Herausforderungen mag ich», sagt Mirjana Blume und lächelt. Was bei den meisten männlichen Kollegen in ihrer Position floskelhaft daherkommt, tönt aus dem Munde dieser Frau authentisch. Überhaupt wirkt die 34-jährige Betriebsökonomin mit MBA der Uni St. Gallen im Gespräch glaubwürdig und echt, und man nimmt es ihr auch ab, wenn sie sagt, dass sie bislang in ihrer Karriere nichts wirklich geplant habe. Auch nicht diesen CEO-Job beim börsenkotierten Solarstromunternehmen Edisun Power Europe AG.
Im vergangenen März übernahm sie ihn, nachdem sich Edisun-Mitgründer Robert Kröni überraschend aus dem Unternehmen zurückgezogen hatte, um etwas Eigenes aufzubauen. Nach intensiver Evaluation schlug der Verwaltungsrat danach die bisherige Finanzchefin Blume für dessen Nachfolge vor. «Es gab für mich damals beide Optionen. Ich hätte mir auch gut vorstellen können, weiterhin als CFO unter einem von extern kommenden CEO zu arbeiten.» Doch die neue Aufgabe habe sie dann doch zu sehr gereizt, um Nein sagen zu können, resümiert Mirjana Blume. Sie hat den Schritt seither nicht bereut.
Stifti in einem Zürichsee-Hotel
Ganz am Anfang von Mirjana Blumes Weg in die Arbeitswelt stand die kaufmännische Lehre im Hotel Erlibacherhof in Erlenbach am Zürichsee. Dorthin pendelte die Tochter eines Schlossers und einer Hausfrau während der Stifti von Rapperswil SG aus. Geblieben ist ihre Liebe für schöne Hotels bis heute. «Ich finde die Hotellerie noch immer faszinierend», sagt sie.
Noch während der kaufmännischen Lehre entdeckte sie auch ihre Freude an Wirtschaft und Zahlen, wozu zu grossen Teilen ein Berufsschullehrer beitrug, dem sie kurzerhand versprach, später Wirtschaft zu studieren. «Als mein Lehrer noch während meiner Lehre starb, fühlte ich mich fast verpflichtet zum Studium», erzählt Blume. Parallell dazu verdiente sie stets ihr Geld und lernte mit Doppelbelastungen wie selbstverständlich umzugehen.
Nach dem Studium stiess sie zunächst zu PricewaterhouseCoopers, wo sie als Steuerberaterin Einblicke in verschiedene Branchen erhielt. Beruflich besonders geprägt haben sie später die sechs Jahre bei MediService. Blume gehörte zum Managementteam, das den Turnaround erfolgreich umsetzte. Darauf folgten zwei Jahre bei Novartis Schweiz in Bern, wo sie als Finanzchefin und stellvertretende Leiterin der Onkologie tätig war.
Als Investorin zu Edison
Zum Solarstrom-Unternehmen Edisun Power fand Mirjana Blume zunächst als Investorin. «Ich war überzeugt vom Potenzial und von der Idee, mit einem kleinen Personalbestand diese Nische zu bearbeiten», sagt Blume über ihren damaligen Investment-Entscheid. Als dann die Pläne für ein IPO konkret wurden, suchte sie den Kontakt zu CEO Robert Kröni.
Ab Anfang 2008 bereitete sie gemeinsam mit ihm den Börsengang vor und zog ihn danach zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt in der letzten Septemberwoche 2008 durch. Es war der absolute Tiefpunkt der Aktienmärkte.
Kein Wunder, musste sich das Unternehmen mit 18,4 Mio Fr. frischem Kapital begnügen statt der erwarteten 50 bis 70 Mio Fr. Seither haben sich die Aktien nach einem zwischenzeitlichen Taucher gut gehalten, und im letzten August legte Edisun Power eine neue Anleihe über 30 Mio Fr. auf, um weitere Projekte alimentieren zu können.
Das Geschäft von Edisun Power läuft seither rund für Blume und ihr Team, das inzwischen auf zwölf Personen angewachsen ist - vier davon in der Tochtergesellschaft in Frankreich. Daneben verfolgt das Unternehmen Projekte in Deutschland, Spanien und im Heimmarkt Schweiz. In der Evaluationsphase befinden sich Anlagen in Tschechien und Italien.
Die Branche ist von der Krise kaum betroffen. Im Gegenteil: Die Preise für die Module sind im Vergleich zum letzten Jahr um fast 30% gesunken, und die staatliche Förderung der Solarenergie steht in vielen Ländern erst am Anfang.
Das Unternehmen hat sich stark gewandelt im Vergleich zu damals vor elf Jahren, als Edisun auf dem Dach des Technoparks Zürich das erste Solarmodul montiert hatte. Heute verfügt man mit einem Fonds der Sarasin-Gruppe auch über einen institutionellen Investor und hat, wie die gesamte Branche, stark professionalisiert. «Vom Druck der Börse sind wir eher verschont. Unser Geschäft ist nicht auf Kurzfristigkeit ausgerichtet. Wir rechnen in Zyklen von 20 bis 25 Jahren und das gesteht man uns auch zu», schildert Blume ihre diesbezüglich komfortable Lage als CEO.
Neuer CFO geht schon wieder
Im August startete an der Zürcher Universitätsstrasse, wo das Unternehmen inzwischen in einer unscheinbaren Altbauliegenschaft domiziliert ist, mit Marc T. Ledergerber von Barry Callebaut ein neuer CFO. Letzte Woche wurde bekannt, dass dieser das Unternehmen im Mai 2010 schon wieder verlässt. Die Gründe sind unklar. Von «auf eigenen Wunsch» und «unterschiedlicher Sicht über die Weiterentwicklung des Unternehmens» ist - wie so oft - die Rede, und auch Blume will oder kann nicht mehr dazu sagen. «Der Verwaltungsrat und ich sind daran, die Nachfolge zu lösen», meint sie nur.
Es soll vermieden werden, dass sie wieder selbst die CFO- und die CEO-Funktion parallel zu erledigen hat, wie sie es bereits während ihrer Schwangerschaft während eines halben Jahres getan hat, bevor dann Anfang Oktober ihr erstes Kind - Tochter Lynn Sophie - zur Welt kam. Die frischgebackene Mutter pausierte vier Wochen, bevor sie ins Büro zurückkehrte.
3-Säulen-Modell für die Familie
Jetzt hat sich die Familie «passend zur Schweiz nach einem 3-Säulen-Modell organisiert», wie Blume schmunzelnd erzählt. Will heissen: Unter der Woche wird das Kind während dreier Tage von einem Au-pair-Mädchen betreut, einen Tag arbeite die Mutter daheim und einen weiteren Tag ist Blumes Ehemann - ein Psychologe - zuhause. «Es ist wirklich eine Frage der Organisation», findet Blume. Sie habe immer mehrere Herausforderungen gleichzeitig gehabt. Jetzt sei es eben das Kind neben der Arbeit, meint sie und bemerkt ganz nebenbei, dass sie in der vorigen Nacht gerade mal drei Stunden geschlafen habe.
So verlangt sie auch von ihren Mitarbeitenden einiges. «Sie müssen dynamisch und offen sein, sehr flexibel und mit Herzblut dabei. Schwierig wird es, wenn jemand gegenüber dem Unternehmen nicht loyal oder gegenüber mir oder dem Team falsch ist.» Als Chefin sei es ihr wichtig, die Leute einzubeziehen und nicht über deren Köpfe hinweg zu entscheiden. «Mein Führungsstil kann als partizipativ bezeichnet werden», sagt Blume.
Warum nicht mehr junge Mütter bereit sind, sich beruflich so stark zu engagieren, hat für Blume auch damit zu tun, dass die meisten in keinem Bereich zurück- stecken wollen oder können. «Man kann nicht alles zu 100% machen. Wenn einem der Beruf und die Familie wichtig sind, kommt die Freizeit zu kurz.» Mit der Familie ist sie gerne in der Natur, fährt Velo oder wandert und würde eigentlich auch gerne mehr ins Theater oder in Konzerte gehen. Zeit dafür bleibt im Moment nicht.
Und was bringt die Zukunft, Frau Blume? «Momentan macht es mir sehr viel Spass hier. Ich möchte mit diesem Team diese spannende Firma vorwärtsbringen. Und später? - Wer weiss, vielleicht ein eigenes Hotel. Warum nicht ein Ökohotel?», fragt sie zurück. Zumindest wäre der Kreis so wieder geschlossen.