Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist die Schweizer Börse im Einklang mit anderen wichtigen Aktienmärkten auf Talfahrt gegangen. Der Leitindex SMI brach am Donnerstag im Eröffnungsgeschäft vorübergehend um 2,8 Prozent ein. Stärker war das Barometer der 20 grössten Schweizer Börsenwerte zuletzt vor einem Monat abgerutscht, als die Angst vor einem markanten Zinsschritt der US-Notenbank und die zunehmenden Spannungen zwischen dem Westen und Russland in der Ukraine-Krise die Anleger zu Panikverkäufen getrieben hatten. Nach rund einer Stunde lag der SMI noch 2,1 Prozent im Minus bei 11.693 Zählern.
Unter die Räder kamen die Grossbanken UBS und Credit Suisse, deren Aktien fünf Prozent absackten. Geldhäuser könnten Sanktionen gegen Russland merklich treffen. Auch der Luxusgüterkonzern Richemont verlor fünf Prozent an Wert.
Besser als der Markt hielten sich die beiden Pharmakonzerne Roche und Novartis mit 0,8 und 1,2 Prozent Kursabschlag. Die Aktien des Lebensmittelkonzerns Nestle gaben 1,5 Prozent nach. Das Geschäft der Unternehmen, die für mehr als die Hälfte der SMI-Marktkapitalisierung stehen, gilt als vergleichsweise krisensicher. Anleger greifen in unsichern Zeiten daher gerne zu den Titeln.
Auch der DAX fällt
Russlands Angriff auf die Ukraine hat den Dax am Donnerstag auf Talfahrt geschickt. Direkt zum Handelsstart fiel die Marke von 14 000 Punkten. «Die schlimmsten Befürchtungen sind wahr geworden. Es herrscht Krieg in Europa», sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann von QC Partners in Frankfurt. Dabei treffe die russische Invasion die Börsen zwar nicht unvorbereitet, «trotzdem laufen Schockwellen durch die Kapitalmärkte».
Nachdem der Dax am Morgen auf den tiefsten Stand seit fast einem Jahr abgesackt war, erholte er sich schnell etwas und gab zuletzt um 3,50 Prozent auf 14 118,77 Punkte nach. Der MDax der mittelgrossen Werte büsste 2,53 Prozent auf 31 079,97 Punkte ein. Europaweit eröffneten die Börsen ebenfalls mit starken Verlusten, die sie im Verlauf jedoch ebenfalls eindämmten. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 verlor zuletzt 3,58 Prozent auf 3831,15 Punkte.
Im Sog des Konflikts um die Ukraine ist der Dax in den vergangenen sechs Börsentagen bereits um etwas mehr als fünf Prozent abgesackt. Aus dem Dax, in dem es unter den 40 Werten am Donnerstag keinen Gewinner gab, berichteten die Deutsche Telekom und Heidelbergcement über das abgelaufene Jahr. Die T-Aktie gab im Gleichklang mit dem Dax nach. Die Anteile des Baustoffherstellers zeigten sich mit minus 6,0 Prozent deutlich stärker im Minus.
Im MDax zeigten sich nur die Aktien des Rüstungsunternehmens Rheinmetall im Plus mit 2,3 Prozent. Uniper dagegen waren Schlusslicht mit zuletzt knapp 8 Prozent auf 30,70 Euro. Damit zeigten sie sich dennoch stark erholt, denn zum Handelsstart waren sie bis auf 27,70 Euro und damit auf ein Tief seit Dezember 2020 eingebrochen. Der Stromerzeuger macht einen erheblichen Anteil des Geschäfts in Russland und ist Mitfinanzierer der auf Eis gelegten Gaspipeline Nord Stream 2.
In etwa marktkonform schwach zeigten sich die Anteile des Maschinen- und Anlagenbauers Dürr und des Lkw- und Zugbremsenherstellers Knorr-Bremse mit jeweils minus 3,0 Prozent. Die vorgelegten starken Quartalszahlen und die Aussicht auf weitere Zuwächse im laufenden Jahr halfen Knorr-Bremse angesichts der allgemeinen geopolitischen Sorgen nicht.
Aixtron drehten nach einem schwächeren Start in die Gewinnzone und stiegen zuletzt um 1,8 Prozent. Warburg lobte das starke Zahlenwerk des auf die Halbleiterindustrie spezialisierten Anlagenbauers für das vierte Quartal. Auch der Ausblick liegt der Bank zufolge leicht über den Erwartungen. Andere Analysten nannten ihn dagegen "mau" oder «wie erwartet».
Preise für Gold und Öl steigen
Gleichzeitig ziehen die Preise für Gold und Öl an. Während der Goldpreis so hoch liegt wie zuletzt im Januar 2021, hat der Ölpreis an der Marke von 100 US-Dollar je Barrel gekratzt. Auch der Franken ist als sicherer Hafen gesucht. So kostet ein Euro aktuell 1,0318 Franken, nachdem er am frühen Morgen kurzzeitig gar unter die 1,03er Marke gefallen ist. Am Mittwochvormittag ging ein Euro noch zu Kurse oberhalb der 1,04er Grenze um.
«Bei den Marktteilnehmern herrscht grosse Unsicherheit, die Volatilität steigt weiter an und führt zu anhaltendem Abwärtsdruck auf die Aktienkurse», kommentierte ein Händler. «Im Grossen und Ganzen besteht das Hauptproblem für die Marktteilnehmer - zumindest aus makroökonomischer Sicht - darin, dass dies auf einen weiteren grossen Angebotsschock hinausläuft, der sowohl das Wachstum als auch die Inflation bedroht.» Dies wiederum befeuere die Befürchtungen, dass die Geldpolitik rigoros gestrafft werden müsse, um die Inflation einzudämmen.
Vor allem in Europa sei die Sorge gross, vom russischen Gas abgeschnitten zu werden, heisst es in einem weiteren Kommentar.«"Die EU könnte einen solchen Versorgungsschock nicht verkraften und müsste die Nachfrage drosseln, was eine wirtschaftliche Schwächung zur Folge hätte.»
(reuters/awp/tdr)