Am Jahresanfang schaut man gerne einmal wieder die Kontobilanzen an. Beim Blick auf den Habenzins fällt allen das gleiche auf: Es gibt extrem wenig. Ein Bankguthaben von beispielsweise 100'000 Franken ergibt einen Zins, von dem man sich maximal einen kleineren Lebensmitteleinkauf leisten könnte. Eher aber einen oder zwei Becher Take-Out-Kaffee am Bahnhof.
Es gibt noch Banken, die 0,1 Prozent Zins für ein Sparkonto geben. Die Tendenz geht aber in Richtung von 0,01 Prozent. Aber immerhin steht da noch ein Plus.
Denn es kann auch ganz anders sein. Kurz vor Weihnachten hat die viele Retailkunden zählende Postfinance mit dem Thema Negativzinsen für Sparer wieder von sich reden gemacht. Ab Februar gilt auch dort statt bisher die 250'000-Franken-Marke schon die 100'000er-Limite für jene, die nur Spar- und Zahlungskonten haben. Auch die Valiant-Banken kennen eine Limite von 100'000 Franken.
Schon vor gut einem Jahr, im Dezember 2019, sorgte die altehrwürdige Zürcher Kantonalbank (ZKB) gehörig für Schlagzeilen. Zumindest im Prinzip verhängte die grösste Kantonalbank in der Schweiz Negativzinsen. Zunächst war über eine 100'000-Franken-Grenze berichtet worden, welche die Bank abstritt respektive relativierte. Wie bei der UBS oder die Zuger Kantonalbank sind bei der ZKB Negativzinsen auf dem Konto möglich, werden aber mit den Kunden individuell ausgehandelt. Ein Sonderfall ist schon länger die Alternative Bank der Schweiz (ABS): Sie belegt sämtliche Konten mit -0,125 Prozent Zins, ab 50'000 werden -0,75 Prozent fällig.
Dass auch viele andere Banken einen Negativzins von -0,75 Prozent publizieren, kommt nicht von ungefähr. Seit sechs Jahren lässt die Schweizerische Nationalbank mittels ihrer Geldpolitik den Leitzins bei -0,75 einpendeln. Und dies hat sich über die Jahre mehr und mehr auf die Zinsen für private Konten ausgewirkt – eben nicht nur mit kaum noch Zins, sondern gar einen negativen.
Bei vielen Banken und Vermögensverwaltern gilt ein Negativzins indessen erst ab einer oder zwei Millionen Franken auf dem Konto. Viele Banken wenden ihren "Strafzins" auch nicht unbedingt strikt an: Manchmal gilt Kulanz gegenüber Kunden, die beim betreffenden Institut noch andere Geschäfte wie etwa Anlagen tätigen. Denn damit verdient die Bank wenigstens etwas an ihren Kunden.
Eine Tatsache bleibt allerdings bestehen: Die Liste der Banken mit Negativzinsen für Kunden ist über die vergangenen Jahre immer länger geworden. Negativzinsen drohen zum Normalfall zu werden, weil die Leit- und Marktzinsen kaum bald wieder steigen werden. Die Coronapandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen führen dazu, dass die Zentralbanken noch über Jahre mit sehr tiefen Zinsen hantieren werden. Es ist wahrscheinlich, dass noch mehr Schweizer Banken und Finanzdienstleister Negativzinsen auf Retailkonten einführen.
Was hilft: Geld aufteilen und sich beschweren
So ein Minuszins kann so schnell und unerwartet zum Thema für Sparerinnen und Sparer werden. Betroffen von der im Dezember angekündigten Absenkung der Postfinance-Negativzinsschwelle auf 100'000 Franken sind laut Postfinance-Mitteilung rund 14'000 Kundinnen und Kunden. Viele Kunden haben dem Geldinstitut der Post schon den Rücken gekehrt. Die Bank hatte bereits 2016 Negativzinsen eingeführt, diesen in der Zwischenzeit aber von -1 auf -0,75 Prozent reduziert.
Die ehemaligen Postfinance-Kunden haben das getan, was im Umgang mit Negativzinsen wohl am sinnvollsten ist, wenn man das Geld nicht beim gleichen Institut via Fonds oder andere Anlagen investieren will: Geld von der Bank abziehen oder in Beträgen, die unter den Negativzins-Limiten liegen, auf verschiedene Banken verteilen.
Wer ein neues Konto eröffnet, sollte aber immer auf die Zinsen, Gebühren und Konditionen achten. Einige Banken gewähren nur Minimaldienstleistungen und wollen beispielsweise die Zahl der Bezüge im Jahr limitieren. Andere Banken wiederum versuchen, den Kunden möglichst noch andere Leistungen als die reine Aufbewahrung von Spargeld schmackhaft zu machen.
Wer es wagt, sollte sich bei der Bank beschweren, wenn eine Negativzins-Abrechnung ankommt. Gemäss individuellen Erfahrungen hat dies Chancen auf Erfolg. Banken sind teils bereit, auf gutes Zureden hin – etwa, wenn man langjähriger Kunde ist – oder durch einen Hinweis auf Konsequenzen – mögliche Kontokündigung – auf den Minuszins zu verzichten.
Vorsorgen, anlegen, investieren
Schliesslich aber entgeht man den Negativzinsen am effizientesten, wenn das Vermögen nicht nur in Form von Sparkonto-Guthaben existiert. Geld in der sehr verbreiteten Vorsorgeform Säule 3a – seit 1. Januar können neu maximal 6883 Franken im Jahr einbezahlt werden – ist oft noch besser verzinst als auf Sparkonten. Sie bringen zudem eine Steuerersparnis. Und: Den Tabubruch, auf der Säule 3a Negativzinsen, hat bisher noch keine Bank oder Versicherung gewagt. Realistischerweise kann dies noch kommen, doch dann, auch 3a-Gelder können wie Bankguthaben zu anderen Finanzdienstleistern verschoben werden.
Unter bestimmten Umständen kann es sich auch lohnen, zusätzlich Geld in die Pensionskasse fliessen zu lassen. Auch Geld, das in Wohneigentum investiert ist, ist vor Negativzinsen sicher. Vor allem aber haben in den vergangenen Jahren all jene profitiert, die Wertpapiere besitzen, vor allem Aktien. Gerade weil die Zinsen so tief sind, haben die Börsenkurse stark zugelegt. So haben Aktien zwischen 2015 und 2019 real und auf das Jahr gerechnet 7,7 Prozent Rendite gebracht.
Bei Aktien, Anlageprodukten und Fonds-Strategien muss man aber unbedingt auf die Gebühren achten. Zu teure Anlagen knabbern nur an der Rendite. Auch die Risiken sollten ausgeglichen sein, denn mit Aktien kann auch man viel Geld verlieren. Wem Aktien zu riskant sind, kann Geld in Kassenobligationen anlegen: Für acht Jahre Laufzeit gibt es dort immer noch bis zu 0,8 Prozent Zins. Im positiven Sinne: Für 100'000 Franken, denen auf dem Sparkonto ein Negativzins droht, gibt es über die Laufzeit der "Kassenobli" 6400 Franken Rendite. Immerhin.
Schlussendlich gibt es noch die Lösung für die Bargeld-Liebhaber: Das Geld abheben und in Privatsafes bei Banken aufbewahren. Safes gibt es bei den Banken schon für unter 100 Franken Jahresgebühr. Dies ist mitunter ein Grund, weshalb sich Tausendernoten in der Schweiz derartiger Beliebtheit erfreuen.