Noch ist eine Fortsetzung des Aufschwungs der Weltwirtschaft die wahrscheinlichste Entwicklung und unser Basisszenario. Demnach kann die Inflation in Schach gehalten und das Wachstum stabilisiert werden. Es gibt jedoch auch drei andere mögliche Fortsetzungen: die wilden Zwanziger, eine Inflation oder die «Japanisierung».

Die wilden Zwanziger

Es gibt aktuell zwar keine Fransenkleider und keine Prohibition, aber es gibt doch mehrere Ähnlichkeiten mit den «Roaring Twenties», einem Jahrzehnt mit starkem Wirtschaftswachstum. Bei den aufgeschobenen Ausgaben besteht ein Nachholbedarf.

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Da die Geschäfte und Restaurants geschlossen und die Ferienreisen eingeschränkt waren, wurde weniger konsumiert (vor allem im Dienstleistungsbereich) und mehr gespart. Das könnte sich bald wieder ändern.

Neuaufbau der Lieferketten

Eine schnellere Einführung von neuen Technologien könnte zu einem höheren Produktivitätswachstum führen. Ebenso könnten die Unternehmen bereit sein, mehr Geld auszugeben. Viele von ihnen haben ihre Investitionen im vergangenen Jahr reduziert, um Kapital und Liquidität zu sichern.

Jetzt, da sich die wirtschaftliche Lage verbessert hat, können diese Unternehmen ihre Investitionsprogramme zur Kapazitätserweiterung wieder aufnehmen. Insbesondere Unternehmen, deren Lieferkette unterbrochen wurde, werden wahrscheinlich mehr in inländische Anlagen investieren, um ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber künftigen Schocks zu verbessern.

Gigantische Infrastrukturprogramme

Eine weitere interessante Parallele zu den Zwanzigern sind die Infrastrukturausgaben. Vor einem Jahrhundert wurde die Massenproduktion von Fahrzeugen in der westlichen Welt alltäglich, was umfangreiche Infrastrukturinvestitionen wie Strassen und Brücken erforderte. Zur gleichen Zeit führte die Einführung von Telefonen dazu, dass Telefonleitungen über Kontinente hinweg verlegt wurden.

Heute haben die Regierungen riesige Budgets zur Unterstützung der Energiewende und zur Erneuerung der maroden Infrastruktur bereitgestellt. Ein Szenario der wilden Zwanziger würde eine höhere Inflation und einen stärkeren Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt mit sich bringen. Risikoreiche Anlagen wären die bevorzugten Anlageklassen, während sichere Anlagen – insbesondere Staatsanleihen – unter Druck geraten könnten.

Über den Autor

Jacob Vijverberg ist seit 2008 Mitglied bei Aegon AM. Er ist für die strategische Vermögensallokation, makroökonomische Analysen und Ertragsstrategien zuständig. Zuvor arbeitete er bei der ABN Amro Bank als Quantitative Risk Analyst mit Schwerpunkt Risikomodellierung. Vijverberg verfügt über 15 Jahre Branchenerfahrung, hat einen MSc in Experimentalphysik von der Universität Utrecht und ist CFA Charterholder.

Inflation gerät aus dem Ruder

Die weltweite Inflation war in den letzten Jahrzehnten rückläufig, was auf die Globalisierung, den geringeren Lohndruck, den technologischen Fortschritt und die demografische Entwicklung zurückgeführt wird. Seit Anfang 2021 hat sich dieser Trend drastisch gekehrt. Nun diskutieren Ökonomen, ob die Inflation für einen längeren Zeitraum hoch bleiben wird.

Eine strukturell höhere Inflation ist plausibel. Die Nachfrage hat sich im Allgemeinen als widerstandsfähiger erwiesen als ursprünglich befürchtet und die Unternehmen waren nicht in der Lage, die Produktion entsprechend zu steigern. Dies führt derzeit zu Unterbrechungen der Versorgungskette, zusätzlich zu den Störungen im Zusammenhang mit Covid-19, was zu vorübergehenden Engpässen und höheren Preisen führt.

Notenbanken schwemmen die Märkte weiterhin mit Geld

Gleichzeitig haben die Zentralbanken eine lockere Geldpolitik verfolgt. Wenn die geschaffene Liquidität ihren Weg in die Realwirtschaft findet, könnte dies zu einer Inflation führen. Die Lohninflation nimmt aufgrund der angespannten Lage und der Spannungen auf dem Arbeitsmarkt zu. Auch die Unternehmen sehen sich mit höheren Kosten konfrontiert: zum einen durch die Umkehrung der Auslagerung in Niedriglohnländer, da die Pandemie die Anfälligkeit komplexer und internationaler Lieferketten offenbart hat, zum anderen aber auch durch gross angelegte Investitionspläne zur Verbesserung der Infrastruktur und zur Förderung erneuerbarer Energien.

Sachwertanlagen werden begehrter

In einem Inflationsszenario würden wir erwarten, dass Vermögenswerte mit einer positiven Inflationsbindung, wie Rohstoffe, gut abschneiden. Wir gehen davon aus, dass die politischen Entscheidungsträger bei einer anhaltenden Inflation handeln werden, indem sie die Programme zum Ankauf von Vermögenswerten zurückfahren und die Leitzinsen anheben. In diesem Fall würden die Zinssätze für Staatsanleihen steigen, was zu negativen Renditen für Staatsanleihen führen würde. Aktien könnten sich kurzfristig als volatil erweisen, sollten sich aber mittelfristig gut entwickeln.

«Japanisierung»

Das vielleicht düsterste Szenario ist ein schwaches Wirtschaftswachstum, niedrige Inflation und niedrige Zinssätze, ähnlich wie in Japan in den 1990er Jahren, als das Land in sein «verlorenes Jahrzehnt» eintrat. Das Wachstum könnte sich als enttäuschend erweisen, wenn eine neue impfstoffresistente Variante auftaucht oder sich die Weltwirtschaft als stärker angeschlagen erweist als derzeit erwartet.

Es kommt zu einer Deflation

Ein Rückgang des BIP oder eine langsame Erholung dürfte sich disinflationär auswirken, da die Arbeitslosigkeit höher und die Kapazitätsauslastung geringer sein wird. Da die Zinssätze bereits niedrig sind, werden die Zentralbanken nur begrenzte Möglichkeiten haben, um die Inflation wieder auf ihre Ziele zu bringen.

Obwohl Japans Geschichte einzigartig ist, gibt es zwei Faktoren, in denen sich die westliche Welt und Japan ähneln: die hohe Staatsverschuldung und die schwache Demografie. Auch wenn die «Japanisierung» eine eher unwahrscheinliche Option bleibt, ist sie dennoch möglich.

Aktien bekommen Gegenwind

In einem Szenario wie in Japan werden die Zentralbanken die Leitzinsen niedrig halten, um die Inflation und das Wirtschaftswachstum zu stützen. In diesem Szenario werden die Realzinsen – trotz der niedrigen Inflation – niedrig oder sogar negativ bleiben. Vermögenswerte, die von niedrigen Zinsen profitieren, wie z. B. Staatsanleihen mit langer Laufzeit, dürften sich gut entwickeln. Aktien hingegen hätten mit Gegenwind zu kämpfen.

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