Schlechte Nachrichten für die Bitcoin-Gemeinde: Die US-Bank JP Morgan sieht den Bitcoin aktuell über seinem Wert – und dies, obschon der Kurs der Kryptowährung in den letzten Wochen massiv nach unten gerutscht ist.
Die Experten und Expertinnen von JP Morgan taxieren den «fairen Wert» von Bitcoin bei rund 38’000 Dollar – das sind umgerechnet rund 35’000 Franken und knapp 12 Prozent weniger, als derzeit dafür gezahlt wird. Die Berechnung beruht erstens auf einem Vergleich mit dem Goldpreis und zweitens auf der Volatilität.
Der «faire Wert» ist ein gängiger Begriff aus der Rechnungslegung. Für den Bitcoin gibt es aber noch keine Regeln, wie der Wert genau berechnet werden kann. In den Bilanzen der Unternehmen werden deshalb häufig unterschiedliche Angaben gemacht.
Beispiel Tesla: Am Montag gab das Unternehmen ein Update zum Bitcoin-Bestand in den Büchern. Per Ende 2021 hielt das Unternehmen Bitcoin im Marktwert von 1,99 Milliarden Dollar in der virtuellen Kasse. In der Bilanz standen sie aber nur mit 1,26 Milliarden Dollar, weil die Vorschriften zur Rechnungslegung verlangen, dass stets der niedrigste Kurs seit dem Kauf entscheidend ist.
«Die Kernfrage: Wann ergeben alle Bitcoins zusammen gleich viel wie die Summe, die via ETF, Barren und Münzen in Gold angelegt ist?»
Die JP-Morgan-Strategen und -Strateginnen gehen bei ihrer Ermittlung des eigentlichen Bitcoin-Wertes nun erstens davon aus, wie gross der Betrag sein müsste, damit die Marktkapitalisierung der Kunst-«Währung» gleich gross wäre wie jene beim Gold. Oder genauer: Wann ergeben alle Bitcoins zusammen gleich viel wie die Summe, die via ETF, Barren und Münzen in Gold angelegt ist?
Antwort: Dann, wenn ein einzelner Bitcoin etwa 150’000 Dollar kostet. Hier zeichnet sich also ein theoretisches Maximum ab, spiegelt sich ein ferner Idealfall, bei dem die neue Währung irgendeinmal mit der alten Basisanlage Gold gleichziehen würde.
Dann aber muss heruntergerechnet werden. Die Analystinnen und Analysten von JP Morgan berücksichtigen weiter, dass der Bitcoin viel volatiler ist als das Edelmetall, was bedeutet: Er ist auch riskanter. Und je riskanter eine Anlage, desto tiefer der relative Wert.
Derzeit schwankt der Bitcoin-Kurs etwa viermal heftiger als der Goldpreis; kalkuliert man nun ein positives Szenario, in dem sich der Unterschied in der Volatilität auf das Dreifache verringert, dann stiege der faire Wert auf 50’000 Dollar. So die Schätzung.
«Die grösste Herausforderung für den Bitcoin in der Zukunft ist seine Volatilität und sind die Boom- und Bust-Zyklen, die eine weitere institutionelle Akzeptanz behindern», schreiben die Strateginnen und Strategen. Als langfristiges, theoretisches Fernziel für den Bitcoin nennt die Bank den erwähnten Wert von 150’000 Dollar – gegenüber den 146’000 Dollar von vor einem Jahr.
Unterm Strich sind das also doch keine so schlechten Nachrichten für die Kryptogemeinde. Kommt dazu: Die Expertinnen und Experten von JP Morgan relativieren auch gleich die Preiskorrektur vom Januar: Im letzten Mai sei die Situation deutlich schlimmer gewesen, anschliessend sei der Bitcoin auf einen neuen Höchststand geklettert.
Bis es zu einem neuerlichen Rekord kommt, dürfte es aber noch dauern. Kennzahlen wie offene Futures-Positionen und die Reserven an den Börsen würden auf einen «länger andauernden und besorgniserregenderen Trend zum Abbau von Positionen» hindeuten.
Die Analogie zum Gold ist die meistverwendete Analogie zur Berechnung des fairen Bitcoin-Werts – kurz- wie langfristig. Die US-Bank Goldman Sachs kommt mit dem Verweis auf die Methode ebenfalls auf sechsstellige Werte in der Zukunft, sofern Investoren und Investorinnen den Bitcoin als digitales Gold akzeptieren.
Das Problem ist nur, dass sich die Kryptowährung seit einiger Zeit nicht mehr antizyklisch verhält – wie das Gold. Sie schwankt vielmehr analog zum Gesamtmarkt und hat den Status als Fluchtpunkt verloren.
Ein alternatives Narrativ macht den Bitcoin zur Web-3.0-Münze. Die Idee dahinter: Kryptoprodukte sind mehr als nur eine Währung. Sie sind die Grundlage, auf der ein neues, funktionaleres Internet gebaut wird. In diesem Fall ist der Bitcoin – oder die bessere Alternativen dazu – eine Rakete, die sogar noch die Prognosen von JP Morgan und Goldman Sachs überschiessen dürfte.
Auf rund 140 Terawattstunden (TWh) schätzt die Universität Cambridge den Strom, den das Bitcoin-Mining weltweit jährlich frisst. Das ist rund doppelt so viel, wie die gesamte Schweiz in einem Jahr an Strom verbraucht. Im Mining müssen mit riesiger Rechenleistung Bitcoin-Transaktionen elektronisch überprüft werden. Als Belohnung lockt der Anreiz, das Bitcoin-Buch fortzuschreiben – mit neuen Bitcoins.
Angesichts des Preises eines einzigen Coin von mehreren zehntausend Dollar kann das eine sehr lukrative Sache sein. Liessen die Bitcoin-Pioniere früher auch mal selber den Computer für ein paar Tage rattern, geschieht das Mining heute vermehrt hochprofessionell und in eigentlichen Mining-Farmen mit riesigen Serveranlagen.
Im Sinne der Gewinnmaximierung suchen Schürfer oft jenen Ort, an dem das Mining zu tiefen Kosten vonstattengehen kann. Bereits sind rund zwei Drittel der weltweiten Bitcoin-Rechenleistung in China beheimatet und dort oft in Regionen, die auf billigen Kohlestrom setzen. Manchmal geht das Business auch auf Kosten der lokalen Bevölkerung: Im Iran sorgten stromhungrige Bitcoin-Farmen auch schon für Stromausfälle in Teheran.
In Zeiten der Klimadebatte steht Bitcoin zunehmend schräg in der Landschaft. Auch Tesla-Gründer Elon Musk, der Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptieren wollte, musste zurückkrebsen.
4 Kommentare
Was ist ein "van Gogh" Wert? Das ist genau die selbe Frage und es gibt auch genau die gleiche Antwort darauf: Das was jemand dafür bereit ist zu zahlen!
Bitcoin kann man nicht essen, nicht tanken. Der Wert des Bitcoins ist ähnlich des Golds der Glauben das andere glauben das dieser wertvoll ist.
Der Glaube an Gold ist seit Jahrtausenden weltweit verbreitet. Der Glaube an Bitcoin ist ein paar Jahre alt.
Bitcoin werden gerne von Menschen gekauft die einen Wertspeicher suchen von dem nur sie selbst wissen. Das sind Menschen in Staaten ohne Rechtsstaat, von Scheidung bedrohte, usw.
Deshalb wird der Bitcoin von vielen Staaten kritischer und kritischer gesehen. Ich wäre nicht erstaunt wenn Staaten wie China den Bitcoin verbieten und den Besitz intensiv verfolgen.
Insofern ist es durchaus möglich das der Bitcoin und dessen Wert wieder verschwindet oder an Bedeutung verliert.
Der Chart "Bitcoin-Kurs seit Dezember 2021: Ein Desaster" ist komplett unfair und billig auf Desaster gemacht. Der Kurs heute ist 20% höher. Ein akkurater Chart hätte die eigentliche Aussage der Untersuchung von JP Morgan gestützt: "Die grösste Herausforderung für Bitcoin in der Zukunft ist seine Volatilität und die Boom- und Bust-Zyklen, die eine weitere institutionelle Akzeptanz behindern"
Aber man hat den Eindruck, es ging hier mehr darum, Kryptowährungen in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen.
Wenn sie nicht, wie alle anderen auch "bitcoin-bashing" betreiben würden, hätten sie auch einen Langzeitchart präsentieren können. Sagen wir mal nur die letzten 2 Jahre ;-)