Asiatische Währungen galten in den letzten Jahren als recht stabil, weshalb der aktuelle Yen-Taucher verblüfft. Der Grund für diese Entwicklung ist die unerschütterliche Entschlossenheit der Bank of Japan (BOJ), die lockere Geldpolitik zur Unterstützung der heimischen Wirtschaft beizubehalten. Ausser Japan verfolgt gegenwärtig nur noch China einen solchen Kurs. Die grosse Mehrheit der Zentralbanken hat bereits einen Straffungszyklus eingeleitet.
Die BOJ bekräftigte ihr Versprechen im März mit umfangreichen Anleihenkäufen am Markt, um den 10-jährigen JGB-Satz im Rahmen ihrer Renditekurvensteuerung bei 0,25 Prozent zu halten. Und weil die BOJ die japanischen Zinssätze niedrig hält, haben sich die Zinsunterschiede zwischen den USA und Japan nach der ersten Zinserhöhung der Fed im März und den anhaltend aggressiven Kommentaren, die die US-Zinsen in die Höhe treiben, erheblich vergrössert.
Die «Kuroda-Linie»
Während die BOJ im Allgemeinen mit einem schwächeren Yen zufrieden war, haben das Ausmass und die Geschwindigkeit der Abwertung die Beamten wahrscheinlich verunsichert. Das veranlasste Gouverneur Kuroda dazu, sich gegen die volatile Bewegung auszusprechen, nachdem der Yen auf 125 gegenüber dem Dollar gefallen war.
Daryl Liew ist Chief Investment Officer für Reyl Singapore. Von 2002 bis 2010 arbeitete er bei Providend Ltd in Singapur und war zuletzt in der Generaldirektion für die Investments verantwortlich. Er gehört zu den Verfassern des «Singapore Master Financial Planning Guide». Daryl Liew besitzt einen Master in Business Management, Fachgebiet Finanzwesen, des Asia Institute of Management (Philippinen, 2002). Er verfügt ferner über eine Zulassung als CFA (2005).
Die 125er-Marke gilt als «Kuroda-Linie»: Es ist eine Marke, an der die BOJ zuvor angedeutet hatte, dass sie mit der Verteidigung der Währung beginnen würde. Diese Äusserungen hatten den gewünschten Effekt: Der Yen legte kurzfristig etwas zu.
Importierte Inflation wird grösser
Eine schwächere Währung ist im Allgemeinen wünschenswert, da sie die japanischen Exporte wettbewerbsfähiger macht. Ein zu schwacher Yen könnte aber die importierte Inflation vergrössern. Unter normalen Bedingungen wäre die importierte Inflation im fernöstlichen Industrieland kein grosses Problem. Japan hat ja seit Jahrzehnten mit einer Deflation zu kämpfen. Selbst jetzt stieg die Kern-Inflation – ohne Lebensmittel, aber einschliesslich Energie – im Februar nur um 0,6 Prozent im Jahresvergleich.
Der Krieg in der Ukraine und der daraus resultierende Anstieg der Energiepreise setzt die Inflationserwartungen jedoch unter Aufwärtsdruck. Der Tokioter Kerninflationsindex für März erreichte kürzlich ein Zweijahreshoch von 0,8 Prozent, was auf einen Anstieg der Energiepreise um 26 Prozent zurückzuführen ist. Angesichts der derzeitigen Entwicklung scheint es wahrscheinlich, dass Japan irgendwann in diesem Jahr das Kerninflationsziel der BOJ von 2 Prozent erreichen wird.
Teuerungsschlaufe
Während die Konsumentenpreise in Japan derzeit kein Problem darstellen, sind die Erzeugerpreise ein echter Grund zur Sorge. Der japanische PPI stieg im Februar um 9,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr – so stark wie seit 41 Jahren nicht mehr. Ein anhaltend schwacher Yen wird den Preisanstieg bei den Importen noch weiter verschärfen.
Das wird wiederum Druck auf die Gewinnspannen der Unternehmen verursachen, wenn diese nicht in der Lage sind, die höheren Preise an die Konsumenten weiterzugeben. Bereits beginnen sich diese Befürchtungen auf die Stimmung in der Wirtschaft auszuwirken, was sich in der schwachen Tankan-Umfrage unter den Herstellern vom März widerspiegelt.
Gefahr einer Stagflation
Japans Wirtschaft steht bereits unter Druck, da der IWF seine BIP-Wachstumsprognose für 2022 gerade von 3,3 auf 2,2 Prozent gesenkt hat. Und da der Inflationsdruck allmählich ansteigt, wächst die Gefahr einer Stagflation. Das setzt Gouverneur Kuroda unter Druck: Er muss abwägen zwischen der Inflationsgefahr einerseits und anderseits der Notwendigkeit, günstige monetäre Bedingungen zur Unterstützung der schwächelnden Wirtschaft zu schaffen.
Ein Problem, das nicht zuletzt durch die jahrzehntelange Niedrigzinspolitik Japans entstanden ist. Das könnte eine Warnung an andere westliche Länder sein, dass eine solche Politik nur als vorübergehende Lösung eingesetzt werden sollte, weil sie sonst zu potenziellen strukturellen Problemen führen könnte.