Nestlé-Konzernchef Mark Schneider geht einen für den Konzern höchst ungewöhnlichen Schritt. Das Russland-Geschäft wird noch weiter zurückgefahren als bisher. Globale Brands wie Kitkat und Nesquik und andere werden aus den Regalen der Lebensmittelgeschäfte zwischen Moskau und Wladiwostok verschwinden.

Nur essentielle Produkte wie Kindernahrung und medizinische Lösungen bleiben. Das heisst, die lokale Produktion und der lokale Vertrieb von Produkten werden heruntergefahren – mit all den Folgen, die das mit sich bringt: Unterbruch von Lieferantenbeziehungen und anderen Geschäftsbeziehungen. Das gab der Konzern soeben in auf seine Webseite bekannt.

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Russlandgewinne werden gespendet

Man konzentriere sich darauf, die russische Bevölkerung mit lebenswichtigen Produkten zu versorgen, schreibt der Konzern; es gehe nicht um Profit. Es gehe darum, dem grundlegenden Recht auf Nahrung zu entsprechen. Man gehe nicht davon aus, in absehbarer Zeit Gewinne in Russland zu machen oder Steuern zu zahlen, schreibt Nestlé. Sollte doch ein Profit anfallen, so werde dieser humanitären Organisationen zur Verfügung gestellt.

Nestlé hat eine lange Tradition, in Kriegen und Krisen möglichst lange vor Ort zu bleiben. So gehörte der Schweizer Konzern etwa zu den wenigen Lebensmittelunternehmen, die während des Bürgerkriegs in Kolumbien blieben. Auch in Syrien harrte der Konzern aus, eine Nestlé-Fabrik wurde sogar zerbombt.

Mark Schneider gibt damit die bisherige Linie auf, wonach nur der Verkauf von Premiumprodukten wie San Pellegrino oder Nespresso eingestellt werden soll.

Dem Entscheid war ein wochenlanger Shitstorm in den sozialen Medien vorausgegangen. Zudem hatte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski am Samstag in einer auf dem Bundesplatz in Bern übertragenen Botschaft Nestlé dazu aufgefordert, sich ganz aus Russland zurückzuziehen.

Nestlé geht weiter als die Konkurrenz

Auch die Konkurrenz sucht nach dem richtigen Weg im Umgang mit Russland. Danone etwa verkauft weiterhin Grundnahrungsmittel. Der von Antoine de Saint-Affrique, ehemals Konzernchef des Schweizer Schokoladengiganten Barry Callebaut, geleitete Nahrungsmittelkonzern verzichtet zwar auf Investitionen in Russland, Joghurts und andere Produkte des täglichen Bedarfs werden aber weiterhin verkauft. 

Danone beschäftigt rund 8000 Mitarbeitende in Russland. Mit einem Umsatzanteil von 6 Prozent und mehr als einem Dutzend Produktionsstätten haben die Franzosen eine der grössten Expositionen im Land von Aggressor Putin. Der «Financial Times» sagte der Konzernchef: «Wir haben eine Verantwortung, die Menschen mit Nahrungsmitteln zu versorgen, und gegenüber den Bauern, die uns mit Milch beliefern, und den Zehntausenden von Menschen, die von uns abhängen.»

Kein Pepsi und keine Coke mehr für die Russen

Der Getränkekonzern Pepsi, der in Russland 20’000 Menschen beschäftigt, hat den Verkauf aller weltweiten Getränkemarken eingestellt, des namensgebenden Pepsi inklusive. Doch auch hier gilt: Fürs Überleben wichtige Produkte bleiben in den Regalen. So läuft etwa das bedeutende Geschäft mit den Milchprodukten, das der Getränkekonzern auch noch betreibt, in Russland weiter. Auf Coca-Cola werden die Russen und Russinnen bis auf weiteres verzichten müssen, die Amerikaner haben ihre Operationen in Russland eingestellt.

Unilever hat alle Importe und Exporte nach Russland gestoppt und verzichtet, ebenso wie Nestlé, auf die Bewerbung, um dem Staatsfernsehen, das den ganzen Unsinn von Wladimir Putin über die Notwendigkeit einer «Entnazifizierung» und «Demilitarisierung» der Ukraine sendet, nicht auch noch Geld in den Rachen zu werfen. Grundnahrungsmittel werden aber ebenso weiter verkauft wie essenzielle Hygieneartikel wie Seife, die der britisch-niederländische Konzern auch noch vertreibt. Auch der amerikanische Getreidehändler Cargill hält an seinen Operationen in Russland fest, soweit sie für die Versorgung der Bevölkerung essenziell sind.

400 Unternehmen sind schon nicht mehr in Russland

Der Druck auf die Unternehmen ist hoch. Einer Zusammenstellung von Jeffrey Sonnenfeld von der Yale University zufolge haben sich seit Kriegsbeginn mehr als 400 international tätige Unternehmen aus dem Riesenreich zurückgezogen oder ihre Aktivitäten zumindest stark reduziert. Zu den 166 Unternehmen, die einen klaren Schnitt machten, gehören der Vermögensverwalter Blackrock, Ebay, Rolex oder Shell. In der «Hall of Shame» der Unternehmen, die einen Rückzug ablehnen, finden sich die Koch Industries, der französische Autobauer Renault oder Emirates. Und dann gibt es noch Unternehmen wie den Sportartikelhändler Declathon, der die Gunst der Stunde nutzt und sein russisches Filialnetz gerade kräftig ausbaut.