Jeremy Grantham erregte zuletzt mit der von ihm postulierten «Superblase» bei den US-Aktien viel Aufmerksamkeit. Jetzt will er eine noch alarmierendere Botschaft verbreiten. 

Die «Goldilocks»-Phase der letzten 25 Jahre gehe zu Ende, und die Welt müsse sich auf eine Zukunft mit Inflation, langsamerem Wachstum und Arbeitskräftemangel vorbereiten, sagte der bekannte Value-Investor in einem «Bloomberg»-Interview.

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«Es gibt nur eine bestimmte Menge an billigem Öl, billigem Nickel, billigem Kupfer, und wir beginnen, an einige dieser Grenzen zu stossen», sagte Grantham, Mitbegründer des Bostoner Vermögensverwalters GMO. «Der Klimawandel bringt schwere Überschwemmungen, Dürren und höhere Temperaturen mit sich – all das macht die Landwirtschaft nicht einfacher. Wir werden also in einer Welt leben, in der es überall zu Engpässen, Verknappungen und Preisspitzen kommen wird.»

Negative Trends sind kaum aufzuhalten

Der 83-jährige Grantham besteht darauf, dass dies alles unvermeidlich sei, denn neben der Rohstoffknappheit gehen die Babyboomer in den Ruhestand, die Geburtenraten sinken, die Schwellenländer werden reifer und die geopolitischen Spannungen nehmen zu – alles Trends, die seit Jahrzehnten bestehen und kaum aufzuhalten sind.

Letzte Woche beschrieb Grantham die seiner Meinung nach vierte Superblase in der Geschichte der USA, wiederholte, dass ein Crash unmittelbar bevorstehe, und riet, sich ganz aus US-Aktien zurückzuziehen. Er prognostizierte einen Rückgang des S&P 500 um fast 50 Prozent und sagte, dass keine noch so grosse Intervention der Federal Reserve dies verhindern könne.

Tatsächlich waren die Märkte in den letzten Tagen sehr volatil.

Menschheit hat den Bogen überspannt

Grantham vertritt die Ansicht, dass die Exzesse – und die Kosten – der Superblase symptomatisch für die Tendenz der Menschheit sind, über ihre Verhältnisse zu leben: Die Nachfrage nach leicht verdientem Geld, die die Preise für Vermögenswerte in die Höhe trieb und damit die Ungleichheit verschärfte, fordere nun ihren Tribut in Form von wirtschaftlichem Stress und gesellschaftlicher Fragmentierung.

Auch das Wachstum des vergangenen Jahrhunderts, das auf einen immer höheren Lebensstandard abzielte, hinterlasse ausgelaugte Böden, vergiftete Ökosysteme und ein sich wandelndes Klima, sagte er. Aus diesem Grund verschwinde die Tierwelt, die biologische Vielfalt sei gefährdet und die menschliche Reproduktionsrate sinke.

«Wir haben einfach die langfristige Kapazität des Planeten weit überschritten», sagte Grantham, der eine 1,5 Milliarden Dollar schwere Stiftung zum Schutz der Umwelt betreibt. «Die Natur beginnt zu versagen. Und wenn wir das nicht in Ordnung bringen, werden wir letztendlich auch versagen.»

Diese Ansichten dürften bei Granthams Umweltschützerkollegen und -kolleginnen auf offene Ohren stossen. Für seine Zweifler ist er dagegen zu ängstlich.

Die meiste Zeit des letzten Jahrzehnts war Grantham skeptisch gegenüber den Aktienbewertungen und lehnte den Enthusiasmus ab, der den Bullenmarkt begleitete. Nach seiner letzten Crash-Warnung listete ein Beitrag auf Twitter seine Warnungen vor dem Absturz auf, um anzudeuten, dass er oft falsch liege.

Vorsichtige Anlagen

Bei GMO, das rund 65 Milliarden Dollar verwaltet, war Value eine teure Strategie für die Kunden und Kundinnen. Laut Daten von «Bloomberg» hat nur einer der neun Aktienfonds des Unternehmens in den letzten fünf Jahren den MSCI World Index übertroffen.

Seit er vor einem Jahr erstmals einen Zusammenbruch der Aktienmärkte vorhersagte, hat sich Grantham auf das Schlimmste vorbereitet. Bei der Grantham Foundation, die Risikokapitalinvestitionen in allen Bereichen von erneuerbaren Energien bis zur Kohlenstoffabscheidung tätigt, hat er den Nasdaq-Composite- und den Russell-2000-Index als Absicherung geshortet.

Persönlich investierte er in die sogenannte Equity Dislocation Strategy von GMO, ein Vehikel, das ebenfalls Short-Positionen einsetzt, um von einer sich verringernden Bewertungslücke zwischen billigen und teuren Aktien zu profitieren.

Short-Positionen sind normalerweise nicht Teil von Granthams Strategie. Er sagte, er habe den Russell 2000 ins Visier genommen, weil dieser eine «hohe Dichte an unzuverlässigen Unternehmen aufweist, die kein Geld verdienen», und den Nasdaq, weil der ebenfalls viele unrentable Namen enthält.

Man wird lange warten müssen

Nicht zu verkaufen sei immer eine Option, so Grantham. Er wies jedoch darauf hin, dass diejenigen, die in der Vergangenheit an ihren Wertpapieren festgehalten haben, lange darauf warten mussten, ihre Verluste wieder auszugleichen: 25 Jahre im Falle des Dow Jones Industrial Average im Jahr 1929, fast 15 Jahre beim Nasdaq Composite im Jahr 2000 und fünfeinhalb Jahre beim S&P 500 im Jahr 2007.

«Wenn Sie glauben, dass Sie es zehn oder zwanzig oder sogar dreissig Jahre aushalten können, bitte sehr», sagte Grantham. «Aber die Geschichte zeigt, dass viele von Ihnen es nicht aushalten werden».

(bloomberg/gku)