«Steigende Zinsen sind Gift für die Technologieaktien», sagen Experten in der Überzeugung, dass steigende langfristige Zinssätze die Tech-Werte schwächen und damit deren Führung im Bullenmarkt kippen lassen. Was wird dabei übersehen? Vieles. Erstens hat der Technologiesektor in der Vergangenheit während eines Zinsanstiegs den breiten Markt tatsächlich häufiger übertroffen, als dass er zurücklag.  

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Und heute? Wenn der jüngste Zinsanstieg anhält, und schon das ist ein grosses Wenn, dann dürften die Tech-Aktien aufgrund unzähliger anderer günstiger Faktoren sich doch wieder an der Spitze behaupten. Betrachten Sie die Behauptungen über den Niedergang der Technologiewerte als das, was sie sind: als ein Zeichen dafür, dass der Lauf der Tech-Aktien noch nicht vorbei ist.    

Tech-Aktien sind nicht besonders zinssensitiv  

Tech-Aktien mit Zinsen zu verknüpfen, entspringt einer kurzsichtigen Vorstellung: Demnach sollen höhere Zinssätze das vermindern, was die Anleger für die zukünftigen Gewinne eines Unternehmens zahlen. Sie verringern den Gegenwartswert dieser künftigen Gewinne und machen dafür die Anleihen attraktiver.

Über den Autor

Ken Fisher ist Gründer und Executive Chairman von Fisher Investments, einer Vermögensverwaltungsfirma mit Niederlassungen in sechs Ländern, die rund 188 Milliarden Dollar verwaltet. Fisher zählt zu den einflussreichsten (und auch reichsten) Investment-Managern der USA.        

Und da das natürliche Wachstumspotenzial von Tech-Aktien ihre Attraktivität untermauert, ziehen die Fachleute den Schluss, dass sie von steigenden Zinsen am stärksten betroffen sein dürften. Value-Unternehmen würden in solchen Perioden besser abschneiden.    

Auch andere Faktoren spielen eine Rolle  

Das kann zutreffen. Aber Zinsen sind immer nur einer von vielen Faktoren für die Kursentwicklung. Die Daten vieler Jahre widerlegen den angeblichen Einfluss der Leihraten auf Technologiewerte. Seit 1973 haben sich globale Tech-Aktien in mehr als der Hälfte der Zeit, in der die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen gestiegen sind, besser entwickelt als die weltweiten Aktien generell.    

Natürlich unterscheiden sich die heutigen Technologiewerte von denen vergangener Jahrzehnte. Sie sind weniger auf Hardware, dafür mehr auf Software und Dienstleistungen ausgerichtet. Aber der Tech-Sektor ist dadurch nicht zinslastiger geworden.

Vom 5. Juli 2016 bis zum 8. November 2018 stiegen die Zinssätze für zehnjährige US-Staatsanleihen von 1,37 Prozent auf 3,24 Prozent. Der globale Tech-Sektor stieg gleichzeitig aber um 74,4 Prozent, also doppelt so stark wie die weltweiten Aktien mit 30,3 Prozent. Warum? In Reifephasen von Wachstumsperioden schneiden nichtzyklische Titel mit hohen Bruttogewinnmargen regelmässig besser ab. Und das sind im Wesentlichen Tech-Aktien.      

Zinsdruck ist nicht so hoch wie befürchtet  

Dass die Zinssätze wegen der langsamen Straffung der Geldzügel durch die Notenbanken und wegen der höheren Energiepreise in die Höhe schnellen, ist nicht wahrscheinlich. Vieles ist schon eingepreist. Wie auch die Lieferkettenprobleme. Und die weltweite Nachfrage nach hochwertigen Schuldtiteln ist nach wie vor sehr hoch und würde jeden Zinsanstieg zunichtemachen.

Die Zinseffekte in der Schweiz

Am Schweizer Aktienmarkt spielen Technos nur eine kleine Rolle. Dafür Wachstums- und Substanzwerte. Von Ende August 2010 bis Mitte April 2011 stiegen die zehnjährigen Staatsanleihen in der Schweiz von 1,05 Prozent auf 2,13 Prozent. Die Schweizer Wachstumsaktien legten gleichzeitig um 6,5 Prozent zu. Die Value-Werte nur um 1,2 Prozent. Als die Zinsen der zehnjährigen Anleihen von –0,63 Prozent Mitte Juli 2016 auf 0,19 Prozent Anfang Februar 2018 stiegen, kletterten die schweizerischen Value-Werte um 21,5 Prozent und überstiegen damit die 5,9 Prozent der Wachstumsaktien. Aber der Anstieg der langfristigen Zinsen auf etwa 0,2 Prozent war nicht der Grund dafür. Eher die getrübte Stimmung wegen der Pattsituation der Schweiz mit der EU. Diese belastete die grossen, globalen Wachstumsunternehmen der Schweiz merklich. Die Titel der Schweizer Wachstumsaktien mit geringer Marktkapitalisierung stiegen dagegen um 48,7 Prozent.    

Die Inflation wird sich eher früher als später wieder zurückbilden. Denn auch die Energiepreiserhöhungen dürften sich verlangsamen. Aussereuropäische Öl- und Gasunternehmen stocken derzeit die Produktion auf. Europas Windsorgen könnten ebenfalls abflauen, was die meisten Anleger wahrscheinlich überraschen und den Zinsanstieg verlangsamen wird.    

Vorteile auf für Pharma  

Das sich abschwächende globale Wachstum hilft Unternehmen, die keine zyklischen Schübe benötigen. Das gilt doppelt, wenn Lieferkettenunterbrechungen, Arbeitskräftemangel und Einschränkungen in den Fabriken anhalten. Diese Schwierigkeiten begünstigen Unternehmen mit geringeren Mitarbeiterzahlen und der Möglichkeit, die Bedingungen für Lieferanten und Spediteure vorzugeben.

Das heisst wiederum Unternehmen mit hohen Gewinnmargen, die längerfristigen Trends folgen. Dazu zählen grosse Wachstumsunternehmen wie Technologie- und auch Schweizer Pharma- und Luxusgüterunternehmen.    

Die USA sind der klare Vorreiter  

Und wenn ich mich irre? Auch dann sind die Technologiefirmen noch nicht am Ende. Bei Sektoren gibt es keine binären Entscheidungen. In ihren Untergruppen wirken vielfältige, aber auch miteinander in Konflikt stehende Antriebskräfte. Die Hardware- und Halbleiterfirmen des Tech-Sektors sind wirtschaftlich viel sensibler. Danken Sie dem Moore’schen Gesetz und der Kommerzialisierung von Halbleitern dafür. Und sie wirken regelmässig als zeitliches Gegengewicht, wenn Software und Softwaredienstleistungen hinterherhinken.    

Schauen Sie sich in den USA nach Technologiewerten um, denn dort gibt es weitaus am meisten davon. Die Niederlande, Korea und Taiwan bieten jedoch einige Diversifizierungsmöglichkeiten in den Bereichen Hardware und Halbleiter.    

Weltweit einkaufen  

Zinsverschiebungen allein bedeuten für den Technologiesektor oder für jeden andern Sektor nichts. Zinsen bewegen sich aufgrund der gleichen Faktoren wie Aktien in Echtzeit. Ebenso wenig bestimmen die heutigen Schwankungen jene von morgen. Überbewerten Sie daher kurzfristige Schwankungen nicht. Kaufen Sie weltweit ein, um von der unterschätzten fundamentalen Stärke der Tech-Aktien zu profitieren

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