Selbstständige arbeiten oft viel, können aber ihre Zeit frei einteilen. Angestellte machen seltener Überstunden, sind dafür zugleich weniger flexibel. Diese Zweiteilung im Schweizer Arbeitsmarkt gerät ins Wanken, neue Arbeitsformen werden wichtiger. Das hat Folgen: Zahlen der Fachhochschule Nordwestschweiz zeigen, dass Beschäftigte in neuen Jobs höheren Belastungen ausgesetzt sind.

Grundsätzlich sind die Arbeitsbedingungen in der Schweiz gut, auch im internationalen Vergleich. Schweizer Arbeitnehmer arbeiten in hohem Masse autonom und können für ihre Gesundheit Sorge tragen, wie die europäische Erhebung über Arbeitsbedingungen belegt, die vergangene Woche präsentiert wurde. Doch der Arbeitsmarkt in der Schweiz verändert sich, vor allem durch die Digitalisierung. Das bedeutet neue Jobs, neue Berufe und eine neuartige Zusammenarbeit von Mensch und Maschine (siehe Video unten).

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Uberisierung des Arbeitsmarktes

Dabei entstehen neue Formen der Selbstständigkeit, die zunehmend wichtiger werden. Bei der UBS und Credit Suisse kommt laut Bericht der «NZZ am Sonntag» vom März bereits auf knapp jeden zweiten Mitarbeiter ein sogenannter Contractor, ein Mitarbeiter, der auf Projektbasis angeheuert wurde. Das Interessante dabei: Die neuen Zeitarbeiter übernehmen nicht mehr nur Hilfsarbeiten, sondern zentrale Tätigkeiten, die hohe Qualifikationen erfordern.

Gleichzeitig wächst die Zahl der «Gig Worker», der Selbstständigen, die für kurze Arbeitseinsätze pro Dienstleistung bezahlt werden. Ihre Zahl steigt vor allem durch digitale Vermittlungsplattformen – klassisch etwa der Uber-Fahrer. In der Schweiz fallen aber auch Selbstständige aus dem Gastro- und Service-Bereich, Pflegedienste, Berater in diese Kategorie.

Grosser Forschungsbedarf

Eine neue Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz zeigt, dass diese beiden Beschäftigungsgruppen – Contractor und Gig Worker – länger, weniger flexibel und unter grösserem Druck arbeiten. Mitautor Christoph Vogel sagt: «Bei atypischen Formen der Selbständigkeit gibt es Hinweise auf höhere Belastungen, sowohl gegenüber Angestellten als teilweise auch gegenüber typischen Selbstständigen.»

Allerdings sind die Erkenntnisse der Wissenschaftler als erste Einschätzungen zu werten. Vogel sagt: «Die Datenlage ist bisher noch dürftig und lässt keine zuverlässigen Aussagen zu. Der Forschungsbedarf ist gross.»

Weniger Flexibilität

So ist derzeit schwer einzuschätzen, wie viele Beschäftige in diese neuen Kategorien fallen. Für die Schweiz gibt es noch keine Zahlen. Eine McKinsey-Studie, auf die sich auch die «NZZ am Sonntag» berief, geht von 20 bis 30 Prozent der Arbeitenden in Europa und den USA aus. Umfragen aus Schweden und England wiederum zeigen, dass rund 3 Prozent der Befragten mehr als die Hälfte ihres Einkommens aus Gig Working generieren, Tendenz steigend. Die Autoren der Fachhochschule Nordwestschweiz halten sich an diese Zahlen.

Ihnen zufolge arbeiten Contractor und Gig Worker wöchentlich mehr als andere Selbstständige und müssen häufiger zehn Stunden am Tag arbeiten. Gleichzeitig geht aber ein Vorzug der Existenz als Selbstständiger verloren – weniger als die Hälfte der beiden Gruppen kann ihre Arbeitszeit frei einteilen. Contractor und Gig Worker sehen sich laut Umfrage häufiger mit einem hohen Arbeitstempo konfrontiert als andere Selbstständige.

Hier die Grafik in voller Grösse, Berechnung: Fachhochschule Nordwestschweiz.

Als Ergebnis sind vor allem zeitlich befristete Projektmitarbeiter häufiger unzufrieden mit ihrer Arbeit (rund 15 Prozent), jeder fünfte sieht die eigene Gesundheit oder Sicherheit wegen seiner Arbeit gefährdet. Bei den Gig Workern ist die Zufriedenheit etwas höher und auch die Gesundheitsbelastung wird durchschnittlich eingeschätzt. Offenbar gleichen hier andere Faktoren (interessante Arbeit) die Belastungen aus.

Unter dem Strich gehen die Studienautoren dennoch davon aus, dass Stress und Gesundheitsrisiken sowohl bei Contractoren als auch bei Gig Workern höher sind als bei anderen Selbstständigen. Für sie besteht der Bedarf, die neuen Jobs genauer zu erforschen und gegebenfalls gesundheitspolitisch darauf zu reagieren. 

Diese Jobs werden bald automatisiert: