Nach der beispiellosen Eskalation im Ukraine-Konflikt haben eine Reihe von Ländern vor dem UN-Sicherheitsrat mit Konsequenzen gegen Russland gedroht. Die USA sehen die Handlungen als ersten Schritt zu einem vollständigen Einmarsch. Russland gab unterdessen der Ukraine die Schuld und drohte mit «äusserst gefährlichen Folgen». Moskaus Partner China hielt sich auffallend zurück.
Die US-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield verurteilte die Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk in der Ostukraine durch Russland sowie die Entsendung von Truppen in die Regionen. «Darüber hinaus ist dieser Schritt von Präsident Putin eindeutig die Grundlage für den Versuch Russlands, einen Vorwand für eine weitere Invasion der Ukraine zu schaffen», sagte sie. Putin habe das Minsker Abkommen «in Stücke gerissen». Die Botschafterin kündigte schwere Konsequenzen für Moskau an.
China schweigt
Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja tat diese und andere Wortmeldungen - unter anderem von Verbündeten wie Irland, Norwegen oder Albanien - als «emotionale Stellungnahmen» ab. In seiner Rede nahm er die Ukraine ins Visier. Diese habe «militärische Pläne» und beschiesse und provoziere Luhansk und Donezk. Nach Anerkennung der «Volksrepubliken» durch Moskau könne dies «äusserst gefährliche Folgen haben». Kiew habe das Minsker Abkommen nicht erfüllen wollen. Um einen Krieg zu vermeiden, müsse die Ukraine nun zu einem Ende seiner Provokationen gezwungen werden. «Wir beabsichtigen nicht, ein neues Blutbad im Donbass zuzulassen», sagte Nebensja.
Die Massnahmen für einen Einmarsch in die Ukraine, vor dem westliche Länder wochenlang gewarnt hatten, waren von UN-Generalsekretär António Guterres als Bruch der Charta der Vereinten Nationen bezeichnet worden - ein seltener Vorwurf gegen eine Vetomacht. Russlands engster Partner im Sicherheitsrat kam derweil nicht zur Hilfe: Nur 1:16 Minuten dauerte das Statement von Pekings Gesandtem Zhang Jun, in dem er sagte, dass alle internationalen Streitigkeiten «mit friedlichen Mitteln im Einklang mit den Zielen und Grundsätzen der UN-Charta» gelöst werden müssten.
Der deutschen UN-Botschafterin Antje Leendertse zufolge offenbarte Russland mit seinem Vorgehen seine wahren Absichten. «Russland hat wiederholt darauf bestanden, nicht an dem (Ukraine)-Konflikt beteiligt zu sein. Heute hat es sich entlarvt und zeigt, dass es das schon immer war», sagte sie. Wie auch Frankreich, Grossbritannien und weitere westliche Länder kündigte sie «entschiedene und angemessene Massnahmen» an.
Indien gibt sich neutral
Unter dem Eindruck der amerikanischen Aussage, dass ein Angriff auf die Ukraine ein Angriff auf die territoriale Integrität aller Staaten ist, entschieden sich auch eine Reihe von weiteren Ländern - darunter Kenia, Gabun, Ghana und mit Abstrichen auch Brasilien - zu Kritik an Russland. Indien und die Vereinigten Arabischen Emirate nahmen neutralere Rollen ein. Der ukrainische UN-Botschafter Serhij Kyslyzja gab sich kämpferisch: «Wir werden standfest sein. Wir befinden uns auf unserem Grund und Boden. Wir haben vor nichts und niemandem Angst. Wir schulden niemandem etwas und wir geben niemandem etwas».
Wegen der Vetomacht Russland blieb der Sicherheitsrat am Montag wieder nur eine Bühne, auf der keine gemeinsamen Lösungen gefunden wurden. Einige Länder verwiesen darauf, dass der Konflikt weitergehe und ein nächster Schritt Putins viele Opfer zur Folge haben könnte: "Eine Invasion in der Ukraineentfesselt die Kräfte des Krieges, des Todes und der Zerstörung gegen die Menschen in der Ukraine. Die humanitären Auswirkungen werden für Zivilisten, die vor den Kämpfen fliehen, schrecklich sein", sagte die britische UN-Botschafterin Barbara Woodward. "Wir fordern Russland auf, einen Schritt zurückzutreten."
US-Botschafterin Thomas-Greenfield warf dem russischen Präsidenten zudem vor, er träume von einem russischen Grossreich. «Putin möchte, dass die Welt in der Zeit zurückreist, in die Zeit vor den Vereinten Nationen, in eine Zeit, als Imperien die Welt beherrschten - aber der Rest der Welt hat sich vorwärts bewegt. Es ist nicht 1919, sondern 2022.»
(sda/tdr)