Nach zahlreichen Spekulationen über einen möglichen Zahlungsausfall hat Russland die Couponzahlungen für zwei seiner Dollar-Anleihen veranlasst. Die Märkte reagierten erleichtert und der Kurs der Anleihen stieg nach Bekanntwerden der Zahlungen wieder an. Daraus sollte man aber keine Schlüsse ziehen, was mit den übrigen russischen Fremdwährungsanleihen im Gesamtwert von rund 40 Milliarden Dollar geschehen wird.

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Der andauernde Krieg in der Ukraine hat dazu geführt, dass die russischen Staatsanleihen in Fremdwährung rasch auf ein Niveau gefallen sind, das einen Zahlungsausfall sehr wahrscheinlich macht. Dennoch ist ein solcher bei Staatsanleihen ein äusserst seltenes Ereignis, und sollte er tatsächlich eintreten, wäre es das erste Mal seit 1998, dass dies in Russland geschieht. In den letzten Wochen haben alle grossen Rating-Agenturen russische Staatsanleihen von «Investment Grade» auf «Junk» herabgestuft.  

Auch Ukraine wird umschulden müssen  

Auf die Auslandsanleihen Russlands dürften die Ereignisse kaum mehr Auswirkungen haben, da diese zu extrem niedrigen Kursen gehandelt werden, die auf eine hohe Ausfallwahrscheinlichkeit hindeuten. Diese Entwicklungen könnten die Aufmerksamkeit auch auf die Ukraine lenken, wo die offiziellen Stellen darauf bestehen, dass sie die Auslandsschulden vorerst bedienen werden. Letztlich kommt die Ukraine wahrscheinlich aber nicht an einer Art Umschuldung vorbei.  

Über den Autor

Ben Robins ist Portfoliospezialist für Anleihen und unterstützt Strategien für Schwellenländeranleihen. Seit 2016 ist er bei T. Rowe Price tätig. Zuvor war er bei Cambridge Associates als Managing Director mit Schwerpunkt auf Anlageberatung, einschliesslich Kundenbeziehungsmanagement und Research für Fixed-Income-Manager, tätig. Davor war Ben bei Lehman Brothers im Bereich Investments tätig. Insgesamt hat er über zwanzig Jahre Anlageerfahrung.  

Generell dürften die Schwellenländermärkte bis auf weiteres volatil bleiben. Die Spreads von Emerging-Markets-Anleihen haben sich in letzter Zeit ausgeweitet. Auf die Stimmung der Anleger drücken sowohl die Ukraine-Krise als auch die Aussicht auf eine Straffung der Geldpolitik. Infolgedessen waren Emerging-Market-Anleihen von Abflüssen betroffen. Es ist zu erwarten, dass sich dieser Trend in nächster Zeit fortsetzen wird.

Doch die jüngste Spread-Ausweitung hat dazu beigetragen, dass sich die Bewertungen in anderen EM-Anleihen-Bereichen verbesserten. Das heisst, wir nähern uns Rendite- und Spread-Niveaus, die Schwellenländeranleihen im Vergleich zu anderen festverzinslichen Werten wieder attraktiv machen.  

Grosswetterlage bleibt angespannt  

Die jüngsten Entwicklungen bei den russischen Anleihen verschärfen die ohnehin schon schlechte Lage der russischen Wirtschaft. Die Sanktionen sind die bedeutendsten, die seit einer Generation gegen eine grosse Volkswirtschaft verhängt worden sind, und werden wahrscheinlich zu einer erheblichen Schrumpfung der russischen Wirtschaft führen.  

Es gibt zwei grundsätzliche Risiken, über die die Situation in der Ukraine auf die Schwellenländer übergreifen kann: Rohstoffpreise und Finanzströme.  

Für Rohstoffimporteure wie Indien sind steigende Rohstoffpreise ein negativer Handelsschock, der wahrscheinlich Einkommen aus der Wirtschaft abzieht, was eine Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit zur Folge hat.  

Es gibt auch Gewinner  

Für Rohstoffexporteure wie Brasilien sind steigende Rohstoffpreise hingegen ein positiver handelspolitischer Schock, der wahrscheinlich die Wirtschaftstätigkeit und die Kreditvergabe ankurbeln wird. Der Inflationsdruck könnte dazu führen, dass die Zentralbanken in den Schwellenländern die Zinsen stärker anheben und länger hochhalten als erwartet. Bislang hat dies nur zu einer bescheidenen Anpassung der lokalen Zinssätze geführt, da aggressive Zinserhöhungen bereits bis zu einem gewissen Grad eingepreist waren.  

Wie bereits erwähnt, kam es aufgrund der Krise zu Abflüssen aus Schwellenländeranleihen. Es gilt zu beobachten, wie sich die Entscheidung von J.P. Morgan, Russland am 31. März aus seinen EM-Benchmarks zu streichen, auf andere Schwellenländer auswirken könnte. Bei den Auslandsschulden wird sich die Umverteilung von Russland gleichmässig auf eine Reihe von Ländern verteilen; bei den lokalen Schuldtiteln wird sie stärker konzentriert sein, wobei Brasilien, Thailand und Malaysia Marktanteile gewinnen werden.  

Wie geht es weiter?  

Für die betroffenen Anleihen gibt es eine 30-tägige Schonfrist, bevor ein Ausfall erklärt werden kann. Da in den kommenden Wochen Coupon- und Fälligkeitszahlungen für andere russische Auslandsanleihen anstehen, bleibt das Thema brisant. Es ist davon auszugehen, dass sich der Krieg in die Länge zieht.

Einziger Hoffnungsschimmer ist, dass die Gespräche zwischen der Ukraine und Russland noch im Gange sind und sich die Lage schnell ändern könnte. Die Stimmung kann auf beide Seiten kippen – entweder gibt es Anzeichen für eine Lösung des Konflikts, was die Stimmung verbessert, oder die Situation verschlechtert sich, was die Stimmung weiter drückt.  

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