits zum 1. Juli in die Dienste der CS wechselt. Monatelange Wettbewerbssperren sind in Arbeitsverträgen von exponierten Bankmanagern normalerweise die Regel. Auch wenn sich die Deutsche Bank nicht dazu äussert: Der Honorarprofessor der deutschen Elitehochschule WHU schien schon lange ohne wirkliches Mandat zu sein.
In der Deutschen Bank vermisst ihn kaum jemand. Wieandt sei «einfach zu spröde und mit nur geringer sozialer Kompetenz ausgestattet, wie ein Musterschüler eben», erzählt ein Insider.
Sein Wechsel zur Credit Suisse ist zwar ein Abstieg, aber nachvollziehbar. Attraktive Alternativen sind rar in Deutschland. Im Kapitalmarktgeschäft sind die Deutsche Bank und Goldman Sachs spitze. Die Landesbanken kämpfen seit der zurückliegenden Finanzkrise um ihre Existenz. Die HypoVereinsbank wurde schon vor Jahren an die italienische Unicredit verkauft. Und die Dresdner Bank, stets die Nummer zwei nach der Deutschen, ging an die Commerzbank. Letztere kann keine Alternative für Wieandt sein. Sein Schwager ist dort Bankchef – und der Verdacht auf Vetternwirtschaft würde naheliegen.