Die jüngste Regulierungskampagne in China mit dem Ziel, den Wohlstand breiter zu verteilen, hat sich auf eine ganze Palette von Sektoren sehr negativ ausgewirkt, von der Technologiebranche über die Schönheitschirurgie bis hin zur Privatnachhilfe.
Kurzfristig sind einige weitere nachteilige Auswirkungen zu erwarten, wie etwa eine grössere Volatilität am Finanzmarkt und ein vorübergehend reduziertes wirtschaftliches Wachstum. Trotzdem sind wir der Meinung, dass sich diese politischen Veränderungen langfristig als positiv erweisen könnten, falls sie kompetent umgesetzt werden.
Zu den möglichen Vorteilen der neuen Massnahmen gehören ein angemessen reguliertes Marktumfeld, weniger Spekulationsaktivitäten und weniger regulatorische Schlupflöcher sowie ein inklusiveres und nachhaltigeres Wachstumsmodell.
Die weltweiten Sorgen um Wirtschaftseffizienz und die Schwächung des Privatsektors in China sind vermutlich übertrieben. Nachfolgend beschrieben sind drei Gründe dafür.
Keine Gleichmacherei
Die zunehmende Einkommensungleichheit ist ein globales Phänomen, das in den letzten Jahren Wellen sozialer Unruhen ausgelöst hat. China hat sich dem Ziel sozialer Harmonie verpflichtet und versucht, durch das Fördern und Ausbauen der mittleren Einkommensgruppe eine gerechtere Einkommensverteilung herbeizuführen.
Die Politik wird sich auf die Verbesserung des Sozialsystems (einschliesslich Renten, Gesundheitsversorgung und Wohnraum), die Gewährleistung eines fairen Zugangs zu Bildung und die Begünstigung sozialer Mobilität konzentrieren.
Stephen Chang ist Managing Director und Portfoliomanager in der Niederlassung in Hongkong, wo er Portfolios in Asien verwaltet und das Geschäft von Pimco in diesem Bereich ausbaut. Er ist ausserdem Mitglied des Pimco Multicultural Global Steering Committee.
Chang verfügt über 25 Jahre Anlageerfahrung und hat einen Master-Abschluss in Management-Wissenschaften von der Stanford University und einen Bachelor-Abschluss in Computerwissenschaften von der Cornell University.
Staatliche statt private Hilfe
Zum Beispiel wird das harte Durchgreifen gegen Privatnachhilfe durch erhöhte Ressourcen für öffentliche Schulen und kostengünstige kommunale Kinderbetreuungsdienste ergänzt, von denen einkommensschwache Familien und berufstätige Eltern profitieren könnten.
Wirtschaftswachstum ist nach wie vor wichtig, da sich die Behörden einer BIP-Verdopplung bis zum Jahr 2035 verschrieben haben. Eine sinnvolle Anpassung der Einkommensverteilung ist jedoch notwendig, um langfristig nachhaltigeres Wachstum zu gewährleisten.
Der öffentliche Sektor unter der Lupe
Die Regierung arbeitet sodann daran, die impliziten Garantien für staatseigene Unternehmen («State-Owned Enterprises»/SOE) aufzuheben und damit der Fremdkapitalaufnahme von SOE entgegenzuwirken. Die Ausfallquote von SOE ist zwar immer noch wesentlich niedriger als diejenige ihrer privaten Konkurrenten, aber in den letzten Jahren deutlich angestiegen.
Die Anleiheausfälle chinesischer Unternehmen beliefen sich im ersten Halbjahr 2021 auf 62,59 Milliarden Yuan (9,67 Milliarden Dollar), laut Fitch Ratings der höchste Wert aller Zeiten. SOE trugen zu mehr als der Hälfte der Zahlungsausfälle bei, insgesamt 36,65 Milliarden Yuan.
Korruptionsbekämpfung und Lohndeckel
Seit Anfang dieses Jahres hat China die Kontrollen und Einschränkungen in Bezug auf die Kreditvergabe an Finanzierungsinstrumente für Lokalverwaltungen («Local Government Financing Vehicles»/LGFV) verstärkt, um die impliziten Schulden von Lokalverwaltungen einzudämmen.
Die Regierung hat das Gehalt für SOE-Führungskräfte in den letzten Jahren bereits gedeckelt, und die Korruptionsbekämpfungskampagne hat die Beschäftigten des öffentlichen Sektors genau unter die Lupe genommen.
China folgt globalen Trends
Zu den politischen Änderungen gehören eine Stärkung der Kartellregulierung, Verbesserung des Datenschutzes, Verringerung der Einkommensungleichheit und Verbesserung der sozialen Mobilität, vor dem Hintergrund der explosionsartigen Weiterentwicklung im Technologiesektor und des Anstiegs von Populismus und Protektionismus auf allen Kontinenten.
China experimentiert mit seinem eigenen Lösungsansatz für diese Herausforderungen.
Wachstum wird hoch bleiben
Die regulatorischen Massnahmen der Regierung könnten das Wirtschaftswachstum kurzfristig belasten, doch angemessene geldpolitische und fiskalpolitische Unterstützung sowie eine robuste Nachfrage aus dem Ausland könnten das Gesamtwachstum für das Jahr 2021 auf einem Wert von rund 8 Prozent bringen.
Die politischen Entscheidungsträger haben sodann für weiterhin stabile Liquidität gesorgt. Dies durch das Senken des Mindestreservesatzes von chinesischen Banken im Juli um 50 Basispunkte, wodurch rund 1 Billion Yuan (154 Milliarden Dollar) verfügbar gemacht wurden. Dies ist ein zumindest teilweiser Ausgleich für die Straffungsmassnahmen in einigen Schlüsselsektoren.
Yuan hält sich relativ gut
Die Entwicklungsperspektiven für den chinesischen Yuan sind weniger klar. Aufgrund der robusten Export-Performance ist die Währung gegenüber den Dollar-Werten des China Foreign Exchange Trade System (CFETS) auf ein Mehrjahreshoch gestiegen, während die Geldpolitik nun zu einer Lockerung der Liquiditätsbedingungen tendiert.
Die ausländischen Zuflüsse in den chinesischen Anleihenmarkt bleiben positiv – mit zusätzlicher Unterstützung durch die Aufnahme chinesischer Staatsanleihen in den FTSE World Government Bond Index im November. Das sollte die negative Stimmung in Bezug auf die schwächere Aktienkurs-Entwicklung aufgrund der Schlagzeilen über die neuen Regulationen ausgleichen.
Wo Verlierer, da gibt es Gewinner
Ausserdem sind wir überzeugt, dass die neue Wohlstandspolitik in vielen Branchen gute Zukunftschancen ermöglicht, etwa in der umweltfreundlichen Energieproduktion und in «harten Technologien», wie etwa den Halbleitern, der Luft- und Raumfahrt sowie in der Biotechnologie. In Branchen also, die mit Chinas nationalen Entwicklungszielen in Einklang stehen.