Der Aktien des japanischen Gaming- und Elektrounternehmens Sony Group fielen am Mittwoch in Tokio um 13 Prozent. Das ist der stärkste Kursrückgang seit Oktober 2008, seit dem Höhepunkt der Finanzkrise. Hintergrund ist die Übernahme des Spieleherausgebers Activision Blizzard durch Microsoft für rund 69 Milliarden Dollar. Sony ist Hersteller der Play Station, Microsoft der Riese hinter der Xbox, Activision Blizzard die Firma hinter «Candy Crush», «World of Warcraft» und «Call of Duty».

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Die Blockbuster-Akquisition lässt die Bewertung von Sony an einem Tag um 20 Milliarden US-Dollar sinken. Der Vorstoss von Microsoft stellt Sonys traditionelles Konsolengeschäftsmodell in Frage, das sich auf hochkarätige Exklusivtitel und Hardwareverkäufe stützt. Spiele und Netzwerkdienste machen etwa 30 Prozent der Einnahmen von Sony aus.

«Sony wird vor einer gewaltigen Herausforderung stehen, um in diesem Zermürbungskrieg zu bestehen», sagt ein Marktbeobachter zur Nachrichtenplattform «Bloomberg». «Fallende Aktien zeigen, dass die Investoren besorgt sind, dass Sony nicht in der Lage sein könnte, weiter zu gewinnen, wenn sich die Branche tatsächlich vom hardwarebasierten Modell wegbewegt», so ein weiterer Beobachter.

Heftiger Aufpreis

Microsoft ist bereit, für Activision Blizzard einen heftigen Aufpreis zu zahlen: Das Gebot von 95 Dollar je Aktie liegt gut 45 Prozent über dem Schlusskurs vom Freitag. Der umstrittene Chef von Activision Blizzard, Bobby Kotick, solle weiter an der Spitze der Spielefirma blieben, hiess es. Kotick war in den vergangenen Monaten nach Vorwürfen von sexueller Belästigung und Diskriminierung bei dem Unternehmen in die Kritik geraten. Unter anderem wurde ihm vorgehalten, nicht entschieden genug gegen Fehlverhalten von Managern eingeschritten zu sein.

Activision Blizzard war im Sommer vom US-Bundesstaat Kalifornien verklagt worden. Der Konzern habe eine sexistische Unternehmenskultur gefördert, bei der Frauen systematisch benachteiligt würden, kritisierte die für die Einhaltung fairer Arbeitsbedingungen in dem Bundesstaat zuständige Behörde DFEH. Die Firma wies die Vorwürfe zunächst weit von sich, beauftragte dann aber doch eine Anwaltsfirma mit der Aufklärung der Vorwürfe.

Im Herbst folgte ein brisanter Artikel im «Wall Street Journal», der ihn persönlich mit Berichten über Misshandlungen von Frauen in Verbindung brachte und nahelegte, dass er seit Jahren von sexuellem Fehlverhalten, einschliesslich Vergewaltigungen, im Unternehmen wusste, es aber nicht dem Vorstand gemeldet hatte. Kotick entschuldigte sich und versprach, dies zu ändern.

Vorwürfe gegen Gates

In der Industrie wurde zuletzt immer wieder die Frage aufgeworfen, ob ein Neuanfang bei Activision Blizzard mit Kotick an der Spitze überhaupt möglich sei. Er hielt sich jedoch mit Rückhalt seines Verwaltungsrates fest im Chefsessel. Nach Abschluss der Übernahme soll Activision Blizzard nun Microsofts Spiele-Chef Phil Spencer unterstellt werden, der damit Koticks Boss wäre. Wahrscheinlicher ist aber, dass Kotick das Unternehmen verlassen wird.

Microsoft hat derweil ein eigenes, hausgemachtes Sexismus-Problem. Erste letzte Woche stimmte Microsoft zu, dass eine externe Anwaltskanzlei beauftragt wird, um die Kultur und die Vorwürfe zu untersuchen, wonach Gründer Bill Gates sich gegenüber einigen weiblichen Angestellten unangemessen verhalten haben soll. «Microsoft ist offensichtlich nicht immun gegen diese Probleme und wird eine Menge Aufräumarbeit leisten müssen», sagt eine Person zu «Bloomberg». Sie war massgeblich daran beteiligt, dass der Auftrag an die Anwaltskanzlei rausging.

«Die Microsoft-Aktionäre hatten im November gegen den Widerstand des Unternehmens eine nicht bindende Resolution zur Überprüfung der Richtlinien zur sexuellen Belästigung verabschiedet. Die Anwaltskanzlei wird die von den Mitarbeitern in einem langen E-Mail-Thread aus dem Jahr 2019 geäusserten Bedenken und die von Microsoft daraufhin ergriffenen Massnahmen untersuchen», wird die Person weiter zitiert.

Marktposition ausgeweitet

Microsoft rechnet mit einem Abschluss des Deals bis Ende seines nächsten Geschäftsjahres, das bis Mitte 2023 läuft. Vorher muss unter anderem noch die Zustimmung der Wettbewerbshüter eingeholt werden. 

Microsoft, das bereits Spielestudios mit bekannten Titeln wir «Doom» und «Minecraft» unter seinem Dach hat, würde seine Marktposition mit Activision Blizzard deutlich stärken. Games der Firma locken monatlich knapp 400 Millionen Spieler an. Rund 245 Millionen davon entfallen auf den vor einigen Jahren übernommenen «Candy Crush»-Anbieter King.

Die Spielebranche befindet sich aktuell in einem grossen Wandel. Zum einen verlagert sich mehr Geschäft von Konsolen und PCs auf Smartphones. Dort sind die Games meist zwar kostenlos zu spielen – viele Nutzer geben aber Geld für zusätzliche Inhalte oder Hilfen aus. Diese kleinen Beträge addieren sich angesichts der Grösse des Smartphone-Marktes zu beträchtlichen Summen.

Immer mehr Spiele gestreamt

Zum anderen gehört Microsoft zu den Plattform-Anbietern, die versuchen, Spiele-Streaming im Markt zu etablieren. Die Spiele laufen dabei eigentlich nicht auf den Geräten der Nutzer, sondern auf Servern im Netz. Das Modell bietet die Aussicht auf fortlaufende Abo-Einnahmen statt des einmaligen Verkaufs einer Konsole. Allerdings sind schnelle und reaktionsfreudige Internet-Verbindungen eine Grundvoraussetzung für das Modell, das bisher noch ein Nischenangebot ist.

Microsofts Geschäft mit der Xbox-Konsole wurde zuletzt, wie auch beim Konkurrenten Sony mit seiner Playstation, stark von den globalen Engpässen bei Chips und anderen Bauteilen gebremst. Xbox- und Playstation-Geräte der neuesten Generation sind mehr als ein Jahr nach der Markteinführung nach wie vor schwer zu bekommen.

Activision Blizzard profitierte wie auch andere Branchenplayer zeitweise von der Corona-Pandemie, in der Menschen mehr Zeit mit Videospielen und Smartphone-Games verbringen. Zuletzt verbuchte die Firma im Ende September abgeschlossenen Quartal ein leichtes Umsatzplus auf gut zwei Milliarden Dollar. Der Gewinn legte im Jahresvergleich um rund sechs Prozent auf 639 Millionen Dollar zu.

(tim/ise/awp)