Die diesjährige Tour de France ist ihrem Ruf, eine Tour der Leiden zu sein, wegen der aktuellen Hitzewelle mehr als gerecht geworden. Insbesondere die Bergetappen waren eine Herausforderung. Denn wer sich die Kräfte nicht richtig eingeteilt hat, wurde Opfer eines Hungerastes. So wird ein durch das Aufzehren der körpereigenen Kohlenhydratreserven verursachter plötzlicher Leistungseinbruch bezeichnet.

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Ein ähnliches Schicksal blüht aktuell auch unserer Konjunktur. Dank einer üppigen Versorgung mit Liquidität durch die Zentralbanken und den umfangreichsten Konjunkturprogrammen in Friedenszeiten ist die Wirtschaft im letzten Jahr mit 5,8 Prozent global so schnell gewachsen wie seit 1973 nicht mehr. Doch es scheint, dass in diesem Jahr die Konjunktur dem hohen Anfangstempo Tribut zollen muss.

Die rasante Nachfrageausweitung der letzten 18 Monate hat zu einer Überhitzung der Wirtschaft geführt. Hinzu kamen exogene Schocks auf der Angebotsseite: der Krieg in der Ukraine und Omikron in China. Ein unzureichendes Angebot und eine hohe Nachfrage haben die Inflation inzwischen auf das Niveau von 1981 katapultiert.    

Für die Verbraucherstimmung, insbesondere in Europa, ist die jüngste Entwicklung ein Desaster – und Besserung ist nicht in Sicht. Es ist sogar zu erwarten, dass die gestiegenen Einkaufspreise für Gas und Energie nach der Sommerpause zu Preiserhöhungen führen werden, die es in diesem Ausmass in den letzten vier Jahrzehnten nicht gegeben hat. Das bedeutet, dass zukünftig jeder Haushalt deutlich weniger Geld für Konsumausgaben haben wird.   

Über den Autor

Tilmann Galler ist globaler Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management.

Nicht minder bedenklich ist die Entwicklung bei den Nahrungsmittelpreisen. Der Krieg in der Ukraine beeinträchtigt nicht nur die Getreide- und Speiseölexporte aus der Region, sondern auch die Ausfuhr von Düngemitteln aufgrund der Sanktionen. Russland ist mit einem Weltmarktanteil zwischen 8 und 16 Prozent einer der grössten Produzenten, und der Preis für Ammonium, die Basis für Kunstdünger, hat sich innerhalb eines Jahres mehr als versechsfacht. Dies dürfte in Kombination mit der Hitzewelle und Trockenheit in weiten Teilen Europas und im Südwesten der USA im Herbst zu einem weiteren Anstieg der Lebensmittelpreise führen.    

Sollte es in den kommenden Monaten nicht zu erheblichen Lohnsteigerungen oder staatlichen Unterstützungsmassnahmen kommen, wird sich das Konsumverhalten signifikant verändern, denn die Überschussersparnisse der Pandemie sind langsam aufgebraucht.

Laut der jüngsten Umfrage von A.C. Nielsen in den USA über die Veränderung der Kaufabsichten der Konsumenten in den nächsten zwölf Monaten erwarten die amerikanischen Konsumentinnen und Konsumenten, zukünftig mehr vom Einkommen für Energieversorgung und Lebensmittel auszugeben. So bleibt deutlich weniger Geld für Restaurants, Kleidung, Baumarktartikel und Technologie. Der Konsum als wichtigste Stütze der Konjunktur verliert entsprechend an Kraft.    

Für Europa kommt die anhaltende Energieunsicherheit hinzu. Gelingt es nicht, in den kommenden Monaten die Gasspeicher signifikant zu füllen, kann es im schlimmsten Fall im ersten Quartal 2023 zu Gasrationierung und Produktionsausfällen in der Industrie kommen. Eine tiefe Rezession wäre die unweigerliche Folge davon.    

Nach dem Zinsanstieg im ersten Halbjahr bieten die Renditen von langlaufenden Anleihen mit hoher Qualität sowohl bei Staats- als auch bei Unternehmensanleihen wieder attraktivere Ertragschancen. Der beste Schutz vor einem Hungerast für den Leistungssportler ist: trinken, bevor man Durst hat. Der beste Schutz für das Anlegerportfolio ist: die Hinzunahme von langlaufenden hochwertigen Anleihen, bevor die Rezession kommt.

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