Sie beschreiben in Ihrem Buch «The World for Sale» das Geschäft der Rohstoffhändler. Herrscht in der Branche wegen des Ukraine-Kriegs eine Art Goldgräberstimmung?
Jeder im Rohstoffmarkt hat nun plötzlich eine gute Zeit, und zwar wegen der Preisschwankungen. Gehen die Preise stark hoch und runter, gibt es den Händlern in der Regel viele Möglichkeiten, Gewinne zu erzielen, wie jetzt, nachdem Russland in die Ukraine einmarschiert ist. Ausserdem sind viele Rohstoffhändler privat gehaltene Unternehmen, sie fliegen sozusagen unter dem Radar. Sie können manche russische Rohstoffe handeln, die andere Marktteilnehmer derzeit lieber nicht anfassen. Sie können sie statt nach Europa etwa nach China oder Indien verkaufen. Da viele russische Rohstoffe boykottiert werden, sind sie günstig zu haben. Man kauft sie ein, bestellt einen Frachter und schickt die Ware nach Asien. Rohstoffhändler haben in der Vergangenheit in vielen Konflikten eine wichtige Rolle gespielt. Und so machen sie es derzeit wieder.
Gemeinsam mit Ihrem Co-Autor Jack Farchy beschreiben Sie die Rolle des Chefs des Rohstoffhändlers Vitol, der während des Bürgerkriegs in Libyen in das Land flog und mit Rebellen Geschäfte machte. Rohstoffhändler können Krisen und Konflikte beeinflussen und dabei viel verdienen?
Rohstoffhändler haben stets eine besondere Rolle in der globalen Politik gespielt. Sie sagen zwar, dass sie unpolitisch seien, aber sie haben oftmals Machthabern in schwierigen Zeiten geholfen: Wenn es darum ging, Getreide aus den USA während des Kalten Kriegs in die Sowjetunion zu transportieren. Oder sie haben Fidel Castro geholfen, Geld zu verdienen, als er keine Freunde hatte. Sie waren involviert, als die Sowjetunion zusammenbrach, sie unterstützten Saddam Hussein, UN-Sanktionen zu umgehen. Sie waren für Südafrika aktiv, ebenso für libysche Rebellen. Manche Rohstoffhändler helfen Iran, sein Öl trotz US-Sanktionen zu verkaufen. Und andere sind dabei, russisches Öl, Gas, Weizen oder Aluminium zu handeln. Sie unterstützen die Geldflüsse an Wladimir Putin.