Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat unmittelbare Sanktionen gegen natürliche Personen und Unternehmen zur Folge gehabt. Mit weitreichenden Auswirkungen. Diese werden in der Öffentlichkeit manchmal unterschätzt. Es ist wichtig zu wissen, dass bei einem Verstoss gegen die Sanktionen nicht die sanktionierten Personen und Unternehmen bestraft werden. Die Strafe trifft denjenigen, der mit einer sanktionierten Person oder einem sanktionierten Unternehmen Geschäfte macht.
Der Bundesrat hat am 28. Februar 2022 entschieden, die Sanktionen der Europäischen Union (EU) gegen Russland zu übernehmen und somit deren Wirkung zu verstärken. Die bestehende Verordnung wurde deshalb am 4. März 2022 einer Totalrevision unterzogen.
Sanktionen der EU übernommen
Mit dem Entscheid vom 25. März 2022 schliesst sich die Schweiz den Massnahmen an, welche die EU am 9. und 15. März 2022 angesichts der anhaltenden Militärinvasion Russlands in die Ukraine beschlossenen hat. Bereits am 16. März 2022 hat die Schweiz die von der EU bis dahin beschlossenen Ausweitungen der Liste der Personen, die von Finanzsanktionen betroffen sind, umgesetzt.
Lamara von Albertini ist Gründerin und Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens von Albertini Compliance Services, welches Finanzdienstleister in rechtlichen und regulatorischen Themen berät. Aufgrund ihrer 20-jährigen Erfahrung in der Finanzindustrie im Bereich Legal, Compliance und Risk verfügt sie über ein breites und umfangreiches Wissen in Themen des Finanzmarktrechts, Governance, Compliance und Risk. Vor der Gründung ihrer eigenen Firma war Lamara von Albertini bei verschiedenen Banken sowie in einer Zürcher Anwaltskanzlei tätig. Sie ist Mitgründerin und Geschäftsführerin der Fidleg Academy in der Schweiz.
Die Ausfuhr von Gütern für den Energiesektor und damit verbundene Dienstleistungen werden neu untersagt. Ebenfalls verboten sind Beteiligungen und Bereitstellung von Darlehen oder sonstigen Finanzmitteln an Unternehmen, die im Energiesektor tätig sind.
Neu wird ein Einfuhrverbot von Eisen- und Stahlerzeugnissen aus oder mit Ursprung in Russland sowie ein Verbot der Ausfuhr von Luxusgütern und Gütern zur maritimen Navigation nach Russland eingeführt. Im Finanzbereich werden Transaktionen mit gewissen staatseigenen Unternehmen und die Bereitstellung von Ratingdienstleistungen verboten.
Risikoanalyse für Unternehmen unabdingbar
Die Sanktionen sind sehr umfangreich und gemäss dem politischen Willen lückenlos umzusetzen. Zu diesem Zwecke wurden internationale Taskforces eingerichtet, deren Zweck die Durchsetzbarkeit der Sanktionen ist. Hierzu gehört aktives Aufspüren sanktionierter Vermögen und möglicher Umgehungen.
Die eingeführten Sanktionen sind sehr komplex und können leicht unterschätzt werden. Die Umsetzung von Sanktionen benötigt Expertenfachwissen. Aufgrund von bereits vor dem Krieg errichteten Offshore-Konstruktionen, Strohmännern, Vermögens- oder Unternehmungsübertragungen an Angehörige sind die Verflechtungen nicht einfach durchzublicken.
Schweizer Unternehmen, die sich aus dem Russland-Geschäft nicht zurückziehen wollen, aber auch Unternehmen mit Berührungspunkten Russland sollten für ihre Unternehmen und einzelne Geschäftsbereiche einen gezielten Überblick sowie die Risikoanalyse durchführen. Eine der grössten Herausforderungen für Unternehmen besteht derzeit darin, bestehende Unternehmensprozesse an die Regelungen der Sanktionsverordnung anzupassen.
Mithilfe einer gezielten Risikoanalyse kann ermittelt werden, in welchen Unternehmensprozessen Berührungspunkte mit Russland beziehungsweise den beschlossenen Sanktionsregelungen bestehen.
Lieferketten und Endverwendung beachten
Im nächsten Schritt ist für Unternehmen mit Geschäften und/oder Berührungspunkten Russland das Erstellen eines Sanktionen-Compliance-Programmes unerlässlich. Hier werden betriebsinterne Regeln, Methoden und Techniken zusammengefasst, die ein Compliance-konformes Wirtschaften ermöglichen.
Insbesondere zu berücksichtigen sind die Lieferketten und die Endverwendung. Ein simples Abgleichen gegen die Sanktionslisten und Screenen von Geschäftspartnern, so wie es zuvor stattgefunden hat, ist nicht mehr ausreichend.
Im letzten Schritt sind die getroffenen Massnahmen im internen Kontrollsystem umzusetzen. Die endgültige Verantwortung obliegt dem Management, insbesondere dem Verwaltungsrat. Findet – trotz allen Vorkehrungen – ein Verstoss gegen das Embargo-Gesetz und/oder die Sanktionsverordnung statt, wirkt sich das Compliance-Management-Programm straf- und haftungsminimierend für das Management aus.
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Auch natürliche Personen betroffen
Des Weiteren verbietet die Sanktionsverordnung die direkte oder indirekte Bereitstellung von «wirtschaftlichen Ressourcen» an sanktionierte Personen oder Unternehmen. Auch die Bereitstellung von Arbeitskräften gilt als wirtschaftliche Ressource. Wird also der eigene Arbeitgeber auf die Schweizer Sanktionsliste gesetzt, ist es dem Arbeitnehmer untersagt, weiterhin für den Arbeitgeber in der Schweiz tätig zu sein.
Oftmals, insbesondere bei den aktuellen Sanktionen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine, sind es aber nicht Schweizer Unternehmen, sondern natürliche Personen, die auf den Sanktionslisten stehen. Diese natürlichen Personen können ihrerseits in Beziehung zu Schweizer Unternehmen stehen.
Die entsprechenden Schweizer Unternehmen sind von der Sanktion betroffen, wenn die sanktionierte natürliche Person Eigentümerin dieser Schweizer Unternehmen ist oder diese rechtlich oder faktisch kontrolliert. Ob dies der Fall ist, ergibt sich nicht aus den Sanktionslisten, sondern wird vom Seco beurteilt und entschieden.