«Green Economy» – was verstehen wir unter diesem Begriff? Wie beim Begriff «Nachhaltigkeit» gibt es keine verbindliche Definition, und die verschiedenen Interpretationen gehen unterschiedlich weit in ihrer Bedeutung. Wir entscheiden uns für eine bedarfsorientierte Auslegung des Begriffs «Green Economy». Wenn wir uns darauf konzentrieren, welche Wirtschaft wir brauchen, um die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft und unseres Planeten zu sichern, ist die Basis für eine Konsensfindung gegeben.
Die grüne Wirtschaft, die wir brauchen, ist menschen- und planetengerecht. Das heisst, dass in dieser Wirtschaft das Wohl der Gesellschaft und das des Planeten klare Prioritäten sind. Denn ein gesunder Planet ist die Grundlage für das Überleben der Gesellschaft. Welche Kriterien sind zu erfüllen, damit unsere Wirtschaft wirklich menschen- und planetengerecht wird?
Mittlerweile besteht ein breiter Konsens darüber, dass sie CO2-arm sein muss. Aber um menschen- und planetengerecht zu werden, muss die Wirtschaft noch viele weitere Transformationen durchmachen. Die Wirtschaft, die wir brauchen, respektiert und fördert die Biodiversität unseres Planeten. Sie unterstützt Ökosysteme, schont die natürlichen Ressourcen und funktioniert in Kreisläufen. Ebenso ist sie inklusiv und basiert auf sozialer und Geschlechtergerechtigkeit. Eine Green Economy schafft Gesundheit und angemessene Arbeit und fördert Bildung.
Larissa Jäger ist Botschafterin bei Forma Futura Invest AG.
Ein entscheidendes Element sind die Konsum- und Produktionsmuster unserer Gesellschaft. Die lineare, extraktive «nehmen – verarbeiten – nutzen – wegwerfen»-Mentalität ist nicht vereinbar mit der Wirtschaft, die wir brauchen. Wir benötigen eine zirkuläre, regenerative Wirtschaft, in der die Abfälle des einen Produktionsprozesses als Rohmaterial eines anderen verwendet werden.
Post-Investment-Ansätze
Wenn wir die soziale Komponente der Green Economy betrachten, reicht es nicht aus, wenn Menschen lediglich als Ressourcen und Konsumierende gesehen werden. Menschen sind Mitgestalter der Wirtschaftssysteme, in denen sie leben. Sie prägen die technische Sphäre massgeblich durch Forschung und Entwicklung und können sich aktiv an der Regenerierung der biologischen Kreisläufe beteiligen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten sowohl in der Finanzwirtschaft als auch in der Gesellschaft, um diese Art der Wirtschaft zu fördern. In der Finanzwirtschaft ist das Anlagegeschäft ein möglicher Hebel. Dort können Anlegerinnen und Anleger, ebenso wie die Finanzinstitute, einen positiven Einfluss auf die Entwicklung der Unternehmen in ihren Portfolios ausüben.
Dieser Einfluss kommt jedoch nicht durch das Halten einer Aktie oder Obligation eines bestimmten Unternehmens zustande, sondern durch die Anwendung von sogenannten Post-Investment-Ansätzen. Dazu gehört zum einen der konstruktiv-kritische Dialog mit Unternehmen zu spezifischen Aspekten der Nachhaltigkeit (Engagement). Ein Finanzinstitut kann entweder weiterführende Fragen zur Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen stellen oder sie für problematische Aspekte und mögliche Verbesserungen sensibilisieren.
Zum anderen kann ein Finanzinstitut über das aktive Mitwirken in Netzwerken wie dem Verein zur Förderung von Ethik und Nachhaltigkeit bei der Geldanlage (CRIC), Swiss Sustainable Finance (SSF) oder auch Shareholders for Change (SfC) einen Beitrag zur nachhaltigen Transformation unseres Finanzsystems leisten.
Anlegerinnen und Anleger ihrerseits haben die Möglichkeit, ihre Stimmrechte wahrzunehmen und an den Generalversammlungen der Unternehmen in ihren Portfolios im Sinne der Nachhaltigkeit abzustimmen. Das Voting ist ein wichtiger Hebel, um die Transformation zu einer Green Economy inklusive eines nachhaltigen Geschäftsmodells in den Unternehmen voranzubringen.
Der Endlichkeit bewusst werden
Im Kreditgeschäft wiederum können Banken und andere Finanzinstitute die Vergabe von Krediten an bestimmte Nachhaltigkeitskriterien oder -ziele knüpfen. So setzen sie Anreize für nachhaltige Weiterentwicklung im Sinne der Green Economy.
Es existieren dementsprechend verschiedene Hebel in der Gesellschaft und Wirtschaft, die man anwenden kann, um die Transformation zu einer menschen- und planetengerechten Wirtschaft zu unterstützen. Doch sie alleine sind nicht ausreichend, um die Transformation zu vollziehen. Wir brauchen zusätzlich einen tiefgreifenden Bewusstseinswandel in der Gesellschaft.
Wir müssen als Gesellschaft realisieren, dass die Ressourcen, die wir miteinander und ebenso mit dem Planeten teilen, begrenzt sind. Diese Ressourcen erschöpfen wir derzeit durch unsere Konsum- und Produktionsmuster viel schneller, als sie sich regenerieren können. Um unsere Wirtschaft nachhaltig zu transformieren und sie in Einklang mit den planetaren Grenzen zu bringen, müssen wir uns dessen bewusst werden und unser Verhalten dementsprechend anpassen.
Denn letztlich ist es an jeder und jedem von uns, unsere alltäglichen Entscheidungen so zu treffen, dass wir die Transformation gemeinsam meistern.