Die Pandemie hat auch vielen börsenkotierten Pflegeheimbetreibern zugesetzt und ihre Aktienkurse mit Einbrüchen von mehr als 40 Prozent auf Talfahrt geschickt. Inzwischen haben sich die operativen Ergebnisse der Unternehmen zwar weitgehend erholt, die Aktienkurse liegen aber immer noch deutlich unter den Vorkrisenniveaus.
Das Verhältnis des Unternehmenswerts zu Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebita) einiger Unternehmen hat auf Fünfjahressicht sogar neue Tiefststände erreicht. Das macht einen Einstieg attraktiv.
Immer mehr Pflegeleistungen sind nötig
Ein Investment lohnt sich aber auch langfristig, weil soziale Infrastruktur, zu denen die Pflegebranche zählt, vom demografischen Wandel anhaltenden Rückenwind erhält. So erwarten die Vereinten Nationen, dass im Jahr 2050 weltweit jeder sechste Mensch über 65 Jahre alt sein wird (1,5 Milliarden Menschen). Derzeit ist nur jeder elfte Mensch so alt (700 Millionen). Zudem dürfte sich allein in Europa die Zahl der über 80-Jährigen mehr als verdoppeln.
Johannes Maier ist Portfolio Manager Infrastruktur-Aktien beim Assetmanager Bantleon Bank AG.
Die alternde Gesellschaft bedeutet eine stark wachsende Versorgungslücke bei Pflegeeinrichtungen, die nur mithilfe privater Marktteilnehmer geschlossen werden kann.
Die besten Chancen auf langfristig überdurchschnittlich hohe Gewinne in diesem wachsenden Markt dürften die grossen Betreiber von Pflegeheimen haben, da sie Kostenstrukturen optimieren und das operative Geschäft damit effizienter gestalten können.
Weil der Markt noch stark fragmentiert ist, es also noch viele kleinere Unternehmen gibt, können finanzstarke Unternehmen durch Übernahmen weiterwachsen und ihre Grössenvorteile ausbauen.
Nachhaltigkeit ist wichtig für langfristige Profitabilität
Unabhängig von der Grösse dürfte jedoch der Trend zur Effizienzsteigerung auch bei der sozialen Infrastruktur anhalten, was aus Nachhaltigkeitssicht (ESG) zu fragwürdiger Unternehmensführung führen kann. Weil in fast allen europäischen Ländern Lizenzen zum Betreiben von Alterseinrichtungen vergeben werden, die an Qualitätsstandards wie die Zahl der Pflegenden pro Betten gekoppelt sind, zählen die sozialen Aspekte zu den elementaren Wachstumstreibern.
Die gründliche Analyse von operativen Kennzahlen zu den Arbeitsbedingungen und zur Servicequalität, wozu beispielsweise die Mitarbeiterfluktuation und die Zahl der Pflegenden pro Betten gehören, ist gerade auch deshalb wichtig.
Eine faire Bezahlung des Pflegepersonals kann zwar zu kurzfristigen Einschnitten bei der Profitabilität führen, zahlt sich aber langfristig durch überdurchschnittliche Wachstumschancen aus, die sowohl der Profitabilität als auch der Allgemeinheit dienen. Ein Grossteil der Gewinne wird traditionell ins Unternehmen reinvestiert.
Schutz vor Inflation und konjunkturellen Einbrüchen
Zur Attraktivität von Aktien aus dem Pflegesegment trägt auch der implizite Inflationsschutz der Umsätze bei: Die Tagessätze der Bewohner sind reguliert und an die Inflation gekoppelt. Zudem sind die Risiken überschaubar, weil die Nachfrage nach Pflege und betreutem Wohnen unabhängig von der Konjunktur und teilweise durch Versicherungen gesichert ist. Das führt zu stetigen Einnahmen für die Betreiber. Darüber hinaus begrenzt die Vergabe von Lizenzen in vielen Ländern die Zahl der Marktteilnehmer und schafft hohe Markteintrittsbarrieren.
Die vier führenden Unternehmen auf dem europäischen Markt für Alten- und Pflegeheime beispielsweise kommen aus Frankreich, wo der Pflegebereich schon in den 1980er Jahren für private Betreiber geöffnet wurde.
Die feste Anzahl an Lizenzen in Frankreich führte dazu, dass die Unternehmen ihre Geschäfte schon bald auf das europäische Ausland erweiterten, weil der Regulator stets nur eine begrenzte Bettenzahl ausschreibt.
Nicht alle Geschäftsmodelle sind für Anleger attraktiv
Entscheidend für erfolgreiche Investments ist auch ein Blick auf das Geschäftsmodell. Die Attraktivität von Unternehmen aus dem Pflegesektor hängt stark davon ab, welcher Servicemix angeboten wird, in welchem Land die Unternehmen tätig sind, ob die Pflegeeinrichtungen im Eigentum der Unternehmen sind und ob Qualitätsstandards eingehalten werden, die zu einem guten Ruf führen.
Reha-Einrichtungen beispielsweise sind sehr profitabel und Unternehmen mit eigenen Pflegeimmobilien haben eine innere Wertuntergrenze. Zudem sind die regulatorischen Rahmenbedingungen in den Ländern unterschiedlich. In Frankreich wird beispielsweise die Lizenz für das Betreiben eines Bettes unbefristet erteilt, sofern die Qualitätsstandards eingehalten werden.
Orpea und Korian als Favoriten
Zu den langfristigen Gewinnern dürften aus heutiger Sicht die beiden französischen Anbieter Orpea und Korian zählen. So konnte Orpea die Umsätze von 2009 bis 2019 jährlich um 16 Prozent steigern, während mittlerweile knapp die Hälfte der Einrichtungen im Immobilienbesitz des Unternehmens sind. Korian war ähnlich erfolgreich. Beide Unternehmen gehören bereits heute zu den grössten Anbietern von Pflegediensten in Europa, verfügen über einen guten Ruf und können deshalb überproportional vom demografischen Wandel profitieren.