Der überfallartige militärische Angriff Russlands auf die Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen westlicher Staaten gegen russische Unternehmen und Privatpersonen schlagen sich eins zu eins auf dem Rohstoffmarkt nieder.

Eine besonders hohe geopolitische Risikoprämie preist der Markt aktuell bei jenen Rohstoffen ein, für die Russland und die Ukraine wichtige Produzenten sind, also vor allem Rohöl, Gas und Kohle, aber auch Industriemetalle wie Aluminium, Nickel und Palladium.

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Anfang März erreichten die Preise für Aluminium und Kohle Rekordhochs. Zu Wochenbeginn sprang der Preis für ein Fass Öl der Nordseesorte Brent zeitweise über die Marke von 130 Dollar und damit auf den höchsten Stand seit 2008. Auslöser dafür waren Nachrichten aus den USA, wonach der US-Kongress Sanktionen gegen Energieimporte beraten will.

Sehr starke Auswirkungen sind auch bei Agrarrohstoffen zu sehen. In Chicago stieg der Weizenpreis auf ein Rekordhoch. Die Ukraine zählt in einigen Bereichen zu den weltgrössten Exporteuren (Mais: 15 Prozent, Gerste: rund 12 Prozent, Weizen gut 8 Prozent). Auch die Anteile Russlands sind bei Gerste (rund 18 Prozent) und Weizen (rund 19 Prozent) ausgeprägt (Quelle: US-Landwirtschaftsministerium USDA).  

Für Russland sind die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft wichtig, mit ihnen erzielte das Land bislang Leistungsbilanzüberschüsse. Umgekehrt ist die hohe Abhängigkeit in der Energieversorgung aus Russland die Achillesferse des Westens, insbesondere der europäischen Länder. Energiesanktionen waren darum bisher nicht auf der Liste westlicher Sanktionen. Doch der Druck auf die Regierungen steigt mit jedem Kriegstag. Von russischer Seite initiierte Exportstopps würden das Land wiederum wirtschaftlich selbst hart treffen, während es sich ohnehin in bereits schwieriger Lage befindet.  

Über den Autor

Thomas Benedix ist seit September 2016 als Senior Portfoliomanager Commodities bei Union Investment tätig. Er ist Teil der Gruppe Investment Strategy und verantwortet die Fundamentalanalyse sowie die Entwicklung der Investmentstrategien im Rohstoffsektor.    

 

Russische Rohstoffe de facto gemieden  

Angesichts der hohen Unsicherheit dürfte die geopolitische Risikoprämie aber so lange im Rohstoffmarkt erhalten bleiben, wie es keine greifbare Aussicht auf eine Deeskalation der Lage gibt. Aktuell preist der Markt vor allem Sorgen vor über längere Zeit gestörten oder unterbrochenen Lieferketten ein.

Seit Beginn des russischen Angriffs am 24. Februar sind fünf Handelsschiffe im Zusammenhang mit dem Konflikt beschädigt worden. Die Frachtraten etwa für Öltanker, die russisches Öl vom Schwarzen Meer nach Europa transportieren könnten, haben sich verdreifacht. Auch steht laut Angaben von Containerschiff-Reedereien die Hälfte der weltweiten Containerschiff-Kapazität nicht mehr für den Transport von und nach Russland zur Verfügung.

Russisches Öl zu verkaufen wird schwieriger  

Für Russland wird es dadurch schwieriger, Öl zu verkaufen, selbst wenn grosse Preisnachlässe gegenüber dem Referenzpreis für Öl der Sorte Brent gegeben werden. Aktuell sind westliche Käufer vorsichtig. Auch wegen der noch nicht abschliessenden Ausgestaltung der Sanktionen gegen russische Banken.

Rund 70 Prozent der russischen Rohölexporte (entspricht rund 3,85 Millionen Fass pro Tag) dürften derzeit keinen Käufer finden. Damit verbunden ist die Unsicherheit, ob und in welchem Ausmass es zur Verschiebung von Transportrouten kommt. Eine Umleitung russischer Öllieferungen nach Asien würde zu einer längeren Transportdauer führen und damit den Weltmarkt kurzfristig weiter knapp halten.  

Verschiebungen zeigen sich bereits auf dem Gasmarkt. Deutschland hat etwa angekündigt, für 1,5 Milliarden Euro zusätzliches Flüssiggas (LNG) auf dem Weltmarkt einzukaufen, um sich unabhängiger von russischem Erdgas (55 Prozent Anteil) zu machen. Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine hat sich der europäische Gaspreis zeitweise bis auf fast 200 Euro pro Megawattstunde (MWh) verdoppelt, in der ersten Märzwoche notierte der niederländische Erdgasindex bei rund 192 Euro pro MWh (zum Vergleich März 2021: 17 Euro pro MWh).  

Energiepreise explodieren  

Bei den Industriemetallen schlägt sich der Konflikt ebenfalls deutlich nieder. Hier hat die Verfügbarkeit in den Lagerhäusern der Rohstoffbörsen abgenommen. Im Aluminium- und Nickelmarkt etwa fliessen grosse Mengen über das russische Sankt Petersburg nach Westeuropa. Die Aluminiumvorräte an der London Metal Exchange (LME) sind zuletzt auf ein sehr niedriges Niveau gefallen.    

Durch die gestiegenen Gaspreise verteuern sich auch die Strompreise, was den Betrieb der energieintensiven Aluminium- oder Zinkproduktion in Europa unattraktiver macht. Bereits vor dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine haben gestiegene Strompreise die Aluminiumproduktion in Europa gedrosselt, was dazu führte, dass Händler Aluminium aus Asien zu importieren begannen.  

Springen neue Anbieter in die Bresche?

Für kurzfristige Entspannung im Ölmarkt hat vergangene Woche die Nachricht gesorgt, wonach es bald zu einem neuen Abkommen zwischen den USA und Iran kommen könnte. Damit könnten aus Iran bis zum Jahresende rund 1 bis 1,5 Millionen Barrel Rohöl pro Tag zusätzlich auf den Markt kommen.

Grössere Produktionszuwächse zeichnen sich aufgrund der gestiegenen Preise auch in Nordamerika (Schieferölproduzenten) und in weiteren Nicht-Opec-Ländern durch neue Anlagen ab. Beispielsweise in Argentinien, Brasilien, China, Kolumbien, Mexiko und Norwegen. Wenig Flexibilität zeigte bisher das Ölkartell Opec, das für April eine graduelle Erhöhung der Produktion um 400’000 Barrel pro Tag beschlossen hat, aber keine Hinweise gab, wie Lieferausfälle aus Russland ausgeglichen werden könnten.  

Inflation bleibt Thema  

Da das Umfeld dynamisch und von grosser Unsicherheit geprägt ist – auch was den regulatorischen Rahmen des Handels betrifft –, dürften die Risikoprämien im Rohstoffmarkt vorerst erhöht bleiben. Preisrückgänge auf Niveaus, die stärker die Produktionskosten spiegeln, wären erst bei einer dauerhaften Deeskalation der Lage zu erwarten. Die gestiegenen Rohstoffpreise befeuern dabei die europäische Inflation: Wir erwarten, dass durch die hohen Energie- und Lebensmittelpreise im Euro-Raum in den kommenden Monaten die Inflation die 6-Prozent-Marke übersteigen dürfte.  

Sinkende Nachfrage dämpft Inflation  

Je länger die hohe (Energiepreis-)Inflation anhält, desto grösser fallen die Kaufkraftverluste bei den Haushalten aus, und desto geringer ist die Investitionsbereitschaft der Unternehmen. Zusammen mit geringeren Exporten nach Russland wird dies aber die Nachfrage dämpfen und damit auch die Kernrate der Inflation in Grenzen halten.  

Eine Rezession erwarten wir nicht. Nach wie vor rechnen wir auch damit, dass im Laufe des Sommerhalbjahres eine bessere Balance aus gesamtwirtschaftlichem Angebot und Nachfrage den Preisanstieg von Monat zu Monat dämpfen sollte.   

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