Die Schifffahrt ist das Rückgrat des internationalen Handels und ein integraler Bestandteil der globalen Lieferkette. Die Schiffstransporte von Rohstoffen zu Raffinerien, verarbeiteten Waren zu Fabriken und Fertigwaren zu Verbrauchern machen etwa 80 bis 90 Prozent der weltweiten Handelsaktivitäten aus, wobei sich die Frachtkapazitäten seit 2005 verdoppelt haben.
Denjenigen, die sich der Bedeutung dieser kosteneffizienten Handelsform nicht voll bewusst sind, muss die globale Lieferketten-Krise der letzten Monate die Augen geöffnet haben. In China musste eine Reihe von grossen Schiffshäfen Covid-bedingt schliessen, während die hohe Zahl der Covid-19-Fälle in Ländern wie Vietnam und Malaysia die Produktionskapazität verringerte. Zudem verfügten einige stark frequentierte Containerhäfen nicht über genug Personal.
Wer könnte ausserdem die sechstägige Blockade des Suezkanals Anfang 2021 vergessen, als das Containerschiff «Ever Given» auf Grund lief? Infolge dieser Engpässe waren Tausende von Frachtcontainern in den grossen Häfen für Tage und Wochen stillgelegt, was die Versorgung der Verbraucher und der Fabriken weiter destabilisierte.
Emissionsarme Form von Gütertransport
Von der Allgemeinheit wurde der Schifffahrtsbereich vor diesen Schlagzeilen oft ignoriert. ESG-Anlegerinnen und -Anleger hingegen beobachten die Branche seit langem. Die Schifffahrt unterliegt zahlreichen Regeln und Vorschriften – etwa in Bereichen wie der Sicherheit der Belegschaft auf See, dem Umweltschutz sowie der Bereitstellung menschenwürdiger Arbeits- und Lebensbedingungen für Seeleute. In der ESG-Analyse von Unternehmen im Schifffahrtsbereich muss deshalb eine Vielzahl von Risiken berücksichtigt werden.
Eric Pedersen ist Head of Responsible Investments bei Nordea Asset Management.
Auch wenn die Schifffahrt verglichen mit dem Transport per LKW oder der Luftfahrt eine der emissionsärmsten Arten des Güterverkehrs ist, zählt sie mit mehr als einer Milliarde Tonnen Treibhausgasemissionen pro Jahr immer noch zu den grössten Emissionsquellen. Dies entspricht den gesamten CO2-Emissionen Deutschlands. Wenn sich hier nichts tut, werden sich die Emissionen bis 2050 verdoppeln.
Innovative Lösungen werden vorangetrieben
Im Gegensatz zu anderen Verkehrsträgern steht die Schifffahrt aufgrund des grossen Energiebedarfs über längere Strecken und Zeiträume jedoch vor einem schwierigen Weg zur Elektrifizierung. Positiv ist zu vermerken, dass es durch Fortschritte bei grünem Wasserstoff und Ammoniak einige Verbesserungen bei der Emissionsreduktion gegeben hat. So ist das norwegische Chemieunternehmen Yara International führend bei grünem Ammoniak, während Aker Carbon Capture und Aker Clean Hydrogen zu Schlüsselakteuren in der Kohlenstoffbindung und bei der Bereitstellung von sauberem Wasserstoff werden.
Innovationen in diesen Bereichen werden für die Schifffahrt in den kommenden Jahrzehnten von entscheidender Bedeutung sein. Bis diese Technologien grossflächig angewendet werden, werden aber noch einige Jahre vergehen.
Dennoch bleiben Reedereigruppen nicht einfach untätig. Der norwegische Schiffseigner Klaveness Combination Carriers ist führend bei der Reduktion der aktuellen Emissionen in der Schifffahrt. Durch die Entwicklung von Schiffen, die sowohl als Massengutfrachter (Bulkschiffe) als auch als Produkttanker eingesetzt werden können, müssen die Schiffe deutlich weniger ohne Fracht fahren.
Bei herkömmlichen Massengutfrachtern und Tankern machen solche Leerfahrten in der Regel etwa 50 Prozent der gesamten zurückgelegten Strecke aus. Während diese fortschrittlichen Schiffe teurer zu bauen sind als herkömmliche Bulker und Tanker, sind sie in zwei Aspekten überlegen: einerseits werden pro Tonne bewegter Fracht weniger Emissionen ausgestossen, und zweitens liegt die Kapitalrendite auf lange Sicht höher, da Ladung auf beiden Wegen transportiert wird.
Auch die dänische Maersk, die weltweit grösste Containerschiff-Reederei, will die Dekarbonisierung der Flotte beschleunigen. Zu diesem Zweck hat das Unternehmen kürzlich eine Reihe von Schiffen bestellt, die mit CO2-neutralem Methanol fahren können. Zudem sieht Maersk auch grünen Ammoniak als wichtigen zukünftigen Brennstoff und hat Pläne zum Bau von Europas grösster Anlage zur Herstellung von grünem Ammoniak an der dänischen Westküste unterstützt.
Neben den positiven Entwicklungen im Bereich der nachhaltigen Kraftstoffe wird auch die Energie- und Ressourceneffizienz an Bord laufend verbessert. Alfa Laval stellt Hardware her, die für den Betrieb des Maschinenraums eines Schiffes unerlässlich ist. Das schwedische Unternehmen sieht erhebliche Chancen bei der Bereitstellung nachhaltiger Lösungen in den Bereichen Wasseraufbereitung, Energieeffizienz, Emissionsverringerung und genereller Verringerung der Umweltverschmutzung.
Industrieübergreifendes Engagement ist gefragt
Im Bereich der maritimen Wirtschaft müssen Anleger eine ganze Reihe von ESG-Elementen berücksichtigen – angefangen von den Rechten der Besatzungsmitglieder und Werftarbeiter über die Ladungssicherung und Umweltbelange bis hin zum Recycling von Schiffen. Aktives ESG-Engagement ist hier zentral.
In einer solch globalen Industrie ist es jedoch wichtig, über das individuelle Unternehmensengagement hinaus Veränderungen anzustreben. Eine industrieübergreifende Zusammenarbeit ist von entscheidender Bedeutung, wie die Initiative «Responsible Ship Recycling Standards» einer Gruppe von Finanzinstituten belegt. Diese Grundsätze zielen darauf ab, die Gefahren im Zusammenhang mit dem Rückbau von Schiffen zu minimieren – einschliesslich der Arbeitsbedingungen und der Auswirkungen auf die Umwelt. Eine weitere globale Initiative, «Poseidon Principles», bietet einen Rahmen für die Berücksichtigung von Klimaaspekten bei der Kreditvergabe an Institutionen, die im Bereich der Schifffahrt tätig sind.
Es wird wahrscheinlich noch viele Jahre dauern, bis die Schifffahrt eine Nachhaltigkeitsrevolution erlebt, die mit derjenigen der Autobranche vergleichbar ist. Dennoch gibt es viele Wege, wie ESG-Anlegerinnen und -Anleger den ökologischen und gesellschaftlichen Fortschritt in dieser wichtigen globalen Branche fördern können.
1 Kommentar
Für mich als Aktionär ist es sehr ärgerlich wenn ein Management anstelle des Kerngeschäfts links-grüne ideologische (ESG) Ziele verfolgt. Dadurch wird dem Kerngeschäft Geld, Ingenieursstunden und Managementkapazitäten entzogen.
Wenn z.B. Moeller - Maersk Schiffe mit teurem Bioethanol anstelle von Diesel betreibt, während die vielfach asiatische Konkurrenz keinen derartigen ökoreligiösen Nonsens tut kommt diese Reederei ins Hintertreffen. Das mag in der aktuellen Situation mit Rekordfrachtraten keine Rolle spielen. Wenn jedoch die Frachtraten wieder Richtung Rentabilitätsgrenze sinken ist dies ein schwerer Nachteil im Wettbewerb.