Immer mehr Investitionen fliessen in alternative Energiequellen. Rechnen Sie deshalb mit einem langfristig sinkenden Preis für Öl?
Von den rund 1600 Milliarden US-Dollar an Investitionen der Energiekonzerne fliesst unterdessen die Hälfte in erneuerbare Energien, mit steigendem Trend. Jedoch liefern Fossile Brennstoffe immer noch rund 80 Prozent des globalen Energieverbrauchs. Die Nachfrage nach Öl wird leider nicht so schnell sinken, wie es für die Klimaziele notwendig wäre.
Zudem ist der Ölpreis weiterhin von den Opec-Ländern gesteuert, die auf die Öleinnahmen angewiesen sind. Aus diesem Grund gehen wir nicht davon aus, dass sich der Ölpreis für eine längere Zeit ausserhalb der Preisspanne von 40 bis 80 Dollar pro Barrel bewegen wird. Dazu benötigte es ein stärkeres Umdenken und eine beispiellose Transformation im globalen Energiesektor.
Der Solar-Sektor wächst weltweit stark. Welche Aktien bieten sich für Anlegerinnen zum Kauf an, die gezielt auf diesen Sektor setzen wollen?
Trotz weltweit starker Entwicklung im Solar-Sektor sehen wir den Markt noch immer in einer Konsolidierungsphase. Asiatische Anbieter spielen dabei einen wesentlichen Treiber.
Die grössten Unternehmen sind unterdessen mehrheitlich in chinesischem Besitz. Die Margen und Erträgen im Windmarkt weisen eine höhere Stabilität auf. Deshalb erachten wir Anlagen im Windmarkt als attraktiver. Dies zeigt sich auch in einer deutlich tieferen Volatilität der Aktienkurse. Vestas Wind Systems, einer der Marktführer im Bau von Windkraftanlagen mit internationaler Positionierung, erachten wir als ein spannendes Investment.
Eine oft gehörte Regel lautet: Jüngere sollten stärker in Aktien investieren, die Quote sollte in etwa hundert abzüglich des Alters betragen. Ist diese Anleitung in Zeiten von Negativzinsen noch sinnvoll?
Dies ist eine alte Bauernregel. Mittlerweile werden wir älter und haben auch Negativzinsen. Von grosser Bedeutung zur Bestimmung des Aktienanteils im Portfolio ist das Risikoprofil. Dieses setzt sich aus der Risikofähigkeit und der Risikobereitschaft zusammen, wobei die Risikofähigkeit massgeblich von den entsprechenden Vermögensumständen bestimmt wird.
Das Alter ist ein Faktor, der mitberücksichtigt werden muss. Und natürlich spielt das makroökonomische Umfeld bei der Asset Allokation auch eine Rolle. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass in einem Tiefzinsumfeld die relative Attraktivität von Aktien gegenüber Obligationen zunimmt und sie deshalb tendenziell übergewichtet werden.
«Der Wachstumsmotor des Herstellers von Computer-, Smartphone-, Tablet- oder Gamingzubehör Logitech brummt.»
Welche fünf Schweizer Aktien ausserhalb des Swiss Market Index’ gefallen Ihnen derzeit besonders?
AMS: Nach dem eingepreisten Verlust des Apple-Auftrags und dem entsprechenden Abschreiber im zweiten Quartal ist die Aktie attraktiv bewertet. Der 3D-Sensor-Lösungsmarkt wächst in den nächsten Jahren dank Smartphones, Auto- sowie Industrieanwendungen ungebrochen weiter. Dank der ergänzenden Akquisition von Osram ist AMS der einzige Anbieter von integrierten optischen Sensorlösungen. Diese Wachstumsperspektiven bieten ein spannendes Einstiegslevel.
Barry Callebaut: Der weltweit führende Kakao- und Schokoladeproduzent hat sich mittlerweile gut von der Corona-Krise und dem damit verbundenen Nachfragerückgang erholt. Zwischen September 2020 und Mai 2021 konnte Barry Callebaut mehr verkaufen als in den entsprechenden Monaten 2018/19, also noch vor Corona.
Anlegerinnen und Anleger mit einem langfristigen Anlagehorizont sollten weiterhin von der führenden Position des Unternehmens, der äusserst soliden Aufstellung und der erfolgreichen Strategie profitieren können.
Logitech: Der Wachstumsmotor des Herstellers von Computer-, Smartphone-, Tablet- oder Gamingzubehör brummt. Seit dem Höchst im Juni haben die Aktien rund 25 Prozent korrigiert, da der konservative Ausblick einige Anleger enttäuscht hat. Die Zukunft der Arbeit und des Lernens ist hybrid. Logitech profitiert von diesem starken Megatrend von überall her zu arbeiten und zu lernen. Die Wachstumstrends sind intakt, der Einstiegszeitpunkt günstig.
SFS: Der weltweit tätige Hersteller von kundenspezifischen Präzisionskomponenten, Befestigungssystemen und Baugruppen überzeugt in der Industrie mit einer starken Positionierung. Dank hoher Automatisierung und Produktivität schafft das Unternehmen für Mitbewerber schwierige Eintrittshürden.
Aufgrund einer hohen Lieferfähigkeit konnte das Unternehmen ihren Marktanteil in den letzten Monaten kontinuierlich ausbauen. Mit einem Umsatzanteil von gut 40 Prozent in der Auto- und Flugzeugindustrie dürfte sich SFS von den Auswirkungen der Corona-Pandemie weiter erholen. Die gefüllte Pipeline mit interessanten Projekten für innovative Produkte soll der Aktie weiteren Auftrieb verleihen.
Siegfried Holding: Der Pharmaauftragsfertiger hat die Cyberattacke im Frühling überwunden und sieht sich vor einer rosigen Zukunft. Seit Juni füllt Siegfried den Impfstoff von BioNTech/Pfizer ab. Zudem gibt sich das Unternehmen zuversichtlich, dass die Abfüllung des Novavex-Impfstoffs vor Ende Jahr anläuft. Das dürfte den Titeln Schub geben. Auch langfristig sind die Aussichten positiv. Die ganze Branche der Pharmazulieferer ist im Aufwind und wächst stärker als der gesamte Gesundheitsmarkt.
Blicken wir auf das allgemeine Geschehen an den Börsen. Wie stark beschäftigt die Corona-Krise die Finanzmärkte?
Aktuell beobachten wir, dass die Corona-Pandemie die Finanzmärkte nur noch wenig und höchstens regional bewegt. Aktienmärkte von Ländern mit einer hohen Impfquote und einer dementsprechend tiefen Wahrscheinlichkeit für weitere Lockdowns und andere Einschränkungen reagieren kaum mehr auf Corona-News.
Sollte sich die Situation nicht wesentlich ändern, etwa durch impfstoffresistente Mutationen, gehen wir davon aus, dass die Pandemie für die Finanzmärkte überstanden ist.
Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Die aufkommenden Gespräche über den Start der Tapering-Massnahmen der US-Notenbank Fed hat die Aktienmärkte kurzfristig verunsichert. In einem solchen Umfeld sind Schweizer Aktien mit ihrem defensiven Charakter und den Dividendenperlen vermehrt gefragt.
Zudem gilt der Schweizer Franken als sicherer Hafen. Investoren nutzen die zum Teil hohen Bewertungen in den Wachstumstiteln, um Gewinne zu realisieren und sich neu in Substanzwerten zu positionieren.
Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Wir gehen davon aus, dass sich die Aktienmärkte in den nächsten 12 Monaten positiv entwickeln. Die meisten Unternehmen haben die Krise gut gemeistert. Unternehmen, die ihre Hausaufgaben gemacht haben, kommen gestärkt aus der Pandemie hervor.
Das grösste Risiko von grossflächigen Lockdowns scheint mit dem Impffortschritt gebannt. Dazu kommen eine sehr expansive Fiskalpolitik und eine weiterhin grosszügige Geldversorgung durch die Notenbanken. TINA (there is no alternative) ist aktueller denn je. Aktien bleiben alternativlos. Den Fokus setzen wir dabei auf Qualitätsaktien mit soliden Margen.
Christian Odermatt beantwortete die Fragen schriftlich.