Er liebt das politische Spiel, die Analyse und die Macht. Er liebt es, dabei zu sein in Bundesbern. Und mittendrin zu stehen. Deshalb hat Gerhard Pfister auch zugeschlagen, als das CVP-Präsidium frei wurde – und alle anderen potenziellen Kandidaten abwinkten, weil viele von ihnen hofften, den Sitz von Doris Leuthard zu erben, sollte sie vor Ende Legislatur aus dem Bundesrat zurücktreten.
Der 55-Jährige müsste in diesem Fall zuschauen, hat er doch versprochen, die Partei als Präsident in die Wahlen 2019 zu führen. Mit seinem sozial-konservativen Kurs will er schaffen, was den Vorgängern nicht geglückt ist: wieder Wähleranteile zu gewinnen. Dabei zielt er vor allem auf ehemalige Stammlande.
Pfister redet, analysiert, argumentiert
Politbeobachter glauben nicht mehr an die CVP, da die Partei eine kantonale Wahl nach der anderen verliert. Doch Pfister kämpft. Das attestieren ihm Parteifreunde wie politische Gegner. Er redet, analysiert, argumentiert. Und manchmal teilt er einfach nur aus, unvermittelt und unverblümt – und verheddert sich auf Twitter in Widersprüche, aus denen er kaum mehr herauskommt.
Aber vielleicht gehört auch das zum «CVP-Element», das der frühere Avenir-Suisse-Lenker Thomas Held jüngst in der «Zeit» als «Schmiermittel» bezeichnet hat, das die Schweiz vorwärtsgebracht habe.
Die Mitstreiter
Es sind eine Handvoll Leute in der CVP-Familie, die für Gerhard Pfister als Gesprächspartner wichtig sind: Bundesrätin Doris Leuthard gehört dazu, aber auch Bundeskanzler Walter Thurnherr, dessen analytische Fähigkeiten er schätzt. Und dann sind da natürlich noch Fraktionschef Filippo Lombardi, Vizepräsident Martin Candinas oder sein Sitznachbar im Nationalrat, Daniel Fässler. Auf die Initiative von Pfister hin gründete der Nationalrat Stefan Müller-Altermatt die Christlichsoziale Vereinigung als Sammelbecken für die linkeren Parteimitglieder.
Pfisters Wegbereiter im Parlament waren die früheren Ständeräte Carlo Schmid, Franz Wicki,Philipp Stähelin und Hansheiri Inderkum. Im Nationalrat standen ihm Norbert Hochreutener, Arthur Loepfe und Reto Wehrli nahe. Einen freundschaftlichen Austausch pflegt Pfister mit dem früheren CVP-Justizminister Arnold Koller, dem Ex-Swiss-Präsidenten Bruno Gehrig und dem HSG-Professor Franz Jaeger. Gut versteht er sich auch mit dem früheren Holcim- und Lonza-Präsidenten Rolf Soiron, der einst für die CVP im Grossen Rat von Basel sass.
Pfister tauscht sich regelmässig mit den Wirtschaftsverbandsspitzen aus, mit Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer etwa, Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt oder dem Bankiervereinigungs-Chef Claude-Alain Margelisch. Als Parteipräsident wird Pfister auch von der Rive-Reine-Konferenz eingeladen, die Nestlé-Präsident Paul Bulcke in Vevey organisiert. Und dem Vernehmen nach gehört er zudem zu den Gästen bei den von UBS-Präsident Axel Weber veranstalteten Kamingesprächen.
Die Gegenspieler
Mit SP-Chef Christian Levrat, ebenfalls ein Katholik, führt Pfister engagierte Debatten über Religion, Identität und Werte. Mit anderen Politikern streitet er um profanere Dinge: Mit FDP-Nationalrat Kurt Fluri etwa über die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative, mit Bundesrat Johann Schneider-Ammann um Waffenexporte oder die Frage, ob die Schweiz tatenlos zusehen solle, wie chinesische Staatsfirmen hierzulande Unternehmen aufkaufen. Die meisten Länder schritten ein, hielt Pfister via Twitter fest. «Nur die Schweizer Regierung bleibt naiv liberal.» Das ist nett ausgedrückt, denn er kann auf Twitter auch anders: Das musste jüngst SP-Nationalrat Carlo Sommaruga erleben, den Pfister als «Heuchler», «Kommunisten-Fan» und «Antisemiten» abkanzelte.
Pfister macht mit Kritik auch vor der eigenen Partei nicht halt: So kritisiert er etwa den SRG-Präsidenten Jean-Michel Cina für die Pläne, das Radiostudio Bern nach Zürich zu verlegen. Im Gegenzug muss auch er einstecken: Die Nationalrätin Barbara Schmid-Federer liess die Schweiz bei ihrem Rücktritt wissen, dass ihr der neue Pfister-CVP-Kurs «das politische Leben erschwert» habe. Und Ex-CVP-Generalsekretär Raymond Loretan wirft Pfister vor, die CVP um 50 Jahre zurückzuwerfen. Allerdings ist Loretan Vizepräsident der Privatklinikgruppe Aevis Victoria, deren Profite durch die CVP-Initiative für eine Gesundheitskostenbremse geschmälert werden könnten.
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