Zürcher stiess im Frühjahr 2007 als Chefökonom und Mitglied der Geschäftsleitung zum Thinktank Avenir Suisse. Zuvor war er während acht Jahren beim Bund tätig; zuerst als Chef Arbeitsmarktpolitik im Staatssekretariat für Wirtschaft (1999–2002) und später als Wirtschaftspolitischer Berater von drei Bundesräten im Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement (2002–2007). Zürcher hat von 1990 bis 1995 an der Uni Bern Wirtschaftswissenschaften und Soziologie studiert; 1999 promovierte er zum Dr. rer. pol. 2006 hat er am Insead in Fontainebleau und Singapur das International Executive Program absolviert. Er tritt die Nachfolge von Urs Müller an, der am 1. März 2012 das Amt als Präsident des Kantonalbankenverbandes übernimmt.
Sie wechseln vom Thinktank Avenir Suisse zu BAK Basel Economics. Ist die Arbeit an den BAK-Prognosen «handfester» als an den Avenir-Suisse-Zukunftsstrategien?
Boris Zürcher: Ich hoffe, meine Arbeit bei Avenir Suisse war genauso wenig Wolkenschieberei wie es jene bei der BAK sein wird. Ich sehe vor allem Ähnlichkeiten, mit der Ausnahme vielleicht, dass Konjunkturprognosen auf einen kürzeren Zeithorizont fokussieren als die Arbeit bei einem Thinktank.
Sie arbeiten künftig in Basel – kehren Sie der Wirtschaftsmetropole Zürich den Rücken?
Keineswegs. Ich erweitere vielmehr meinen Aktionsradius.
Wir wollen Ihrer künftigen Arbeit zwar nicht vorgreifen, möchten aber dennoch wissen: Wie bewältigt die Schweiz wirtschaftlich das Jahr 2012?
Wenn wir uns auf unsere traditionellen Stärken besinnen, wird die Schweiz das Jahr 2012 gut bestehen. Sie muss die wirtschaftliche und gesellschaftliche Offenheit bewahren und gleichzeitig den Ausspruch von Niklaus von der Flüe beherzigen, nämlich den Zaun nicht zu weit machen und so das Konfliktpotenzial minimieren. Das gilt aktuell besonders hinsichtlich der Probleme unserer Banken mit der US-Justiz.
Was ist man als BAK-Direktor in Bezug auf die Wirtschaftsaussichten für die nächsten zwölf Monate? Optimist? Oder doch eher Pessimist?
Weder noch, man muss Realist sein. Das laufende Jahr dürfte wirtschaftlich eher medioker werden.
Aber das Bauchgefühl hat in Ihrem Job keinen Platz ...
Doch, natürlich, es geht nicht ohne! Dabei hat mich mein Bauchgefühl noch selten getäuscht.
Wie sind Sie zum neuen Job gekommen?
Der Verwaltungsrat der BAK hat mich kontaktiert. Nach wenigen Gesprächen hat sich alles sehr schnell ergeben.
Wie wichtig ist Ihnen persönlich Geld?
Es verschafft gewisse Freiheiten und ist deshalb nicht ganz unwichtig.
Was langweilt Sie?
Plattitüden und Klischees.
Welches Buch hat Sie beeindruckt?
Jüngst die Biographie Jonathan Steinbergs über Otto von Bismarck. Er schuf Deutschland, hat es aber nie wirklich regiert, weil über ihm stets der Kaiser thronte. Er führte drei Kriege, war aber militärisch nur rudimentär ausgebildet. Er schrieb brillante Reden, war aber im Vortrag schüchtern und mied das grosse Publikum. Eine zutiefst widersprüchliche und wahrscheinlich deshalb so interessante Persönlichkeit.
Was stimmt Sie traurig?
Unabänderliches, Unwiederbringliches und Nichtwiedergutzumachendes.
Welche Fähigkeiten besässen Sie gerne?
Ich würde gerne ein Musikinstrument spielen können.
Was ist Ihre Lieblingsbeschäftigung ausserhalb der Arbeit?
Mit meiner Familie auf Reisen gehen, und sei es auch nur auf den Berg hinter unserem Haus.
Was würden Sie gerne erfinden?
Den Beamer aus Star Trek – nach dem Motto: Beam me up, Scotty. Sie wissen, was ich meine.
Wie wohnen Sie?
In der Stadt auf dem Land in einem kleinen Haus mit grossem Garten.
Was für ein Auto fahren Sie?
Einen edlen Daimler-Jaguar, als Occasion erstanden.
Wie lautet Ihr Alltagsmotto?
Leben und leben lassen.
Was ist Ihre grösste Sorge?
Dass unseren Kindern etwas zustossen könnte.
Männer stehen heute häufig am Herd: Können Sie kochen?
Nicht wirklich. Zum Überleben würde es reichen, aber eine Freude wäre es nicht. Als Ökonom weiss ich daher die Vorteile der Arbeitsteilung und Spezialisierung durchaus zu schätzen.
Welchen kulinarischen Genüssen können Sie nicht widerstehen?
Einem saftigen Braten oder einem Côte de Bœuf, begleitet von Kartoffelgratin.
Welchen Traum wollen Sie sich irgendwann einmal erfüllen?
Wünsche und Bedürfnisse kann man erfüllen. Träume sind dazu da, geträumt zu werden.
Steckbrief
Name: Boris Zürcher
Geboren: 4. Januar 1964
Zivilstand: Verheiratet, zwei Kinder im Vorschulalter
Wohnort: Köniz bei Bern
Ausbildung: Lehre als Maschinenzeichner, auf dem 2. Bildungsweg Matur und später Studium der Volkswirtschaft und der Soziologie
Bisherige Funktion: 2007 bis 30. April 2012 Leiter Wirtschaftspolitik und Mitglied GL Avenir Suisse, Zürich
Neue Funktion: Direktor und Chefökonom der BAK Basel Economics AG, Basel