Die europäischen Aktien erleben die beste Woche seit November 2020. Der Stoxx Europe 600 schliesst mit einem Plus von über 5 Prozent. Der französische CAC 40 schafft ebenfalls fast 5 Prozent. Der deutsche Dax gewinnt 4 Prozent. Und der Schweizer SMI legt sogar fast 6 Prozent zu.
Die Schweizer Börse schliesst damit den sechsten Tag in Folge im grünen Bereich. Auf Jahressicht bleibt nur noch ein Minus von 6 Prozent. Der Tiefpunkt vom 8. März, als der Index fast unter die 11'000-Punkte-Grenze fiel, ist weit weg. Der SMI hat sämtliche Verluste, die nach dem Einmarsch in die Ukraine entstanden, abgeschüttelt – und notiert höher als am 24. Februar, als die Russen mit dem Sturm auf Kiew begannen.
Ähnliches Bild im Resten von Europa: Der Stoxx 600 hat den Krieg vergessen, die Verluste praktisch wettgemacht. Die Börse scheint das Gemetzel im Osten Europas und die Sanktionen verdaut zu haben. Die alte Regel bewahrheitet sich: Es dauert nur wenige Tage oder Wochen, bis der Courant normal einsetzt.
Zur grossen Gegenbewegung kam es im Nachgang des Fed-Entscheids. Lange war unklar, wie die amerikanische Notenbank auf steigende Rohstoffpreise reagieren wird. Die Furcht war gross, dass es zu einer unerwarteten Politik kommen könnte.
Mut machte den Börsianern auch die Entwicklung in China, wo die Aktien eine historische Woche erlebten, zum Teil den grössten Sprung seit 1998 verzeichneten. China hatte erklärt, mehr Konjunkturimpulse zu geben und die Märkte stabil zu halten.
Wichtigstes Thema ist und bleibt aber der Ukraine-Krieg. Die Situation ist heikel, ein Zerwürfnis zwischen den USA und China könnte schwere Folgen nach sich ziehen. Der Russen-Staatsbankrott scheint vorerst abgewendet, ist aber immer noch im Raum des Möglichen. Und das alles spüren Anlegerinnen und Anleger in Form von anhaltend hoher Volatilität.
Nichtsdestotrotz: Beim Schweizer SMI sind 20 von 20 Titel im grünen Bereich auf Wochensicht. Die grössten Gewinner sind die Geprügelten von gestern, ehemalige Darlings der Schweizer Börse, die im Russland-Sog besonders viel verloren haben. Die Aktie von Sika etwa legte in dieser Woche um 9 Prozent zu.
Der Bauzulieferer profitierte unter anderem von einem positiven Analystenvotum aus dem Hause JP Morgan. So sei der Konzern bei ESG-Themen führend in der Branche, sagte die zuständige Analystin. Die Aktie notiert mit knapp 313 Franken aber noch immer rund klar unter ihrem Hoch von Anfang Januar. Damals kostete eine Sika-Aktie rund 380 Franken.
Mit Lonza konnte ein zweiter ehemaliger Highflyer durchstarten. Der Pharmazulieferer erholte sich von seinem starken Rücksetzer seit Anfang Jahr. Auch Partners Group konnte stark zulegen, genauso wie andere Finanztitel, etwa die UBS, CS und Swiss Life.
Am unauffälligsten zeigte sich im SMI diese Woche die Swisscom. Die als defensiv geltende Aktie hat sich diese Woche praktisch kaum bewegt.
Die Tiefststände sind erreicht. Ergo die Frage: Ist jetzt der Zeitpunkt für den Einstieg? Oder für den Wiedereinstieg?
«Die Erholung der Aktienkurse in den letzten Tagen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Finanzmärkte noch nicht gefestigt sind», schrieb Thomas Stucki, Investment-Chef bei der St. Galler Kantonalbank, in einem Kommentar am Montagmorgen.
«Das grosse Auf und Ab innert kurzer Zeit ist ein Hinweis darauf, dass sich momentan vor allem sehr kurzfristig orientierte Investoren und quantitative Handelsmodelle im Aktienmarkt tummeln, während die langfristig orientierten und damit stabileren Investoren an der Seitenlinie sitzen.»
Solange das der Fall sei, können auch grössere Kurseinbussen jederzeit wieder auftreten. «Wichtig wäre es, dass sich die Kurse während mehrerer Tage nacheinander nur wenig bewegen würden», so Stucki.
Sein Tipp: «Anlegerinnen und Anleger, die trotz der Unsicherheit an ihrer Anlagestrategie festgehalten und ihre Aktien nicht verkauft haben, können weiterhin beobachten, was sich an der Börse tut. Opportunistisch können sie in Aktien, die überdurchschnittlich stark gelitten haben, einzelne Zukäufe tätigen.»
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