Dass steigende Zinsen grundsätzlich schlecht für die Aktienmärkte sind, ist kein Geheimnis. Denn damit steigen einerseits die Refinanzierungskosten, was die Gewinnmargen belastet, und anderseits die Diskontierungssätze für zukünftige Gewinne beziehungsweise Cashflows, was an Bewertungsniveaus rüttelt.
Oliver Scharping ist Portfolio Manager beim Asset Manager Bantleon Bank.
Das trifft vor allem junge Technologiefirmen, deren Cashflows oft noch weit in der Zukunft liegen und entsprechend stark abgezinst werden. Die individuellen Auswirkungen hängen freilich vom Ertragsprofil, den Aussichten und der Position im Markt ab. Unabhängig davon sollten Anleger angesichts sehr hoher Bewertungen bei Aktien und Anleihen zumindest einen Teil ihres Portfolios gegen dieses herausfordernde Finanzmarktumfeld «absichern».
Dafür eignen sich insbesondere alternative Aktienstrategien. Diese Strategien können aktienmarktähnliche Renditen mit anleiheähnlichem Risiko erzielen, die Abhängigkeit von den breiten Aktienmärkten verringern und Schutz vor den Folgen steigender Zinsen bieten. Derzeit gehen die meisten Volkswirte von weiter steigenden Zinsen aus.
«Privatanleger sollten Direktinvestments meiden und stattdessen in spezialisierte Anlagefonds investieren.»
Zu den bekanntesten alternativen Aktienstrategien zählen Event-Driven-Strategien. Deren Aussichten sind derzeit besonders vielversprechend: wegen des rekordverdächtigen M&A-Momentums, der hohen Aktivität aktivistischer Investoren sowie der Institutionalisierung von börsenkotierten Mantelgesellschaften (Spac).
Schon 2021 war ein im wahrsten Sinne des Wortes ereignisreiches M&A-Jahr voller Events. Es gab mehr Übernahmen sowie mehr Bieterwettkämpfe als jemals zuvor und die Zahl der Abspaltungen erreichte einen Mehrjahresrekord. Der Grund liegt auf der Hand: Die Welt veränderte sich schnell nach der ersten Coronavirus-Welle und Fusionen, Übernahmen und Abspaltungen gehören bekanntlich zu den am schnellsten umzusetzenden Massnahmen, um Unternehmen neu auszurichten.
Entsprechend haben sich die Nettorenditen bei M&A-Investments in den USA seit Beginn der Pandemie von 3,3 auf 7,9 Prozent mehr als verdoppelt – bei unverändert tiefem Risiko. Ursachen sind eine gestiegene Angst bei Arbitrageuren vor dem Scheitern von Deals sowie ein strukturelles Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage. Gleichzeitig haben sich einige Generalisten, die mit wenig Erfahrung ein Stück des Merger-Arbitrage-Kuchens abbekommen wollten, nach starken Spread-Ausweitungen im März 2020 die Finger verbrannt und aus der Anlageklasse zurückgezogen.
Die steigenden Zinsen dürften Merger Arbitrage nicht schaden – im Gegenteil: Als wichtigste Substrategie der Anlageklasse Event Driven kann sie sogar von steigenden Zinsen profitieren. Das hängt damit zusammen, dass der risikofreie Zinssatz ein wesentlicher Bestandteil der Merger-Arbitrage-Renditen ist und Merger-Arbitrage-Positionen in der Regel drei bis sechs Monate eingegangen werden.
Auch Spac profitieren von einem strukturellen Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage. Derzeit gibt es weltweit fast 600 aktive Spac auf der Suche nach Zielen. Monatlich kommen rund 50 Spac durch Börsengänge hinzu, wohingegen durchschnittlich etwa 20 Fusionen mit Zielunternehmen angekündigt werden. Dies führt dazu, dass der Angebotsüberhang bei Spac gewachsen ist und weiterhin wächst. Damit ist das Umfeld für Spac-Arbitrageure sehr attraktiv, da aktuell sowohl Pre-Deal-Spac als auch solche mit bereits angekündigter Transaktion im Durchschnitt unter dem Wert des Treuhandvermögens handeln. Ein attraktives Umfeld für Spac-Arbitrageure, das sich in den nächsten Monaten auch nicht ändern dürfte.
Wegen der Komplexität der Strategie Event Driven sollten Privatanleger Direktinvestments meiden und stattdessen in spezialisierte Anlagefonds investieren. Wenn diese Event-Driven-Aktienfonds aktuell ihren Fokus auf Merger Arbitrage und Spac-Arbitrage legen, sind sie gut positioniert. Sondersituationen sollten derzeit neutral gewichtet werden, während für die Substrategie Relative Value – auch wenn sich die Zeichen langsam bessern – eher noch immer ein Untergewicht sinnvoll ist