Hintergrund der Gedanken sind vor allem steigende Inflations- und Zinserwartungen, die Obligationen unter Druck setzen. Auch das klassische 60/40-Modell – ein Portfolio zu 60 Prozent aus Aktien und zu 40 Prozent aus Obligationen – kommt in Kritik.    

Die Ausgangslage: Obwohl die Obligationsrenditen nach wie vor in der Nähe historischer Tiefststände notieren oder negativ sind, haben sie seit August 2020 tendenziell wieder zugenommen, während die Kurse gefallen sind.  

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Steigende Zins- und Inflationsängste  

Der Abwärtsdruck auf die Obligationskurse ist auf die jüngsten Wirtschaftsdaten zurückzuführen. Die Inflationszahlen stiegen in der ersten Jahreshälfte 2021 in allen wichtigen Märkten, weshalb die Investoren früher als erwartet begannen, Zinserhöhungen der Zentralbanken zur Inflationsbekämpfung einzupreisen.

Unsere Ökonomen rechnen zwar nicht mit einem anhaltenden Anstieg der Inflationsraten in Europa und gehen zudem davon aus, dass das Tempo allfälliger Zinserhöhungen eher gemächlich ausfallen dürfte. Die Bedenken über einen festen Anteil von Staatsobligationen in den Portfolios bleiben aber bestehen, da der Kurs einer Obligation bei steigenden Renditen fallen wird.  

Über den Autor

Giulio Renzi-Ricci ist Senior Investment Strategist im Asset Allocation Research Team von Vanguard mit Sitz in London, wo er unter anderem für Portfoliokonstruktionsresearch, individuelle Fondslösungen und andere Anlagethemen verantwortlich ist.

 

Dabei darf man aber nicht vergessen, dass steigende Zinsen zwar kurzfristig die Performance von Obligationen dämpfen, die Auswirkungen auf längere Sicht jedoch positiver aussehen können. Staatsobligationen sind zudem nicht dazu da, die Rendite zu steigern. Vielmehr besteht der Hauptgrund für das Halten von Obligationen in einem langfristig orientierten Multi-Asset-Portfolio letztlich darin, das Risiko des Anlegers gegenüber Schocks am Aktienmarkt zu diversifizieren.  

Obligationen als Schockabsorber  

Unsere Analyse der Märkte in den letzten zwanzig Jahren bestätigt nicht nur, dass es eine umgekehrte Korrelation zwischen globalen Aktien und globalen Obligationen gibt, sondern zeigt auch, dass Obligationen umso stärker stabilisierend in einem Portfolio wirken, je länger die Aktienkurse fallen. Dies ist unabhängig von der Höhe der Obligationsrenditen der Fall.  

Es gibt Situationen, in denen Obligationen im Gleichschritt mit Aktien fallen. Das jüngste Ereignis war der «Covid-Ausverkauf» im März 2020, bei dem Obligationen und Aktien kurzzeitig gemeinsam an Wert verloren. Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass Obligationen und Aktien in etwa 30 Prozent der Fälle gleichzeitig Verluste hinnehmen mussten, was jedoch im Allgemeinen eher auf vorübergehende als auf systematische Faktoren zurückzuführen war.

Sobald die Märkte Zeit hatten, die geldpolitischen Reaktionen zu berücksichtigen, stellte sich die übliche gegengleiche Bewegung zwischen Obligationen und Aktien wieder ein. Darüber hinaus konnten wir innerhalb des festverzinslichen Universums keine bessere Alternative zu Staatsobligationen finden, um Portfolios vor dem Abwärtsrisiko von Aktien zu schützen.  

Höhere Zinsen steigern die Gesamtrendite im Obligationsportfolio  

Wer sich Sorgen über den Wertverlust seiner Obligationsbestände macht, sollte daran denken, dass für langfristige Anleger die Gesamterträge und nicht die Kursrendite relevant ist. In einem Umfeld, in dem mit steigenden Zinsen gerechnet wird, ist der mit den höheren Renditen längerfristiger Obligationen einhergehende kurzfristige Kapitalverlust der Preis für höheres Einkommen in der Zukunft.

Mit anderen Worten: Die Anleger erleiden einen kurzfristigen Verlust im Gegenzug für einen langfristigen Gewinn. Das liegt daran, dass sich Einkommensrendite und Kursrendite bei steigenden Zinsen tendenziell in entgegengesetzte Richtung bewegen, wobei die Einkommensrendite die sinkende Kursrendite im Laufe der Zeit ausgleicht.  

Renditeprognosen angehoben  

Wir gehen davon aus, dass Obligationsportfolios über alle Kategorien und Laufzeiten hinweg Gesamterträge erzielen werden, die nahe bei ihren aktuellen Renditeniveaus liegen. Angesichts des jüngsten Anstiegs der Marktzinsen haben wir unsere annualisierten Zehn-Jahres-Renditeprognosen für eine Reihe von Märkten, einschliesslich Obligationen, um einen halben bis einen ganzen Prozentpunkt angehoben. Dies, obwohl die Entwicklung der langfristigen Renditen immer noch gedämpft sein dürfte.  

Es gibt kein Patentrezept  

Wer auf der Suche nach höheren Renditen mehr Risiko eingehen will, kann das Verhältnis von Aktien zu Obligationen im Portfolio entsprechend anpassen. In einem renditeschwachen Umfeld geht es nicht darum, das 60/40-Modell zu schlagen, sondern die richtige Asset Allocation zu finden, die dem Anleger faire Chancen bietet, seine Ziele auf die effizienteste Weise zu erreichen.

Anleger, die sich vor steigender Inflation schützen wollen, könnten zudem etwa erwägen, einen Teil ihres Portfolios in indexgebundenen Obligationen zu halten. Ein Patentrezept gibt es aber nicht. Die Grundsätze einer ihrer Risikotoleranz entsprechenden Diversifikation über Anlageklassen, Regionen und Sektoren hinweg über Bord zu werfen, ist jedenfalls das Letzte, was Anleger tun sollten.    

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