Das Schweizer Rentensystem basiert auf dem Drei-Säulen-Prinzip. Während die erste Säule (AHV) der Existenzsicherung dient, soll die zweite Säule (BVG) den Erhalt des Lebensstandards während der  Pensionierung sicherstellen. Mittels der freiwilligen dritten Säule kann jeder für sich sparen und so seine Rente verbessern. In der zweiten Säule wird das ersparte Alterskapital mittels Umwandlungssatz bei der Pensionierung in eine Rente umgewandelt. Alternativ kann der Rentner in der Regel das angesparte Kapital als Ganzes beziehen und auf eine Rente verzichten.

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In den letzten Jahren sind die Umwandlungssätze stark unter Druck geraten. Deshalb stellen sich angehende Rentner und Rentnerinnen vermehrt die Frage, ob ein Kapitalbezug nicht sinnvoller wäre. So würden diese eine höhere Flexibilität geniessen und von einer vergünstigten Einmalbesteuerung des bezogenen Kapitals profitieren. Zusätzlich könnten sie, im Falle eines frühen Ablebens, den Nachkommen eine Erbschaft hinterlassen. Jedoch dürfen die Risiken, welche mit einem Kapitalbezug verbunden sind, nicht ausser Acht gelassen werden.

Luca Diener ist Inhaber von Diener Financial Consulting sowie unabhängiges Verwaltungsratsmitglied, Claude Diderich ist Experte für Geschäftsmodellinnovation, Strategieentwicklung und digitale  Transformation.

In den folgenden Ausführungen beleuchten wir einige Aspekte, die beim Kapitalbezug zu prüfen sind:

  • Steuern: Beim Bezug des Alterskapital fällt eine einmalige Kapitalleistungssteuer an. Die Erträge aus Anla gen unterliegen der Einkommenssteuer und das bezogene Vorsorgekapital der Vermögenssteuer.
  • Anlagekosten: Vernachlässigt werden oft Bankkosten, welche im Zusammenhang mit der Anlage anfallen. Die meisten Rentner und Rentnerinnen werden die Hilfe von Banken, Vermögensverwaltern, oder Versicherungen beanspruchen. Solche Kosten belaufen sich gut und gerne auf 0,75 bis 1 Prozent pro Jahr und und reduzieren das Ertragspotential erheblich.
  • Unsicherheit an den Finanzmärkten: Während in einer traditionellen Finanzplanung mit fixen erwarteten Renditen gerechnet wird,  sind die Renditen an den Finanzmärkten unsicher und können als eine Zufallszahl betrachtet werden.
  • Lebenserwartung und Langlebigkeitsrisiko: Schliesslich gilt es auch die Lebenserwartung richtig einzuschätzen. Mit sogenannten Generationentafeln kann für jeden Jahrgang die typische Lebenserwartung projiziert werden. So kommt die Lebenserwartung von heute 65-Jährigen auf rund 22 Jahre zu stehen. 

Fehlplanungen respektive Fehleinschätzungen finden dann statt, wenn eine oder mehrere der obigen Aspekte vernachlässigt oder fehlerhaft berücksichtigt werden.

Anhand eines einfachen Beispiels beleuchten wir die Faktoren Lebenserwartung und Schwankungen an den Finanzmärkten. Nehmen wir einen unverheirateten 65-jährigen Mann mit einem Alterskapital von 1 Million Franken an. Die Pensionskasse rechnet mit einem Umwandlungssatz von 5 Prozent. Die resultierende Rente über 50'000 Franken unterliegt der Einkommenssteuer, was dann netto rund 42'500 Franken bedeutet.

Wie vergleicht sich dazu ein Kapitalbezug respektive Eigenrente? Dafür ziehen wir folgende Kriterien für eine Beurteilung heran: Die zu erwirtschaftende Eigenrente soll für die erwartete Lebensdauer ausbezahlt werden können - dies auch bei einer ungünstigen Marktentwicklung. 

Bei einer angenommenen Kapitalleistungssteuer von 8,8 Prozent würden von der Million rund 912'000 Franken verbleiben. Das Kapital würde in Anlagen mit einer erwarteten Rendite von 1,7 Prozent pro Jahr investiert. Nach Steuern auf den Erträgen und dem Vermögen (rund 0,15 Prozent) sowie Bankkosten (rund 0,75 Prozent) würden (ernüchternde) 0,8 Prozent pro Jahr verbleiben. Mittels einer Monte-Carlo-Simulation errechnen wir für die unterschiedliche Szenarien «Günstig», «Normal» und «Ungünstig», welche Eigenrente über welche Laufzeit erwirtschaftet  werden könnte (siehe Tabelle unten).

In einem günstigen respektive normalen Szenario könnte eine Eigenrente nach Steuern von 42'500 Franken während 27,3 respektive 23,4 Jahren bezogen werden. Allerdings wäre bei ungünstiger Entwicklung der Renditen das Kapital bereits nach rund 20,3 Jahren aufgebraucht. Eigentlich sollte die Eigenrente, also das Kapital, noch fünf Jahre länger, also 27 Jahre halten.  

Wann das Kapital beziehen und wann nicht?

Wie die Auswertung zeigt, ist ein Kapitalbezug dann sinnvoll, wenn von einer statistischen Lebenserwartung von 22 Jahren ausgegangen wird und die Entwicklung an den Finanzmärkten stabil bis positiv eingeschätzt wird. Alleinstehende benötigen die in den Umwandlungssätzen von Pensionskassen eingerechnete Witwenrente nicht, weshalb sich eine Prüfung lohnt. Wer neben dem bezogenen Alterskapital noch weiteres Vermögen besitzt, kann zudem höhere Anlagerisiken eingehen und so die Rendite der Anlagen bei gleichzeitig unterdurchschnittlich wachsendem Risiko steigern. 

Abstand von einem Kapitalbezug sollten Ehepaare mit grossem Altersunterschied und beschränkten Mitteln in der dritten Säule nehmen, denn die kumulierten Langlebigkeitsrisiken werden in der Pensionskasse besser aufgefangen - und die Renditen sind garantiert.