Der Kurs des Bitcoin hat sich seit seinem Allzeithoch von etwa 69'000 Dollar im November 2021 auf Talfahrt begeben. Aktuell liegt er um die 20'000 Dollar – ein Rückgang um rund 70 Prozent. Diese Marktverschiebung erinnert an den Einbruch von 2018, als der Bitcoin-Kurs von knapp 20'000 Dollar im Dezember 2017 auf nur noch 7400 Dollar im Juni 2018 gefallen war.
Die Marktkapitalisierung des gesamten Ökosystems der digitalen Assets ist von ihrem Höchststand von über 3 Billionen Dollar auf derzeit unter 1 Billion Dollar abgesackt. Zum Vergleich: Von Dezember 2017 bis Juni 2018 war sie von 850 Millionen Dollar auf 250 Millionen Dollar geschrumpft – ein Einbruch um über 70 Prozent.
Überall in der Branche werden die Gürtel enger geschnallt. Jüngst wurde bekannt, dass Blockfi, eine Kryptobörse für Privatanleger und institutionelle Investoren, 20 Prozent des Personals abbauen will, nachdem bereits andere namhafte Anbieter in diesem Bereich Einstellungsstopps und Entlassungen angekündigt hatten.
Benjamin Dean ist Director im Digital-Assets-Team von Wisdom Tree. Er konzentriert sich auf die Gesamtstrategie für digitale Vermögenswerte, Forschung und externe Beziehungen. Bevor er zu Wisdom Tree kam, war er Cyber Catastrophe Lead bei Hiscox Insurance Group.
Zuvor beschäftigte er sich mit den Chancen und Risiken aufkommender Technologien für Organisationen wie die OECD und das Europäische Parlament. Dean war Fellow für Cybersicherheit und erwarb einen Master of International Affairs an der School of International and Public Affairs der Columbia University. Ausserdem schloss er sein Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der University of Sydney mit Auszeichnung ab.
Zudem kam es in den vergangenen sechs Monaten zu einer Reihe von schwerwiegenden Ausfällen. So ist das unterbesicherte «Stablecoin»-Experiment Luna/UST gescheitert. Auf ihrem Höhepunkt Anfang April 2022 war die Luna-Kryptowährung mit umgerechnet rund 41 Milliarden Dollar bewertet. Das Netzwerk ist nun im Wesentlichen nicht mehr existent.
Ein weiteres Beispiel aus den letzten Tagen: Das Celsius-Netzwerk, das die Leihe von Kryptowährungen ermöglicht, hat Abhebungen und Überweisungen zwischen seinen Konten «wegen extremer Marktbedingungen» ausgesetzt.
Risikokapital auf Rekordlevel
Diesen Entwicklungen steht der Einsatz von Risikokapital im gesamten Ökosystem gegenüber. Im Jahr 2021 floss mehr Wagniskapital in den Krypto-/Blockchain-Bereich als in den sechs vorangegangenen Jahren zusammen: Insgesamt belief sich das Volumen auf 21 Milliarden Dollar.
Im ersten Quartal 2022 wurde sogar noch mehr investiert, denn zu der bereits zugeflossenen Summe kamen weitere 10 Milliarden Dollar hinzu. Und erst vor wenigen Wochen gab der Wagniskapitalgeber Andreessen Horowitz bekannt, dass man erfolgreich einen neuen 4,5-Milliarden-Dollar-Fonds für «web3» (ihr Schlagwort für den Krypto-/Blockchain-Sektor) aufgelegt habe.
Ein Blick auf den Verwendungszweck dieses Risikokapitals ist aufschlussreich: In den letzten sechs Monaten flossen durchschnittlich 36 Prozent der Mittel in Non-Fungible Token (NFT) und Spiele. Der zweitgrösste Anteil entfiel auf den Bereich Decentralized Finance (DeFi), in den rund 16 Prozent des Kapitals investiert wurden.
Bei näherer Betrachtung erzeugen diese Fakten eine Dissonanz: Einerseits könnten die makroökonomischen Aussichten nicht pessimistischer sein. Anderseits gab es noch nie so viele voll finanzierte Projekte im Bereich digitale Assets.
Die Gnadenfrist liegt bei vielleicht 12 bis 18 Monaten. Wem es in dieser Zeitspanne gelingt, ertragsgenerierende Geschäftsmodelle – und Nutzer – zu finden, wird für die nächste Welle von Geschäftschancen im Kryptobereich sorgen. Doch wird es auf dem Weg dorthin viele Opfer geben – wie auch bisher während der bereits über zehn Jahre andauernden Entwicklung des Sektors.