Die Bahnhofstrasse in Zürich hat sich zum Sonnenbad gelegt. Kurz sind die Röcke, die Glatzen rot. Tapfer verrichtet der schwer dekorierte Portier seinen Dienst in der Mittagshitze. Schatten spendet das Entree. «Willkommen bei uns, willkommen im St.Gotthard», sagt – nein – flüstert vielmehr Alexander Manz, macht kehrtum und entfernt sich genauso, wie er aufgetaucht ist: Auf leisen Sohlen.

Zwei Minuten später ist er wieder da. In doppelter Ausführung sozusagen. Denn wer im Viersternehaus anklopft, um mit Alexander Manz ein Interview zu führen, der führt letztlich auch mit Michael Manz ein Interview. Einer ohne den anderen? Das ist noch nie gegangen. Das geht nicht. Das wird, hat man das Gefühl, auch nie gehen: Die Zwillinge gestalten ihr Leben seit 28 Jahren so weit als möglich gemeinsam.

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Gemeinsam führen sie seit zwei Jahren nun auch die Geschicke der Manz Privacy Hotels AG, zu der neben dem St. Gotthard auch das Euler in Basel und das Continental in Lausanne gehören. Beste Häuser an bester Lage, auf deren Gästeliste die Namen der Schönen, der Reichen und der Wichtigen dieser Welt stehen.

Ein Name, der verpflichtet

Manz! Da war doch was? Zeitgenossen, die mit der Schweizer Hotelbranche vertraut sind oder regelmässig die Spalten der Klatschpresse konsultieren, dürfte der Name durchaus geläufig sein. Für alle anderen hier ein kurzer Exkurs durchs Familienbüchlein: Vater Caspar E., ein Urgestein der Zürcher Hotellerie, Mutter Ljuba, Unternehmerin, Wohltäterin, ehedem Primaballerina, gleichermassen anzutreffen auf dem Läufer der Hotellobby wie auf dem roten Teppich des Jet Set. Kennen gelernt haben sich die beiden 1973, als Ljuba in ihrer Funktion als Chefin eines Basler Delikatessenhandels mit dem damals 50-jährigen Witwer Caspar ins Geschäft zu kommen gedachte.

Die gebürtige Russin mit Wiener Charme erobert nebst einem Lieferauftrag für exklusive Austern auch gleich das Herz des Hotelpatrons – 1974 wurde geheiratet, 1980 erblickten die Zwillinge das Licht der Welt. Alexander zehn Minuten vor Michael. Vielleicht liegt darin der Grund, dass meist Alexander es ist, der das Wort als erster ergreift, der den Faden aufnimmt, den Michael dann weiterspinnt – das Schlusswort allerdings liegt dann wieder bei Alexander.

Humor und Verlässlichkeit

Die beiden schmunzeln. All diese Klischees: Zwillinge! Sie führen den Gast vorbei an Küche und Keller in einen Sitzungssaal. Der Kellner nimmt die Bestellung auf. Tee für Alexander, Fruchtdrink für Michael. Voilà! Natürlich gibt es Unterschiede. Um sie gleich abzuhaken: Alexander, sagt Michael, sei der diszipliniertere und wiege 2 kg weniger als er. Und Michael sehe schlechter, frotzelt Alexander. Sie spielen das Spiel, das jedes Zwillingspaar zur Genüge kennt, mit höflichem Engagement mit.

Höflichkeit, Etikette: Etwas, das ihnen nicht abzusprechen ist. Aufgewachsen im Aargau, in Italien, am Zürichberg. Beste Kreise. Wohlbehütet, gefordert, gefördert. Von der Mutter vor allem in musischen Belangen. Worin sie sich überhaupt nicht unterscheiden? Kurze Denkpause. «Humor und Verlässlichkeit», klingt es dann im Duett, «das sind zwei Tugenden, die wir am anderen jeweils sehr schätzen.» Gehe es ums Geschäft, geniesse Einigkeit höchste Priorität. «Wir führen das Unternehmen gemeinsam, wir sprechen mit einer Stimme – ein bisschen wie der Bundesrat», lacht Alexander.

In der Familienholding, die nach wie vor von der Mutter präsidiert wird, ist er, der Erstgeborene, zuständig für das Marketing, für die Botschaften. Der Jüngere kümmert sich um die Finanzen, die Zahlen. Entsprechend könne er sich Gesichter und Namen mehr schlecht als recht merken, gesteht Michael Manz freimütig; etwas, das ihn deutlich vom Bruder unterscheide. Der, für den die korrekte Anrede zum grundlegenden Rüstzeug eines guten Gastgebers gehört, achtet penibel darauf, keinen Namen falsch auszusprechen oder – hochnotpeinlich – ihn gar zu vergessen.

Entgegen kommt ihm dabei die Tatsache, dass er genauso wie sein Bruder in sechs Sprachen zu parlieren weiss. Und wird er einem Menschen zum ersten Mal vorgestellt, so wiederholt Alexander Manz dessen Namen samt Titel laut und deutlich. «Ein Trick, damit er sich in meinem Kopf festsetzt und jederzeit abrufbereit bleibt – probieren sie es am besten selber aus.»

Gehirnjogging während des Tagesgeschäfts. Rund 300 Stammgäste zählt allein das St.Gotthard. Hinzu kommen die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die von ihm auf dem allmorgendlichen Rundgang persönlich und mit Vornamen begrüsst werden. Ansonsten halten sich die beiden Manz-Brüder, soweit es geht, im Hintergrund des Geschehens. Denn von grossen Auftritten halten die 28-Jährigen nicht wirklich viel.

Das wiederum unterscheidet sie deutlich von ihrer parketterprobten Mutter Ljuba. Michael Manz lächelt. «Ach, wissen Sie, uns ist es ganz recht, wenn unsere Mutter weiterhin möglichst viele der öffentlichen Termine wahrnimmt.»

Was indes nicht heissen soll, dass das kultiviert und äusserst bescheiden auftretende Gespann nicht weiss, was es heisst, im Rampenlicht zu stehen. Ganz im Gegenteil: Alexander und Michael waren in jungen Jahren auf dem besten Wege, die grossen Bühnen dieser Welt zu erobern. Als Pianisten Sascha und Mischa interpretierten sie bereits mit 14 Jahren Bach, Haydn, Mozart, Rachmaninoff, Prokofief oder Rimsky-Korsakov, dass es den alten Hasen den Atem verschlug und die Jurys zahlreicher internationaler Wettbewerbe zu den Höchstnoten griffen.

Piano statt Fussball

Wunderkinder? Die beiden schütteln unisono die Köpfe. Übung macht den Meister – «um gut Klavier zu spielen, das sagte schon Goethe, braucht es 10% Begabung. Der Rest ist Fleiss, nichts als Fleiss». Äusserst eng war in der Kindheit denn das Korsett der Zeit geschnürt. Nebst der Schule und den täglich mindestens vier Stunden am Piano blieb nicht sehr viel Zeit für anderes. Schon gar nicht für Sport, Fussball etwa: «Zu gefährlich, die Hände hätten ja Schaden nehmen können», erinnern sich die beiden.

Ihre Konzerte führten die Manz-Twins nach Miami, New York, Moskau und in die Zürcher Tonhalle. Mit 16 stand für die beiden fest, Profimusiker zu werden, mit 23 schlossen sie ihr Studium mit dem Konzertdiplom ab. «Musik füllt einen unglaublich wichtigen Teil unseres Lebens aus», bemerkt Alexander ‹Sascha› Manz, «sie ist eine sehr gute Lebensschule.» «Musik hat sehr viel mit Disziplin und Pflicht zu tun», betont Michael ‹Mischa› Manz, «aber man darf es nie als solche erachten.»

Aufgeben, kapitulieren? Im Repertoire der beiden Manz-Brüder sind dies Fremdworte. «Bevor ein Stück nicht perfekt eingeübt war, sind wir nie vom Klavier aufgestanden», sagt Alexander Manz, «das ist etwas, das uns unsere Lehrer und Eltern mit auf den Weg gegeben haben.»

Insofern entspreche der Entschluss, in die Fussstapfen des Vaters und der Mutter zu treten, einer logischen Überlegung – einem Mass an Respekt, den es der Arbeit der Vorfahren zu zollen gelte. «Für uns war immer klar, dass wir wohl einmal die Führung des Familienunternehmens übernehmen würden. Deshalb haben wir auch ganz bewusst das MBA gemacht», führt Michael Manz aus. Und Alexander schiebt nach: «Einer Herausforderung aus dem Weg zu gehen, ohne sie zu bewältigen nicht mindestens probiert zu haben, das entspricht einfach nicht unserem Charakter.»