Stefan Mühlemann ist ein umtriebiger Unternehmer. Einst hat der 46-Jährige Devisen für die UBS gehandelt, als sie noch das Warburg im Namen trug. Später stand er für seinen eigenen Lieferdienst in Basel hinterm Herd und liess Wohnungen in London durch Schweizer Spezialisten renovieren. Sein nächstes Projekt: Stadtverwaltungen zu helfen, leichter an Kredit zu kommen.

Mit seinem Fintech Loanboox hat er Gemeinden und anderen öffentlichen Schuldnern aus der Schweiz und Deutschland bereits Kredite über 6 Milliarden Franken vermittelt. Auf der Internet-Plattform der Firma bekommen sie die Möglichkeit, Kreditanfragen zu stellen. Banken und institutionelle Investoren wie etwa Versicherungen können sich als Darlehensgeber anbieten. Werden sich beide Seiten einig, schliessen sie über die Plattform miteinander einen Vertrag ab.

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«Bisher wurden Kreditanfragen im Volumen von mehr als 14 Milliarden Franken gestellt, fast die Hälfte davon auch realisiert», sagt der CEO und Gründer.

Viertel der Geldgeber sind Banken

Inzwischen drängen auch traditionelle Finanzdienstleister auf den Markt für digitale Kommunalkredite. So hat sich in Deutschland die Landesbank Hessen-Thüringen gemeinsam mit der Finanzberatung Lucht Probst Associates (LPA) die Plattform Komuno gegründet. Und die Schweizer Vontobel steht hinter dem Portal Cosmofunding. Beide Angebote sind diese Woche gestartet.

Loanboox ist seit zwei Jahren in der Schweiz aktiv, seit neun Monaten in Deutschland. In den nächsten Wochen soll es in Österreich und Frankreich losgehen. Gleichzeitig wächst die Produktpalette. Ab Herbst werden in der Schweiz Anleihen in Eigenemission möglich sein.

Städte und Gemeinden werden mit der Aussicht gelockt, bessere Konditionen zu bekommen als auf dem üblichen Wege, Kredite zu beantragen. Mühlemann: «Die Beschaffungskosten der Finanzierungen sind bei uns bis zu 90 Prozent niedriger.» Statt beispielsweise mehrere Banken anzurufen und sich Angebote einzuholen, könnten die Gläubiger sämtliche Prozesse auf der Plattform per Mausklick und in kürzester Zeit abwickeln.

Auch wenn Mühlemann mit seinen Angeboten typische Erlösquellen von Banken beschneidet, sieht er sein Unternehmen nicht als deren Konkurrent: «Bei einem Viertel der Kreditgeber, die auf der Plattform aktiv sind, handelt es sich immerhin um Banken.»

Beträge zwischen 10 Millionen und 60 Millionen Franken

Bei Loanboox haben sich inzwischen 800 Kreditnehmer und 300 Kreditgeber angemeldet, rund 180 beziehungsweise 70 davon in der Bundesrepublik. «Mit dem Start in Deutschland sind wir sehr zufrieden«, erklärt Mühlemann. «Die Finanzierungsfragen entwickeln sich ähnlich wie damals zum Anfang in der Schweiz. Allerdings dauert es in Deutschland etwas länger, bis sich Kapitalgeber anmelden.»

Seit fast einem Jahr nutzt Winterthur die Plattform «regelmässig für kurzfristige Finanzierungen von Beträgen zwischen 10 Millionen und 60 Millionen Franken neben anderen Finanzierungskanälen», sagt Martin Pöhland, Leiter der Finanzbuchhaltung. «In über drei von vier Fällen realisierten wir die besten Angebote über Loanboox

Während für Deutschland zehn lokale Mitarbeiter in Köln angestellt wurden, kooperiert Loanboox in Österreich mit dem Portal Kommunalnet, hinter dem unter anderem der Österreichische Gemeindebund steht. «Da der Markt vergleichsweise klein ist, haben wir hier einen anderen Ansatz gewählt. Ansprechpartner für die Gemeinden ist Kommunalnet», sagte Mühlemann.

Geld verdient Loanboox, indem es den Kapitalsuchenden eine Gebühr von 0,01 Prozent des Kreditbetrags in Rechnung stellt. Für Darlehensgeber ist das Angebot kostenlos. Die Bonität der Parteien prüft Loanboox nicht. Entsprechende Dienste lassen sich auf der Plattform über Drittanbieter hinzukaufen.

Momentan läuft die Series-B-Finanzierungsrunde, um die europäische Expansion zu finanzieren. «Das Interesse ist gross. Die Runde entwickelt sich gut», sagt Mühlemann. Derzeit halten die Gründer knapp 80 Prozent der Anteile. Auch nach der Runde wollen sie Mehrheitseigner sein.

Das Breakeven ist für 2021 geplant. «Sollten wir uns entscheiden, auch auf andere Kontinente zu gehen, wird sich das entsprechend nach hinten verschieben», sagte Mühlemann. «Doch wir dürfen uns natürlich auch nicht überheben.»

(bloomberg/me)