Das Restaurant des Four Seasons an der 57. Strasse gleich beim Central Park in New York schenkt den Gästen zum eleganten Mittagessen einen Supertoskaner aus. Dieselben edlen Tropfen fliessen sonst als Hauswein in den eleganten Privatjets der Schweizer Fluggesellschaft Vistajet. Gründer Thomas Flohr hat allen Grund zum Feiern. Gerade bestellte er 56 neue Jets und eine Option auf 78 weitere beim kanadischen Flugzeugbauer Bombardier. Mit einem Orderwert von 7,8 Milliarden Dollar ist es der grösste in der Geschichte der Geschäftsfliegerei.

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Die weltweite Wirtschaftsflaute existiert nicht in Flohrs Welt. Er setzt mit seinem Unternehmen – er ist der alleinige Besitzer – mehr als 300 Millionen Dollar um. Der Umsatz wächst seit 2010 jährlich um mehr als 20 Prozent. Und von Anfang an schrieb Vistajet schwarze Zahlen. «Ich liebe es, die Welt in grossen Zusammenhängen zu sehen», sagt Flohr.

Flohr besticht durch seine Lässigkeit und seinen natürlichen Charme. Auf der Skala von Virgin-Atlantic-Chef Richard Branson zu Lufthansa-Chef Christoph Franz schlägt die Nadel ganz klar in Richtung des exzentrischen Selfmade-Milliardärs aus. «Thomas verfügt über eine sehr hohe emotionale Intelligenz», sagt Vistajet-Präsident Rob Hersov.

Dass er überhaupt für die Fluggesellschaft mit Sitz in Baar arbeitet, spricht Bände über Flors Überzeugungskraft. Eigentlich leitete der Südafrikaner die Expansion von Warren Buffett’s Privatflugzeugfirma Netjets in Europa. Er ärgerte sich dabei masslos über Flohr, der ihm als Erzkonkurrent einen Kunden nach dem anderen abjagte. Bis eine gemeinsame Freundin die beiden zum Mittagessen zusammenbrachte – nach fünf Stunden war klar, dass Hersov in Zukunft für Flohr arbeiten würde.

Genau auf dieses Abenteuer vorbereitet

Eher zufällig wurde der 52-jährige Schweizer Privatjet-Tycoon. Denn eigentlich ist Flohr ein zurückgezogener Typ, der die Natur geniesst. Wenn er nicht eben durch die Welt jettet, um neue Kunden zu gewinnen, verbringt der Sohn einer deutschen Mutter und eines Schweizer Vaters seine Zeit gerne in seinem Haus in der Nähe von Baar und in der Natur.

Dazu will sein Beruf in der globalen Welt der Superreichen nicht so recht passen. Im August sprach Flohr im Kongo beim Premierminister Augustin Matata Ponyo vor, zurzeit befindet er sich auf einer Reise um die Welt mit zwölf Zwischenhalten – darunter so exotische Ziele wie Ulan Bator, Almaty oder Wladiwostok.

Schaut man jedoch näher hin, wirkt es, als ob Flohr sich sein Leben lang genau auf dieses Abenteuer vorbereitet hätte. Als Volkswirt – er studierte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München – leuchtete ihm der Aufstieg der grossen Schwellenländer Brasilien, Russland, China und Indien mit allen Konsequenzen für die Weltwirtschaft früher ein als vielen anderen. Flohr wechselte in die Finanzbranche, verdiente sich dort 20 Jahre lang die Sporen ab und verdiente nebenher das Startkapital für Vistajet. Als Top-Manager der amerikanischen Informatikfirma Comdisco genoss er den Zugang zu Firmenjets – so sehr, dass er zielstrebig darauf hinarbeitete, sich selbst einen kaufen zu können.

Zwar kümmerte Flohr sich in der Vergangenheit um die Finanzierung von Computeranlagen für Büros, doch funktioniert das Einmaleins bei Privatjets ganz genau so. Durch seine Exfrau Katharina, die zunächst die russische Ausgabe des Modemagazins «Vogue» gründete und inzwischen Marketingchefin von Fabergé ist, gewann er eine Eintrittskarte zu den neureichen Zirkeln in Russland. Und durch seine Tochter Nina, die er als alleinerziehender Vater aufzog und später auf ein elitäres britisches Internat schickte, bekam er Zugang zum alten Adel.

Der Zugang zum Jetset

«Mir geht es nicht um elitären Firlefanz, um Jetset und Hollywood», sagt Flohr, «ich biete Effizienz.» Dass an Bord seiner Jets Kissen und Decken aus Kaschmir bereitliegen, persönliche iPads mit dem Unterhaltungsprogramm ausgeteilt werden und der flauschige Teppich schokoladenfarben mit weissen Tupfen ist, schadet natürlich nicht. Die Schwanzflossen der silbernen Jets lässt er von Graffiti-Künstlern verzieren. «Es macht mir Spass, den bestmöglichen Service überall auf der Welt hinzubringen», sagt Flohr.

Mit seinen Jeans und seinem halblangen, gewellten Surferhaar nahm Bombardier Flohr erst gar nicht ernst, als der Schweizer Unternehmer sich 2003 seinen ersten privaten Jet aussuchte. Doch hinter seinem legeren, fröhlichen Auftreten verbirgt sich der Stratege. Für das einst milliardenschwere Bürotechnologieunternehmen Comdisco baute er nach dem Studium von Zug aus das Leasinggeschäft in Europa auf und verantwortete diesen Geschäftsbereich später weltweit.

Als der Firmengründer mitten im Dotcom-Boom an Darmkrebs verstirbt und sein Sohn das Unternehmen erbt, kommt es zum Eklat. Flohr sträubt sich gegen dessen waghalsige Expansionspolitik und kündigt im Jahr 2000. 18 Monate später ist das Unternehmen pleite – und Flohr kann dank der Erlöse seines rechtzeitig verkauften 1,5-prozentigen Aktienpakets die von ihm aufgebaute Sparte zurückkaufen.

Endlich ist der Zeitpunkt da, an dem er sich sein erstes Privatflugzeug leisten kann. Sein persönlicher Jet soll nicht wie alle anderen aussehen, deshalb lässt Flohr ihn silbern anstreichen – und schickt ihn gleich zurück in den Hangar, um noch einen dynamischen roten Strich dazumalen zu lassen, als das zu langweilig wirkt. Auch im Interieur spart er nicht. Wie viele Jetbesitzer vermietet er die Maschine, wenn er sie nicht nutzt, und im Handumdrehen ist sie ausgebucht. Flohr kaufte eine zweite Maschine. «Ich hatte damals wenig Zeit, also liess ich sie gleich anmalen und ausstatten wie die erste – und wieder war sie im Handumdrehen vermietet», erinnert sich Flohr. Das war 2003. Da dämmerte ihm die Geschäftsidee.

40'000 Euro für den Flug von London nach Moskau

Heute besitzt seine Vistajet mit Holdingsitz in Baar ZG und operativem Zentrum in Salzburg eine Flotte von mehr als 50 Fliegern, bald werden es 60 sein. «Reiche sind extrem markentreu, und im Jetverleih-Geschäft gab es nur kleine regionale Anbieter», so Flohr, «eine Marktlücke.» Obwohl er finanziell eigentlich schon ausgesorgt hatte, setzte er alles auf seine Idee. «Thomas nahm extrem viel Risiko», sagt Hersov. Und gewann. 2004 startete er Vistajet.

Zu Flohrs Geschäftsidee gehört nicht nur das stundenweise Vermieten der Privatjets an seine Kunden, sondern auch, dass er seine Flugzeuge noch vor dem Auslaufen der Garantiezeit von Bombardier weiterverkauft. «Es gibt kein anderes Anlagegut, das sich im Preis so gut hält wie ein Privatjet», sagt Flohr dazu. Weil nur so wenig Maschinen gebaut werden und die Nachfrage hoch ist, gilt der Zweitmarkt für Jets als extrem rege. Entsprechend ersetzen die bei Bombardier neu georderten Jets zunächst einmal diejenigen, die er nach dem Auslaufen der Garantiezeit zu verkaufen plant.

Es lief freilich nicht immer so rund. Die Finanzkrise 2008 traf auch Flohrs Vistajet schwer. «Der 16. September, der Tag, an dem Lehman Brothers pleiteging, war wie ein Weckruf. Dass so etwas möglich wäre, hätte ich nicht gedacht», so der umtriebige Unternehmer. Einige Kunden können sich ihre laufenden Verträge nicht mehr leisten, er lässt sie ohne grosses Aufhebens ziehen. Diese Flexibilität zahlt sich heute aus: «Diese Kunden sind inzwischen wieder zurück, und sie sind extrem loyal», ergänzt Hersov. Schon 2009 wächst Vistajet wieder: Seine Kunden müssen verstärkt fliegen, um mit Gewerkschaften, Investoren und Angestellten zu verhandeln.

Flohrs Kunden können es sich leisten, 40'000 Euro auf den Tisch zu legen, um von London nach Moskau zu fliegen. Die Spezialität von Vistajet sind aber Flüge in ganz entlegene Ziele. Seine Klientel sind Geschäftsleute, die an der weltweiten Jagd nach Rohstoffen teilnehmen. Flohrs jetzige Flotte von 50 Jets landete 2012 bislang etwa auf 136 afrikanischen Flughäfen.

Direktflug von Nigeria nach Sibirien

Eine typische Reise bringt einen Geschäftsmann direkt von Nigeria nach Sibirien – eine Reise, die mit Linienflugzeugen Tage dauert. Inzwischen hat Vistajet seine Beziehungen und sein Know-how in Afrika so gut ausgebaut, dass sogar amerikanische Grosskonzerne mit eigener Flugzeugflotte ihre Flüge nach Afrika an Vistajet outsourcen. Das Geschäftsvolumen soll sich bis 2015 denn auch verdoppeln.

Heute schätzt das Magazin «Bilanz» Flohrs Vermögen auf 700 bis 800 Millionen Franken. Noch heute gehört ihm neben Vistajet Comprendium, das Finanzunternehmen, welches er inzwischen aber von Managern führen lässt.

Auch wenn Flohr wegen seiner vielen Jahre bei Comdisco geschäftlich fliessender auf Englisch als auf Deutsch parliert und er sich oft in London aufhält oder gleich in exotische Länder reist, ist für ihn der Lebensmittelpunkt noch immer die Schweiz: «Ich lebe in Zug, ich arbeite in Zug und dort hat meine Firma auch ihren Rechtssitz. Ich mag es schlicht.»

 

Geschäftsfliegerei: Schweiz in Europa eine Macht

Branche
Unter Business Aviation oder Geschäftsfliegerei versteht man gewerbsmässige Personenflüge, die nicht Linien- oder Charterflüge sind.Mit über 200 immatrikulierten Geschäftsflugzeugen – meist unter 20 Sitzplätze – liegt die Schweiz in Europa an dritter Stelle. Gemessen an den Flugbewegungen und Passagieren rangiert sie auf dem fünften Platz.

Anbieter
Hierzulande tummeln sich rund zwei Dutzend Unternehmen, die Geschäftsflugzeuge besitzen und vermieten. Zu den Firmen mit den meisten Maschinen – nicht alle in der Schweiz registriert – gehören laut der «Bilanz»: Netjets Europe (150+), TAG Aviation (130+), Vistajet (50+), Amac Aerospace (15), Privat Air (13), Execujet Europe (12), Premium Jet (11), Jet Aviation (10), Cat Aviation (6), Swiss Jet (4), Jet-Link (3). (ncb)