Das Ausscheiden eines Chief Executive Officer unter dem Vorwurf des Greenwashing markiert einen Wendepunkt für die ESG-Branche. ESG steht für Environment, Social, Governance – solche Anlageprodukte sind in diesem Jahr auf mehr als 40 Billionen Dollar weltweit angewachsen.

Der Chef der DWS, Asoka Wöhrmann, trat zurück, nur Stunden nachdem die Polizei die Büros des Vermögensverwalters durchsucht hatte, um Beweise für irreführende Behauptungen über ökologische, soziale und Governance-Investitionen bei der Tochter der Deutschen Bank zu finden. Gegen die DWS wird in den USA und in Deutschland noch immer ermittelt.

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Schockwellen durch Vermögensverwalterbranche

«Dies ist ein historisches Ereignis», sagte Sasja Beslik, Chief Investment Officer bei NextGen ESG und Autor des Buches «Where the Money Tree Grows». Es wird «Schockwellen durch die Vermögensverwaltungsbranche schicken, die speziell auf das Senior Management abzielen, weil sie letztlich alles genehmigen».

Die Entwicklung bei der DWS ist das bisher überzeugendste Signal der europäischen Aufsichtsbehörden, dass sie aufgeblasene ESG-Angaben nicht länger tolerieren werden. Sie fällt auch mit Anzeichen für einen wachsenden Zynismus in Bezug auf die Rolle von ESG und die Art und Weise, wie damit hausieren gegangen wird, zusammen. Der Abgang von Wöhrmann, der einst als Star angesehen wurde, lässt Fondsmanager in ganz Europa darüber nachdenken, ob sie ebenfalls ins Fadenkreuz geraten könnten, so Beslik.

«Was bei der DWS passiert ist, wird die Vermögensverwalter dazu bringen, viel vorsichtiger mit den Dingen umzugehen, die sie sagen», sagte er. «Sie werden heute Morgen viele Diskussionen in den Besprechungsräumen der Vermögensverwalter sehen. Sie werden sich vergewissern wollen, dass sie ihre ESG-Aussagen auch tatsächlich untermauern können.»

Die Kosten für ESG-Investitionen steigen

«Der Rücktritt von DWS-CEO Asoka Wöhrmann nach einer Polizeirazzia, bei der die Aufblähung der ESG-Aussagen beziehungsweise das Greenwashing untersucht wurde, ist für alle Vermögensverwalter, die sich mit steigenden Kosten konfrontiert sehen und versucht sind, an allen Ecken und Enden zu sparen, von erheblichem Nachteil. Die Kosten für ESG-Investitionen steigen und werden von den Gewinn- und Verlustkonten der europäischen Vermögensverwalter und nicht von den Kunden getragen, im Gegensatz zu den Praktiken in den USA.»

Für viele Vermögensverwalter wird der Nachweis von ESG-Ansprüchen zu einem immer schwierigeren Unterfangen. Das liegt daran, dass einige europäische Aufsichtsbehörden die Qualität der Regeln, die die Branche befolgen muss, infrage stellen. Nach Ansicht der französischen Aufsichtsbehörde laden Lücken im ESG-Regelwerk der EU (Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzen: Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR) geradezu zum Greenwashing ein. 

Robert Ophèle, der Leiter der französischen Finanzaufsichtsbehörde, sagte, es gebe keine Garantie dafür, dass die SFDR tatsächlich zu nachhaltigen Anlageprodukten führe. Er verweist auf die beiden Hauptfondskategorien innerhalb der SFDR, die als Artikel 8 (hellgrün) und Artikel 9 (dunkelgrün) bekannt sind.   

ESG-Branche unter Druck

Die ESG-Branche sah sich in letzter Zeit Angriffen einer wachsenden Zahl von Gegnern ausgesetzt und selbst Insider beginnen, ihre Zweifel an Aspekten der boomenden Anlageform zu äussern. Die Fondssparte der HSBC hat kürzlich ihren eigenen Leiter für verantwortungsbewusstes Investieren suspendiert, nachdem er «Klima-Spinner» kritisiert hatte. In den USA ist ESG für die Republikaner ein Hauptfeind im Kulturkampf, während Elon Musk von Tesla ESG als «Betrug» bezeichnet hat.

Die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC hat in der vergangenen Woche Vorschriften erlassen, mit denen der Name eines Produkts und seine tatsächliche Strategie in Übereinstimmung gebracht werden sollen. Das könnte ausser ESG auch Tausende weiterer Fonds betreffen, die mit Etiketten wie «Value» oder «Growth», aber auch «Anleihen» oder «Schwellenländer» versehen sind. 

Mangel an klaren Regeln macht ESG-Branche nervös

«Wenn es um die Kategorisierung von Produkten geht, haben wir in der Tat ein Problem, weil die Produktkategorie nach Artikel 8 ein Sammelbegriff ist, was aber auch für Artikel 9 gilt», sagte Ophèle in einem Interview. «Das fördert das Greenwashing noch mehr.» Ophèle warnte davor, dass die nationalen Regulierungsbehörden die SFDR unterschiedlich auslegen, und vermutete, dass einige lokale Aufsichtsbehörden ESG-Ansprüche nicht ordnungsgemäss kontrollieren.

«Die SFDR sorgen nicht für eine Harmonisierung der europäischen Fondslandschaft», sagte Ophèle. «Und man kann durchaus sagen, dass jede zuständige nationale Behörde ihren eigenen Ansatz umsetzt, wenn überhaupt.»

Der Mangel an klaren Regeln macht die Vermögensverwalter umso nervöser. «Die Regulierungsbehörden versuchen, eine vage Beschreibung dessen zu entwerfen, was ein ESG-Produkt ausmacht», so Beslik. Ophèle sagte, es gebe jetzt ein klares Verständnis dafür, dass «die derzeitige Situation nicht haltbar ist».  

Die Vorsitzende der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, Verena Ross, räumte diese Woche ein, dass die SFDR «unvollständig und unvollkommen» seien. Im März gaben die europäischen Behörden weitere Leitlinien heraus und die Europäische Kommission erwägt Mindestanforderungen an die Nachhaltigkeit von Artikel-8-Fonds. Die SFDR «wurde von vielen als etwas zahnlos empfunden», sagte Beslik. Aber mit der DWS «haben die Regulierungsbehörden beschlossen, einen Präzedenzfall zu schaffen».

(tim/Bloomberg)